Der Kater war heftig. Ganze drei Tage litten Liberale, Linke und Bürgerliche von Kalkutta bis Bogotá an pochenden Trump-Schmerzen. Die Wahl des milliardenschweren Immobilienmoguls Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA war eine Zäsur.
Diese «Arena» knüpfte nahtlos an die letzte Ausgabe an. Vor einer Woche debattierten Blocher, Nussbaumer, Moser und AfD-Gauland im Leutschenbach darüber, wer das Sagen im Land hat. Das war in der Ära Prä-Trump. Es scheint eine Ewigkeit her.
Jetzt, nach dem schicksalhaften 11/9 ist alles anders. Die Saat des Populismus ist aufgegangen in «God's Own Country», der neofaschistische Demagoge und Prahlhans Donald Trump folgt als Präsident der USA auf Barack Obama.
Oder war es vielmehr so, dass Trump den Puls des «einfachen Mannes» besser fühlte als die kaltherzige, technokratische Hillary Clinton, die mit starren Gesichtszügen den Rustbelt-Bewohnern erklärte, die Stahl- und Kohlewerke müssten zugunsten der grünen Industrie ihre Tore schliessen? Adiéu Job und Haus, aber immerhin ist der Strom sauber, der eure Trailer-Park-Gasgrills antreibt?
«Wieso Trump», lautete die Frage, die der jüngsten «Arena»-Ausgabe vorangestellt war, und Andreas Glarner (SVP), Mattea Meyer (SP), Pirmin Bischof (CVP) und die Politphilosophin Katja Gentinetta sollten eine Antwort darauf finden, wie das geschehen konnte, was vor einem Jahr, einem halben Jahr, ja, vor einem Monat noch undenkbar schien?
Über eines war man sich in der Runde schnell einig: Ja, Trump ist ein Populist. Ja, Trump hat mit seinen Äusserungen im Wahlkampf und als Privatperson alle Grenzen des Anstands und des Respekts dutzendfach überschritten. Sogar Andreas Glarner, kein Kind von Traurigkeit, wenn es darum geht, ganze Bevölkerungsgruppen zu diffamieren, musste eingestehen: Trumps Kommentare waren des Öfteren too much. Aber, so der SVP-Nationalrat, man dürfe nicht alles für bare Münze nehmen, was Trump von sich gegeben hat: «Es heisst schliesslich Wahlkampf und nicht Wahlstreicheln».
Wenig überraschend zog er damit den Zorn der jungen SP-Nationalrätin Mattea Meyer auf sich, die sich über den «Frauenfeind Trump» echauffierte. Meyer tat sich aber keinen Gefallen damit, dass sie sich in Glarner verbiss. Zu offensichtlich waren die Provokationen des Gemeindeammans von Oberwil-Lieli, zu oft liess er sie ins Leere laufen. Vor allem aber kam Meyer nie aus ihrer Rolle als rührige, aber letztendlich umsonst sich abmühende Gewerkschaftsparolen-Verkünderin heraus. Man hatte fast ein bisschen Mitleid mit ihr, als der Bundeshausfotograf Karl-Heinz Hug die SP-Politikerin händeringend aufforderte, doch endlich mal in den Dialog «mit dem Volk» zu treten.
Meyer spulte daraufhin ihr Programm ab, alles vernünftig, und sicherlich gut durchdacht. Aber Hug, der Bundeshausfotograf, schüttelte nur den Kopf. In diesem Moment schien die SP tatsächlich sehr weit weg von den Sorgen und Nöten des «einfachen Mannes».
Der einfache Mann, manchmal auch Otto Normalbürger oder Mann von der Strasse genannt, hat eine steile Karriere hinter sich. Vom Bürger einer Demokratie, der mit seiner Stimme zwar Wahlen und Abstimmungen beeinflussen kann, sich aber ansonsten marginalisiert und an den Rand gedrängt fühlt, zum entscheidenden Player im Politpoker. Wer auf ihn hört, der gewinnt Wahlen. Nicht irgendwo. In der grössten Demokratie der Welt.
Die SVP beherrscht das zweifellos besser als die SP. Die Finger der Volkspartei gleiten mit schlafwandlerischer Sicherheit über die Klaviatur des Volksbefindens. Glarner wurde nicht müde, die Geschichte des Mannes zu erzählen, der am Morgen früher aufsteht als die anderen, und der am Abend später ins Bett geht als die anderen. Es ist derselbe Büezer und Chrampfer, der auch in Göläs jaulenden Sozialneid-Rockhymnen die Hauptrolle spielt.
Dem Volk komplexe Zusammenhänge erklären, das ist die Aufgabe des Politikers, zeigte sich CVP-Ständerat Pirmin Bischof überzeugt: «Wer das nicht kann, der hat seine Rolle als Politiker verfehlt.»
