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Reto, ungedopter Finisher der Tour dur d'Schwiiz: «Ich freue mich am meisten auf das Nichtstun»

Tour dur d'Schwiiz, 95. und letzte Etappe

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Tour dur d'Schwiiz, 95. und letzte Etappe: Iseltwald - Älggialp
Geschafft! Nach 95 Etappen, fast 11'000 Kilometern und 2323 Gemeinden erreichen wir die Gemeinde mit dem schönsten Namen der Schweiz: 2324.
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Tour dur dSchwiiz

Reto, ungedopter Finisher der Tour dur d'Schwiiz: «Ich freue mich am meisten auf das Nichtstun»

Vier Monate war er unterwegs und legte dabei eine Strecke wie von der Schweiz nach Peking zurück. Alles mit dem Velo. Und alles nur innerhalb der Landesgrenzen. Irgendwie unvorstellbar.
25.10.2015, 17:2827.10.2015, 13:56
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>>> Hier gibt's den Liveticker der allerletzten Etappe!

Er hat 2324 Gemeinden abgeradelt, er hat knapp 11'000 Kilometer hinter sich gebracht – und ist nun am Ende: watson-Sportchef Reto Fehr ist erster und einsamer Finisher der Tour dur d'Schwiiz.

Und nun? Leidet er nächste Woche an Velo-Entzug? Hat er mit seiner Tortur am Rad der Geschichte gedreht? Wer hat wohl seine miefigen Klamotten gewaschen, in die er den lieben langen Tag hineinschwitzt? Wir haken beim eigenen Kollegen nach.

watson: Hättest du dir jemals träumen lassen, dass du dich mal so auf einen trockenen, breiten, warmen Bürostuhl freuen würdest?  
Reto Fehr: Niemals. Lange hatte ich diesen auch nicht vermisst. Aber als das Wetter kälter wurde, dachte ich immer öfter, wie schön es dann sein wird, wenn ich wieder im warmen Büro sitzen kann und mich nicht mehr über eiskalte Füsse und verrutschte Heizbeutel in den Schuhen ärgern muss.

Im Sommer hatte er noch keine Probleme mit kalten Füssen.
Im Sommer hatte er noch keine Probleme mit kalten Füssen.
Bild: watson

Und wenn wir schon dabei sind: Hättest du dir träumen lassen, dass du mal derart oft auf deinen Hintern, dessen Muskeln und deren Kater angesprochen wirst?
Überhaupt nicht. Manchmal war es fast bisschen hart, auf den Hintern reduziert zu werden. Ich verstehe jetzt alle Frauen, die ... ach, egal.

Nun gut, etwaige Probleme mit dem Allerwertesten liegen hinter dir. Bist du überhaupt noch stubenrein? Auf was am häuslichen Alltag freust du dich am meisten?
​Auf das Nichtstun. Endlich mal wieder ausschlafen. Frei haben. Einfach irgendwann kurz vor dem Mittag aufstehen, mich aufs Sofa schleppen und den ganzen Tag dort verbringen. Das werde ich ab Montag mindestens zwei Tage machen. Auf diesen Moment freue ich mich schon seit Wochen.

Das war auf der 3. Etappe, als er grad zum zweiten Mal am gleichen Tag auf den Bernina strampelte. Dieses Mal hier von Brusio aus – 1600 Höhenmeter am Stück. 
Das war auf der 3. Etappe, als er grad zum zweiten Mal am gleichen Tag auf den Bernina strampelte. Dieses Mal hier von Brusio aus – 1600 Höhenmeter am Stück. 
Bild: watson

Es muss bei einer Ochsentour von knapp 11'000 Kilometern Länge Momente gegeben haben, in denen du dich dafür verflucht hast, diese Nummer durchzuziehen ...
Erstaunlicherweise kaum. Vielleicht die wenigen Male, als ich so richtig verschifft wurde und es dazu noch eiskalt war. Aber wenn du dann am Abend angekommen bist, warm geduscht und was gegessen hast, war alles wieder vergessen.​

Was hat dich durchhalten lassen?
Ich glaube, es ist einfach eine Kopfsache. Wir wissen gar nicht, wie weit wir unsere Grenzen noch hinausschieben können, wenn wir wollen. Ich hab' mir im Sommer gesagt: Jetzt fährst du durch die Schweiz. Und dann hab' ich einfach mal angefangen und mir vorgenommen nicht gleich bei der ersten Hürde aufzugeben, sondern mindestens die ersten zehn zu nehmen und dann mal weiterschauen.

