Das Treffen findet – wie könnte es anders sein – am Wasser statt. Franziska Herren, die Urheberin der Trinkwasserinitiative, bezieht sich während des Gesprächs immer wieder auf das Wasser in der Zürcher Limmat. Sie sagt: «Es ist für mich unverständlich, dass wir unsere eigene Lebensgrundlage zerstören.» Auf der Limmat schwimmt gerade eine Bierdose vorbei.
Herren ist soeben von einem Fernsehauftritt zurückgekehrt. Sie, die ursprünglich eine KV-Lehre gemacht und als Fitnesstrainerin gearbeitet hat, musste die Auftritte in der Öffentlichkeit erst lernen. Denn sie hatte nicht gerade viel mit Politik am Hut, und es war letztlich nur ein Zufall, der sie politisierte.
Auf einem Spaziergang im Jura sah sie, wie ein junges Kalb der Mutter nach der Geburt weggenommen wurde, so wie das für die Milchproduktion gemacht wird. Herren recherchierte auf eigene Faust, ob das auch bei der Biomilch passiere. Das war im Jahr 2011. Und Herren hörte nicht auf zu recherchieren. Sie sagt:
Herren erinnert ein wenig an die Protagonistin aus dem Hollywood-Film «Erin Brockovich», die ein unscheinbares Leben führt, bis sie zufällig einen grossen Umweltskandal aufdeckt.
So wie Brockovich war auch Herren zu Beginn allein. «Eine gegen alle», hiess es in einem Porträt des Schweizer Fernsehens. Ohne Partei im Rücken habe sie sich mit den Grossen angelegt. Was sie dazu sagt? «Mit soviel Gegenwind hatte ich tatsächlich nicht gerechnet, denn ich dachte, die Gesundheit der Bevölkerung und der Naturschutz sind doch im Interesse aller.» Das erzählte sie ihren Freunden, Bekannten, Nachbarn. Alle seien mit ihr einig gewesen. Also fängt sie an, Unterschriften zu sammeln. Herren erklärt:
Mittlerweile müssten eine Million Menschen Trinkwasser über dem gültigen Grenzwerten für Pestizide trinken. Und sie verweist auf Zahlen des Bundesamts für Umwelt, die gravierende Probleme mit Nitrat, Ammoniak, Pestiziden und Antibiotika in den Gewässern, den Böden und der Luft dokumentieren.
Für Herren ist das mittlerweile nicht mehr überraschend, aber sie sei schockiert gewesen, als sie mit ihren Recherchen angefangen habe. Es herrsche ein grosses Unwissen darüber, wie die hiesige Landwirtschaft funktioniere, sagt sie. Und wenn man etwas wisse, gebe es zwei Optionen: Entweder, man ignoriere es, oder es lasse einen nicht mehr los und man müsse ins Handeln kommen. So kam die Trinkwasserinitiative zustande.
Das Hauptanliegen: Die Subventionen des Bundes in eine nachhaltige und pestizidfreie Produktion umlenken. «Sauberes Trinkwasser für alle, das sollte gar kein Politikum sein», sagt sie. Doch der Bauernverband und sogar der Dachverband Bio Suisse bekämpfen das Anliegen mit allen Mitteln. Für sie ist die Trinkwasserinitiative «ein gefährliches agrarpolitisches Experiment» und stellt unerfüllbare Bedingungen an die Betriebe.
Zu stark würden die Bauern in ihrer Produktion eingeschränkt, sie befürchten ausserdem, dass die Initiative mehr Nahrungsmittelimporte aus dem Ausland zur Folge hätte. Zudem fielen die Preise, wenn Bio zum Standard würde. Inzwischen wird mit harten Bandagen gekämpft: Nach einer Morddrohung sagte Herren zuletzt Auftritte ab. Aufgewachsen ist die 54-Jährige im Emmental und im bernischen Münsingen. Als Kind sammelte sie Regenwürmer ein, wenn es regnete. Heute sagt sie:
Das liege klar an den vergifteten und übernutzten Böden. Dabei seien Regenwürmer immens wichtig, um die Erde aufzulockern, damit das Trinkwasser im Boden gefiltert und gespeichert werden könne.
Schon Herrens Mutter war sehr naturverbunden und im Tierschutz aktiv. In den späten 90er Jahren habe die Mutter einen Biostand auf dem Münsinger Markt eröffnet. Trotzdem habe auch sie selber lange nicht geahnt, wie umweltschädlich die landwirtschaftliche Produktion in der Schweiz wirklich sei. «Unsere Initiative wird von gewöhnlichen Leuten getragen; sie wendet sich nicht gegen die Bauern, sondern gegen die Agrarlobby.» Die Steuergelder sollen umweltverträglich investiert werden, das sei ihr einziger Antrieb, nichts anderes. «Es ist doch legitim, wenn die Bevölkerung eine Produktionsform verlangt, die die Biodiversität schont und für einwandfreies Trinkwasser sorgt.»
Und dann kommt Herren richtig in Fahrt. Die Schweiz beatme derzeit vier grosse Seen künstlich, weil sie sonst unter einem Algenteppich ersticken würden. Die Böden hierzulande seien völlig überdüngt. Der Kanton Luzern habe mehr Schweine als Einwohner und deshalb ein riesiges Gülleproblem.
Das Futter der Schweine stamme zu 50 Prozent aus dem Ausland, wo es zum Beispiel in Brasilien auf gerodeten Urwaldböden wachse. «Wissen die Leute, dass im hochgelobten Schweizer Fleisch Regenwald steckt?» fragt sie. Bei den Hühnern stamme das Futter sogar zu 70 Prozent aus Importen.
Ausserdem sei das Ausland in vielen Fällen weiter als die Schweiz. «Während in den USA bei der Produktion von Bio-Fleisch Antibiotika verboten sind, setzen wir sie hierzulande sogar prophylaktisch ein.»
Ob Herren eine Idealistin ist? «Nein, eine Idealistin sucht nicht nach praktikablen Lösungen», sagt sie. Eine Realistin sei sie, denn sie sehe die Konsequenzen der gegenwärtigen Landwirtschaft. «Darum habe ich eine Initiative lanciert, die keine Utopie fordert, sondern realistisch und umsetzbar ist.»
Herren zeigt mit dem Finger auf die Limmat. Die Natur verändere sich rapide, sagt sie. Die Flüsse hätten immer weniger Wasser. «Manchmal frage ich mich, wie lange es noch geht, bis gewisse Ökosysteme kollabieren. Vielleicht noch zehn Jahre?» (aargauerzeitung.ch)
Mimo Staza
Hadock50
Warum das Futter für Schweine von gerodeten Urwaldbäume stammen muss ist mir jetzt nicht ganz klar.
Warum kann man diese nicht einfach verbieten ?
Also CO2 + Trinkwasserinitiative befürworte ich beide mit einem JA.
Kleinaberdoktor