Der neue Anlauf zur Abschaffung der Heiratsstrafe ist vorerst gescheitert: Der Ständerat hat sich am Montag dafür ausgesprochen, die Vorlage an den Bundesrat zurückzuweisen. Darüber muss noch der Nationalrat entscheiden.
Das Thema beschäftigt die Politik seit Jahren. 2016 hat das Stimmvolk eine Volksinitiative der CVP zur Abschaffung der Heiratsstrafe äusserst knapp abgelehnt. Weil der Bund falsche Zahlen vorgelegt hatte, entschied das Bundesgericht später, dass die Abstimmung aufzuheben sei.
Wird die Initiative nicht zurückgezogen, muss der Urnengang wiederholt werden. Ob die CVP die Initiative zurückzieht, hängt davon ab, ob sich das Parlament auf gesetzliche Regeln einigen kann. Ein Rückzug der Initiative ist möglich, bis der Bundesrat den Abstimmungstermin festlegt. Dies muss vor dem 27. Mai 2020 geschehen.
Die Vorschläge des Bundesrates für gesetzliche Regeln haben nun aber die erste Hürde nicht geschafft: Der Ständerat sprach sich mit 25 zu 18 Stimmen dafür aus, die Vorlage an den Bundesrat zurückzuweisen. Folgt ihm der Nationalrat, muss der Bundesrat über die Bücher.
Der Bundesrat schlägt vor, dass die Steuerbehörden künftig bei Ehepaaren zwei Varianten durchrechnen: Eine Besteuerung nach gemeinsamer Veranlagung und eine in Anlehnung an die Besteuerung von Konkubinatspaaren. In Rechnung gestellt würde dann automatisch der tiefere Betrag.
Die Ständeratskommission stimmte dem zu. Allerdings wollte sie eine Änderung anbringen: Sie schlug vor, den Elterntarif beizubehalten und nicht durch einen neuen Alleinerziehendenabzug zu ersetzen. Mit dem Vorschlag des Bundesrates würden Konkubinatspaare mit Kindern schlechter gestellt als bisher - und schlechter als Ehepaare mit Kindern, argumentierte die Kommission.
Die Reform würde in der Version des Bundesrates bei der direkten Bundessteuer zu Mindereinnahmen von rund 1.5 Milliarden Franken führen. Davon entfielen rund 1.2 Milliarden auf den Bund und 300 Millionen Franken auf die Kantone. Die Version der Ständeratskommission würde mehr kosten.
Nach inoffiziellen Schätzungen aus der Verwaltung betrügen die Mehrbelastungen für den Bund über 300 Millionen Franken und für die Kantone 60 Millionen Franken, sagte Kommissionssprecher Pirmin Bischof (CVP/SO).
Der Ständerat hat darüber aber nicht entschieden. Er nahm den Antrag einer Minderheit aus SP- und FDP-Vertreterinnen und -Vertretern an. Sie wollen den Bundesrat beauftragen, andere Modelle vorzulegen - namentlich das Modell des Kantons Waadt und das Modell der Individualbesteuerung.
Das Bundesratsmodell sei «nicht gerade einfach», argumentierte Thomas Hefti (FDP/GL) als Sprecher der Minderheit. Die Korrektur eines Mangels führe zu anderen Problemen, die wiederum korrigiert werden müssten. So drohe etwa eine Mehrbelastung von Alleinstehenden und Konkubinatspaaren mit Kindern, wenn dort nicht Korrekturen vorgenommen würden.
Andrea Caroni (FDP/AR) stellte fest, er anerkenne, dass gewisse Ehepaare bei der Bundessteuer benachteiligt würden. Doch diese legendäre Heiratsstrafe werde in vielen Kantonen durch kantonale Heiratsboni «mehr als aufgehoben». Hinzu kämen Eheprivilegien bei den Sozialversicherungen. Caroni plädierte für eine zivilstandsneutrale Vorlage.
Anita Fetz (SP/BS) gab zu bedenken, das Zusammenleben der Menschen sei deutlich bunter geworden. Das sollte ein Steuergesetz abbilden. Der Vorschlag des Bundesrates sei nicht zukunftstauglich. Am meisten profitierten Ehepaare ohne Kinder mit hohen Einkommen. Entlastet werden sollten aber Eltern - unabhängig davon, wie sie lebten. Paul Rechsteiner (SP/SG) sprach von einem «verkorksten Geschäft».
Die Befürworterinnen und Befürworter aus den Reihen von CVP und SVP mahnten, eine Rückweisung würde nur zu einer weiteren Verzögerung führen. Die verfassungswidrige Heiratsstrafe müsse nun endlich abgeschafft werden. «Alles, was zu prüfen war, wurde geprüft», stellte Konrad Graber (CVP/LU) fest. Peter Hegglin (CVP/ZG) befand, es sei schon jetzt eine «unendliche Geschichte».
Finanzminister Ueli Maurer erzählte, bei ihm zu Hause sei dieses Thema ein «running gag». Er werde gefragt, warum er überhaupt nach Bern gehe, wenn das Problem nicht gelöst werde. Die Vorlage sei der bestmögliche Kompromiss, sagte Maurer. Er rief dazu auf, nun den Spatz in der Hand zu nehmen. «Ich bin nicht sicher, ob überhaupt eine Taube auf dem Dach ist.» Die Mehrheit im Rat konnte er aber nicht überzeugen.
Von der Heiratsstrafe betroffen sind gemäss den neuen Angaben des Bundes rund 454'000 Zweiverdienerehepaare und 250'000 Rentnerehepaare. Sie sind gegenüber unverheirateten Paaren durch eine steuerliche Mehrbelastung von mehr als 10 Prozent benachteiligt.
Neben der Heiratsstrafe gibt es auch einen Heiratsvorteil: Rund 200'000 Einverdiener- und 124'000 Zweiverdienerehepaare sowie 58'000 Rentnerehepaare kommen in den Genuss einer Minderbelastung von mehr als 10 Prozent gegenüber einem Konkubinatspaar in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen. Unter dem Strich leiden rund 704'000 Paare unter der Heiratsstrafe, rund 382'000 profitieren vom Heiratsvorteil. (aeg/sda)
Leute sollen heiraten, weil sie sich gern haben, nicht wegen den Steuern.