Okay, hier dachte er ausnahmsweise: «Ach, wär' ich doch im Büro.»
Okay, hier dachte er ausnahmsweise: «Ach, wär' ich doch im Büro.»
Bild: watson

Du hattest gut 100 verschiedene Begleiter auf deinen 95 Etappen. Was waren das für Menschen? Gibt es eine Art «Homo Velo», oder waren die Leute ganz unterschiedlich?
Einen «Homo Velo» gibt es, glaube ich, nicht. Aber es war faszinierend, zu sehen, wie schnell man sich mit völlig fremden Menschen versteht, wenn man ein gemeinsames Interesse hat. Es waren ganz unterschiedliche und alles sehr positive Begegnungen.

Rund 100 Leute begleiteten ihn. Egal ob Familie, Freunde, Bekannte oder Fremde.
Rund 100 Leute begleiteten ihn. Egal ob Familie, Freunde, Bekannte oder Fremde.
Bild:

Wo waren die Bewohner am freundlichsten?
Ich habe jetzt eigentlich vier Monate lang fast täglich gestaunt, wie freundlich die Schweizer Bewohner sind. Alle waren hilfsbereit, zuvorkommend und offen. Ich habe nicht eine schlechte Erfahrung gemacht. Egal ob im Wallis, Thurgau oder Genf. Selbst die Basler haben mich als Zürcher herzlich behandelt ;-).

Andere Menschen sind dir via Twitter und Facebook gefolgt: Wie viele Tweets hast du abgesetzt, wie viele Facebook-Einträge gemacht?
Ich hab's noch nicht gezählt. Aber das mach' ich noch. Tweets würde ich auf fast 3'000 schätzen, Facebook-Posts waren's wohl etwa 300.​

Viermal verpasste er es, das Ortsschild zu fötelen. Dann hiess es umdrehen – und sich noch mehr freuen, dass man das Fehlen des Schildes nicht erst 20 Kilometer später bemerkt hat.
Viermal verpasste er es, das Ortsschild zu fötelen. Dann hiess es umdrehen – und sich noch mehr freuen, dass man das Fehlen des Schildes nicht erst 20 Kilometer später bemerkt hat.
Bild: watson

Wie hast du dich ernährt? Du musst hierfür ja einen Plan gehabt haben?
Pläne sind nicht so mein Ding. Ich hab' einfach alles reingehauen, was geht. So viele Kalorien, wie ich verbrauchte, konnte ich jedoch gar nicht essen. Wichtig war ein gutes Frühstück, unterwegs dann eher kleine Sachen wie Biberli, Bananen oder diverse Energy-Riegel und -Gels. Zum Znacht wieder viel. Sehr viel. Hier habe ich das ein bisschen genauer beschrieben.

Wie viel Kilo hast du dabei auf den Strassen gelassen?
Fast keines. Ich habe nur rund drei Kilo abgenommen.​

Wie soll man abnehmen, wenn man so reinhaut?
Wie soll man abnehmen, wenn man so reinhaut?
Bild: watson

Was macht dich an dem Erreichten am meisten stolz?
Dass ich es versucht habe. Da waren so viele Zweifel. So viele Leute, die mich auslachten und sagten, ich schaffe das eh nicht. Aber manchmal muss man einfach mal anfangen.​

Zwei Fragen, um die du nicht herumkommst: Welche sind für dich die drei schönsten Gemeinden gewesen und welche die drei nicht-so-schönsten?
Die Frage wurde mir immer wieder gestellt. Aber ich kann sie nicht beantworten. Es gibt kein «Schönstes» oder «Nicht-so-schönstes». Für dich mache ich eine Ausnahme: Wald ZH im Zürcher Oberland ist am allerschönsten ;-).

Es muss doch etwas hinter Wald ZH im Zürcher Oberland geben!!!
Ich habe während den letzten Monaten eine lange Liste angelegt mit Orten, die ich nochmals besuchen will, wenn ich wirklich auch Zeit habe. Mir ist einfach bewusst geworden, dass wir in einem unfassbar schönen Land wohnen, in welchem es so viele (unbekannte) Ecken gibt, die es zu entdecken gibt. Am besten, man gönnt sich einfach mal ein Wochenende in einer unbekannten Region – die meisten schönen Orte findet man ja eh nicht in Reiseführern.

