Erdogan streckt seine Fühler in die Schweiz aus: Diesen Sonntag um 18 Uhr will sein Aussenminister Mevlüt Cavusoglu im Hotel Hilton Airport in Opfikon (ZH) für ein Ja zur Verfassungsreform in der Türkei werben. Die Abstimmung, zu der auch mehr als 70'000 Türken in der Schweiz zugelassen sind, findet am 16. April statt. Ein Ja führt in der Türkei ein Präsidialsystem ein und stattet Präsident Erdogan mit fast uneingeschränkter Macht aus.
Aufgeschreckt vom geplanten Besuch Cavusoglus möchte die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich den Anlass am liebsten abblasen. Das meldete gestern Abend «blick.ch». In einem an Aussenminister Didier Burkhalter abgeschickten Mail, dessen Inhalt auch der «Nordwestschweiz» vorliegt, befürchtet der Zürcher Regierungsrat «massive Kundgebungen» und gar Ausschreitungen: «Selbst mit einem grossen Polizeiaufgebot kann nicht gewährleistet werden, dass die Veranstaltung unter Einhaltung von Ruhe und Ordnung über die Bühne gehen kann.» Der Bundesrat werde gebeten, geeignete Massnahmen zu prüfen, um die Veranstaltung abzusagen.
Eine Antwort des Bundesrats liegt zwar noch nicht vor, jedoch ist zu bezweifeln, dass er die Veranstaltung überhaupt verhindern kann. Einer der Gründe: Beim Besuch des türkischen Aussenministers handelt es sich weder um einen Staatsbesuch noch um ein Arbeitstreffen mit Vertretern der Schweizer Regierung. Cavusoglu trifft sich am Sonntag mit den türkischen Generalkonsuln aus der Schweiz und Österreich und danach mit «Vertretern der türkischen Gemeinschaft», so das Aussenministerium EDA.
Der Rahmen, in dem das Treffen stattfindet, ist öffentlich. Inhalt der Rede ist auch die umstrittene Verfassungsreform. Darauf schliesst ein Flyer, der gestern auf Facebook geteilt wurde. Er animiert Türken aus der Schweiz und aus dem nahen Ausland zur Teilnahme an der Veranstaltung. Als Organisatorin gibt sich die türkische Regierungspartei AKP zu bekennen. Das EDA in Bern wurde einzig mit einer sogenannten «diplomatischen Note» über den Besuch informiert. Auch wenn dieser nicht offiziell ist – das EDA steht laut eigenen Angaben im Kontakt mit der Bundespolizei Fedpol und den kantonalen Sicherheitsbehörden und waltet so als oberste Hüterin für die Sicherheit des türkischen Ministers. Im Sinne der Meinungsäusserungsfreiheit hat das EDA nichts dagegen einzuwenden.
Doch auch wenn er wollte – die Möglichkeiten des Bunds sind beschränkt, den Auftritt des türkischen Ministers zu verbieten: So kann er zwar Einreiseverbote für Personen erlassen, deren Teilnahme an Veranstaltungen die innere oder äussere Sicherheit «unmittelbar gefährden». Allerdings erliess der Bundesrat solche Verbote bisher nur gegen sogenannte Hassprediger.
Das schreibt der Bundesrat in seiner Antwort auf einen parlamentarischen Vorstoss des Appenzeller CVP-Nationalrats Daniel Fässler vom letzten Herbst. Darin fordert dieser die Wiedereinführung eines 1998 gestrichenen Passus, der Auftritte ausländischer Redner einer Bewilligungspflicht durch die Kantone unterstellt hatte. Er befugte die Kantone, Bewilligungen bei Sicherheitsbedenken zu verweigern.
Einen türkischen Minister auf dieselbe Stufe zu stellen wie einen Hassprediger, der zu Gewalt und Terrorismus aufruft – so was kann sich die Schweiz kaum erlauben, ohne in eine diplomatische Krise zu schlittern. Fässler aber sieht seinen Vorstoss mit den jüngsten Entwicklungen um den geplanten türkischen Besuch gestärkt. «Hätten wir die Bewilligungspflicht nicht abgeschafft, so könnte der Kanton Zürich den Auftritt Cavusoglus problemlos verhindern», sagt er zur «Nordwestschweiz».
Das Parlament hat über die Wiedereinführung der Bewilligungspflicht noch nicht abgestimmt. Der Bundesrat ist dagegen.