Herr von Ah, Alex Miescher, der
Generalsekretär des Schweizerischen Fussballverbands, wirft in einem
Interview die Frage auf, ob Nati-Spieler ihre Doppelbürgerschaften
aufgeben müssen. Steht der Verband hinter dieser Aussage?
MARCO VON AH: Ja. Der Verbandspräsident war darüber
im Bilde, dass dieses Statement im Interview platziert wird und eine entsprechende Diskussion zu einem facettenreichen Thema lanciert wird.
Wie ausgereift ist diese Idee vom
Verband bereits?
Sie steht schon länger im Raum und muss jetzt diskutiert werden. Als der Kosovo 2016 in die UEFA und FIFA aufgenommen wurde, warf dies einige Fragen auf. Sind nun Spiele für einen neuen Verband möglich? Oder behalten vorher getroffene Entscheidungen ihre Gültigkeit? Als Verband wollen wir unsere Spieler vor solchen Situationen schützen und alles dafür tun, dass sie sich aufs rein Sportliche konzentrieren können.
Im Interview sagt Herr Miescher, es
sei insbesondere stossend, wenn teure Förderungsmassnahmen in die
Spieler gesteckt werden und die später zur Konkurrenz abwandern.
Die Ausbildungen der Spieler sind sehr kostenintensiv. In jeder anderen Branche gilt dasselbe: Es ist ärgerlich, wenn ein junges Talent über Jahre gefördert wird, dann das Unternehmen verlässt und allenfalls noch das erworbene Know-how bei der Konkurrenz zum Tragen bringt. Wir sind nicht grundsätzlich gegen Doppelbürgerschaften. Aber wir brauchen ein gewisses Commitment, dass die Spieler bei uns bleiben, wenn wir in sie investieren. Eine reglementarische Grundlage, auf die wir uns berufen können, würde solche Konfliktsituationen entschärfen. In anderen Ländern wird dies übrigens längst so gehandhabt.
Wo zum Beispiel?
Kamerun sieht keine mehrfachen Staatsbürgerschaften vor. Das betraf Breel Embolo, als er sich entschied, fürs Schweizer Nationalteam zu spielen. Norwegen bewilligt doppelte Staatsbürgerschaften nur in sehr wohl begründeten Ausnahmefällen.
Wie problematisch ist die Sache überhaupt in der Schweiz? Seit über zehn Jahren gab es genau zwei
Fälle von relevanten Spielern, welche die Nationalmannschaft
verlassen haben und nicht mehr für die Schweiz spielen.
Das belegt vor allem, dass wir einiges richtig gemacht haben in den letzten Jahren. Aber das ist kein Grund, das Thema nicht weiter intensiv zu verfolgen und zu diskutieren.
Warum gerade jetzt?
Weil Kosovo jetzt mitspielt und mit Bernard Challandes erst noch einen Schweizer als Nationaltrainer hat. Wir versuchen einfach proaktiv zu handeln. Mit einem öffentlichen Diskussionsanstoss.
Aber wie wollen Sie einem
20-Jährigen das Versprechen geben, in der Nationalmannschaft zu
spielen? Falls er nicht aufgeboten wird, hat er seine Doppelbürgerschaft
vergeblich aufgegeben.
Da müssen wir sicher mit Bedacht vorgehen. Wir wollen ja nicht vorsätzlich verhindern, dass junge Spieler internationale Spiele bestreiten können. Das war im Vorfeld der WM zum Beispiel in Frankreich Gegenstand von Diskussionen. Offenbar gibt es einige Spieler mit afrikanischem Hintergrund, die für Frankreichs A-Team ein- oder zweimal gespielt haben, nun aber sportlich als nicht mehr genügend eingestuft werden, jedoch nicht mehr für andere Nationen qualifiziert werden können.
Wenn Sie die Spieler vor die Wahl
stellen, welche Staatsbürgerschaft sie behalten wollen, riskieren Sie, dass sich die Fussballer gegen die Schweiz entscheidet. Würden Sie es in Kauf nehmen, auf Ausnahmetalente wie Shaqiri und Co. zu verzichten?
Beim Schweizerischen Fussballverband ist niemand gegen mehrfache Staatsbürgerschaften. Aber wir sind sehr dafür, dass wir unsere Ressourcen nicht in die Ausbildung von Spielern investieren, die sich nicht dazu bekennen wollen, für die Schweiz zu spielen. Von den aktuellen Nationalspielern mit Migrationshintergrund geht sehr deutlich die Botschaft aus, dass sie von ihrer Ausbildung profitiert, von der Schweiz viel erhalten haben und darum etwas zurückgeben wollen. Was quasi ein Steilpass ist zur Aussage, dass die Fussball-Nationalmannschaft immer auch ein Spiegelbild der Gesellschaft ist.