Bloss: Wie weit darf man im Dialog mit «dem Volk» nach unten gehen? Wie weit darf man komplexe Zusammenhänge vereinfachen, bis aus einem unübersichtlichen Netzwerk politischer Sachfragen ein Flickenteppich wird? Auftritt Katja Gentinetta. Die ehemalige «Sternstunde Philosophie»-Moderatorin verfocht eine klare Meinung: «Es gibt eine Grenze der Vereinfachung.»
Die ist vielleicht dann erreicht, wenn Glarner von den Mexikanern in den USA als Massen redet, die einmarschieren und am Sozialtropf der Vereinigten Staaten hängen. Deswegen auch die Mauer, die Glarner übrigens als symbolische Mauer verstanden wissen will.
Otto Normalbürger hat also Trump ins Weisse Haus gehievt. Diese Erkenntnis ist aber erstens verkürzt und zweitens nicht neu. Und vor allem beantwortet sie die Frage nicht: Wieso Trump?
Weil, so die Politphilosophin Gentinetta, viele Leute das gefühlt hätten, nichts mehr sagen zu dürfen, ohne gleich als Rassisten abgestempelt zu werden. Vielleicht, so eine nachdenkliche Gentinetta weiter, habe man es mit der Political Correctness tatsächlich zu weit getrieben. Insbesondere beim Thema Zuwanderung zeige sich dies exemplarisch. Diese Aussagen nahm Andreas Glarner als Steilvorlage für einen Sturmangriff auf die Antirassismus-Strafnorm, die als Feindbild Nummer 1 der scheinbar unterdrückten, schweigenden Mehrheit die angebliche Meinungsdiktatur verkörpere.
«Und jetzt also kommt einer und redet deutsch und deutlich», sagte Glarner.
Trump ist also da. Er ist der ungebetene Gast, der spätabends betrunken an die Party stolpert, den Daumen lüstern in den Geburtstagskuchen taucht, dem schüchternen Brillenträger eine Kopfnuss verpasst und allen anderen Gästen grölend vier Flaschen Dom Perignon und eine Stange Havanna-Zigarren verspricht, wenn sie jetzt sofort mit ihm zu dieser anderen tollen Fete gleich um die Ecke aufbrechen. Wenn sie dann wenig später mit einem Becher Pabst Blue Ribbon in der Hand vor einer Schale ungesalzener Nüsschen stehen, wird es ihnen vielleicht dämmern, auf was sie sich eingelassen haben. Aber dann ist es zu spät.
Deshalb, so Gentinetta, die sich mit ihrer nüchternen Analyse wohltuend von den Polpolitikern Glarner und Meyer abhob, sei es wichtig, dass die Bürger kritischer werden und die Politiker mehr an ihren Versprechungen messen. Sollte sich also herausstellen, dass Trumps vollmundige Ankündigungen nicht mehr als luftiges Wahlkampf-Getöse waren, so müssten sie ihn abstrafen. So wie Obama sein Fett wegbekam, weil er es in acht Jahren Präsidentschaft nicht schaffte, das Foltergefängnis Guantanamo zu schliessen.
Gentinettas weisen Worten zum Trotz: Das Schlusswort gehört dem CVP-Politiker Pirmin Bischof. Der Ständerat war des Öfteren unfreiwillig in der Schusslinie. Aber er hatte eine simple und überzeugende Antwort darauf, weshalb die Schweiz nie Trump-Land werden kann: «Politik in der Schweiz ist nüchtern und langweilig.» Das ist vielleicht nicht sexy. Dafür hat man keinen unangenehm betrunkenen Gast auf seiner Party.
Man wählt Minarette und kriegt Steuersenkungen (USR III)
Liebe Linken,
ihr wisst wie die SVP tickt. Sie bauscht ein unbedeutendes Thema (Minarette) hoch, gewinnt Wähler und setzt dann im Parlament Steuersenkungen für das Grosskapital durch, das dann wiederum ihre Wähler zu bezahlen haben.
Und wieso, liebe Linken, kriegt ihr es nicht auf die Reihe auf diesem wunden Punkt der SVP herumzustochern ? Cüpliglas wegstellen und spricht endlich so, wie es die beiden Zuschauer in der Arena angetönt haben. Hopp, hopp..
Polit-Jargon, abgegriffene Parolen: Weiter weg von potentiellen SP-Wählern kann man gar nicht sein. Dazu ein peinliches Gezänk mit Glarner, als ginge es um Abstimmungsvorlagen.
Fazit: Wer nichts Erhellendes zum Thema Trump zu sagen hat, bleibt besser zu Hause.