Die Vorbereitung auf die «Arena» verspricht viel: Es könne heiss werden im Studio, sagt die Aufnahmeleiterin wenige Minuten vor Aufzeichnungs-Beginn, man solle sich doch noch ausziehen, wenn einem schon jetzt warm sei. «Und wenn es jemandem schlecht werden sollte, also sagen wir, wenn sich jemand übergeben muss, bitte nicht in die Kamera.» Lachend fügt Moderator Projer an, jeder solle sich noch vergewissern, ob der Hosenladen zu sei.
Doch schlecht wird es während der stündigen Polit-Debatte niemandem, und so sehr die Gäste auch voneinander fordern, die Hosen runterzulassen – angezogen bleiben sie alle: FDP-Ständerat Philipp Müller, «Architekt des neuen Gesetzes», und Rechtsprofessor Thomas Geiser, Mitinitiant der Rasa-Initiative («Raus aus der Sackgasse») bleiben dossiersicher souverän, Nenad Stojanovic macht unbehelligt Werbung für sein MEI-Referendum und SVP-Nationalrat Lukas Reimann lässt sich, obwohl in die Enge getrieben, nicht beirren.
Eigentlich will Projer mit diesen Gästen ja nun, nachdem die Frist für die Umsetzung der MEI abgelaufen ist, «den Ausblick wagen». Doch dafür muss sich der Zuschauer in Geduld üben, während gut eines Drittels ist die Sendung eine Wiederholung: Eine Schlaumeierei sei das gewesen, dass die SVP behauptet habe, die Bilateralen seien bei einer Annahme der MEI neu verhandelbar, sagen Müller und Geiser. «Die Politiker machen was sie wollen in Bern!» entgegnet Reimann (offenbar ohne sich dazuzuzählen), der Volkswille werde mit Füssen getreten.
Volkswille, das ist Projers Stichwort – der Moderator zückt den Publikumsjoker gegen Reimann: Rentner Walter Leutwiler wirft ein, das Gesetz sei doch gut, die Regierung müsse sich ja auch um die Minderheit kümmern, und das seien bei der MEI-Frage immerhin 49,7 Prozent der Stimmberechtigten.
Reimann lässt sich davon nicht beirren und wagt als erster Gast den Ausblick: Wenn die Zuwanderung so weitergehe, sagt der Auns-Präsident, werde noch etwas viel Schlimmeres durchkommen, als die Ecopop-Initiative. Projer verwandelt Reimanns Einwurf mit einer Grafik zum Eigentor.
Warum denn, will Projer wissen, habe die SVP nicht Referendum ergriffen? Stojanovic wedelt Unterschriften-Bogen, Projer stichelt, das Argument des Referendum-Komitees, einen Verfassungsbruch anzuprangern, müsste doch sein Argument sein. Doch der Auns-Präsident lässt sich nicht in die Enge treiben: Er hege Sympathien für das Referendum, unterschreibe es aber nicht – mit einer Initiative könne man mehr erreichen.
Das ist denn auch die drängende Frage: Wird die Auns tatsächlich eine Initiative zur Kündigung der Personenfreizügigkeit lancieren? Reimann gerät ins Schwurbeln: Es komme eine Initiative ja, man wolle die Einwanderung kontrollieren, Schengen-Dublin kündigen und neue bilaterale Verhandlungen. Die bilateralen Verträge brauche es, aber ja, die Kündigung der Personenfreizügigkeit werde ein Bestandteil der Initiative sein.
Damit halst sich der SVP-Nationalrat endgültig den Ärger seiner Gegner auf: Stojanovic hält das Ganze für ein Ablenkungsmanöver; so könne die Auns ihre Basis davon abhalten, das Referendum zu unterschreiben. Müller wettert, das habe man mit der MEI schon mal erlebt, auch das sei wieder eine Schlaumeierei.
«Wenn ihr das Freizügigkeitsabkommen kündigen wollt, müsst ihr ehrlicherweise sagen, dass das gegen die Bilateralen geht», fordert der FDP-Ständerat. Geiser bohrt eindringlich nach («Seid ihr so ehrlich? Setzt ihr eine Frist?») und Projer sagt, wenn Reimann die Personenfreizügigkeit nicht wolle, aber die Bilateralen schon, gebe es ein kleines Problem: die Fakten.
Was folgt, ist eine kleine Lehrstunde in Europapolitik für Reimann. Wenn man die Bilateralen neu verhandeln wolle, müsse man sie zuerst kündigen, sagt Müller, alles andere sei, noch einmal, «Schlaumeierei!». Zum Walzertanzen brauche es zwei, die Schweiz könne nicht Walzer tanzen wollen mit der EU, wenn diese eine völlig andere Musik höre.
Reimann aber interessiert sich weder für Projers Fakten noch für Müllers Walzer, lieber langt er in den SVP-Motto-Topf («Unsere EU-hörigen Leute in Bern!») und bemüht einen England-Vergleich («Die werden am Binnenmarkt partizipieren können.»). Auch um Forschungsabkommen müsse man sich nicht sorgen, man könne ja Kooperationen mit Oxford aufgleisen, denn England gelte als Top-Forschungsland und sei auch nicht in der EU.
Projer belehrt Reimann («die sind noch in der EU») und zieht zum letzten Mal den Publikumsjoker gegen den Unbeirrbaren. Das Wort erhält Maschinenbauingenieur Stephan Brändlin: Es sei brandgefährlich, die Bilateralen zu riskieren, ein KMU wie das seinige würde die Bürokratie, die dann nötig wäre, nicht stemmen können. Geiser greift dem Gast, obwohl der es nicht nötig hat, gerne unter die Arme:
Die EU sei schliesslich unser Nachbar, resümiert Geiser. Und die Schweiz habe grosses Interesse an einer guten Beziehung. Das nimmt Projer als Schlusswort für die Debatte, um noch Zeit zu haben für eine klassische Projer-Abschlussfrage. Dieses Mal: Wer würde mit wem auf den Bügellift wollen?
Geiser wählt Stojanovic, das sei ein Interessanter, und bei Herr Müller käme er sicher gar nicht zum Reden, Müller wiederum will mit Reimann, weil er den Disput liebe, Stojanovic will ebenfalls mit dem Geschassten Lift fahren, um ihn zu überzeugen, das Referendum zu unterschreiben und Reimann wiederum wählt trotz allem Projer, der ihn zwar fragt, wohin (Arosa), aber nicht, warum.
Auch das bleibt eine ungeklärte Frage der Sendung «Aktenzeichen EU ungelöst».