Einer von vielen wunderschönen Orten der Schweiz, von denen er zuvor nie gehört hatte: der Partnunsee in St.Antönien.
Einer von vielen wunderschönen Orten der Schweiz, von denen er zuvor nie gehört hatte: der Partnunsee in St.Antönien.
Bild: watson

Kollege, uns ist aufgefallen, dass du auf allen Bildern grinst. Hand aufs Herz und auf die Leber: Warst du gedopt?
Natürlich nicht. Meist fiel mir das leicht, aber manchmal war es fast das Anstrengendste des Tages. Meine Frau sagte mal, es wäre lustig zu filmen, wie ich abgekämpft am Ortsschild ankomme, eine halbe Sekunde grinse, fötele und dann wieder abgekämpft weiterradle.

Immer grinsen auf Ortsschild-Selfies? 
Immer grinsen auf Ortsschild-Selfies? 
Bild:

Und nun? Willst du im Winter alle Seen durchschwimmen? Oder mal alle Gemeinden durchwandern? Bist du jetzt süchtig nach Rekorden? Was bringt die Zukunft?
Nein, süchtig auf keinen Fall. Gross geplant ist nichts. Zusammen mit meiner Frau habe ich im Januar eine Einladung mit dem Tandem am Snow Bike Festival – einem Fatbike-Rennen in Gstaad – teilzunehmen. Wir fahren weder Tandem noch Fatbike, lustig wird's also auf jeden Fall.

Jetzt haben wir gar nicht mehr darüber gesprochen, wer eigentlich deine dreckige Wäsche wäscht ...
Nina. Die beste Frau der Welt.

Seine treuste Begleiterin. Nina fuhr 21 aller Etappen mit ihm. Und wusch dazwischen noch seine Wäsche. Und machte ihm Sandwiches. Und war immer da. Und, und, und.
Seine treuste Begleiterin. Nina fuhr 21 aller Etappen mit ihm. Und wusch dazwischen noch seine Wäsche. Und machte ihm Sandwiches. Und war immer da. Und, und, und.
Bild: watson

Hier müssten eigentlich seine schönsten Bilder der Schweiz kommen. Aber er hatte noch keine Zeit, diese zusammenzustellen. Drum mal die besten Bilder der zweitletzten Etappe:

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Tour dur d'Schwiiz, 94. Etappe: Interlaken – Iseltwald
Hier endet die zweitletzte Etappe: Iseltwald. Gemeinde 2316 von 2324. Mit dabei sind Chrigel, Nina, Rolf und Sonja. Kurz zuvor in Interlaken hat uns Klaus verlassen. War super, seid ihr alle mitgekommen. Ihr wisst gar nicht, was diese Unterstützung bringt.
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(phi)

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17 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
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's all good, man!
25.10.2015 18:39registriert September 2014
Herzliche Gratulation, Reto! Das ist eine sensationelle Leistung - Hut ab! Geile Siech.
431
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Ceci
25.10.2015 18:22registriert Februar 2014
Reto, ich freue mich Dich ganz am Anfang in Davos getroffen zu haben. Das war am 7. Juli. Da lag noch ein langer Weg vor Dir.
Du hast es geschafft! Ich gratuliere Dir von Herzen. Jetzt hast Du das Nichtstun redlich verdient! Geniesse die Zeit.
Alles Gute und liebe Grüsse
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310
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Madison Pierce
25.10.2015 18:17registriert September 2015
Herzliche Gratulation zu der super Leistung! Habe jede Etappe verfolgt und mir auch viele Orte aufgeschrieben, die ich mal besuchen will.
250
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«Hoch werd mas nimma gwinnen» – der legendäre Ösi-Galgenhumor beim 0:9 gegen Spanien
27. März 1999: Österreich kassiert in der Qualifikation für die EM 2000 in Belgien und Holland gegen Spanien die höchste Niederlage seit 91 Jahren. 0:9 lautet am Ende das Verdikt. Galgenhumor zeigen die Ösis bereits beim Stand von 0:5 zur Pause.

Mit breiter Brust reist die ÖFB-Auswahl von Teamchef Herbert Prohaska im Frühling 1999 nach Valencia. Schliesslich sind die Österreicher seit fünf Spielen ungeschlagen und führen nach einem Remis gegen Israel sowie zwei klaren Siegen gegen Zypern und San Marino die Tabelle der Gruppe 6 nach drei Spieltagen an. Selbstvertrauen gibt ausserdem ein 2:2-Unentschieden gegen den frischgebackenen Weltmeister Frankreich im August und ein 4:2-Auswärtssieg in St.Gallen gegen die Schweiz.

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