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Änderungen am Visa Waiver Programm: Auswirkungen auf die Schweiz

Obama gräbt Bushs «Achse des Bösen» aus – und diesmal trifft es auch die Schweizer

Als Reaktion auf die Terroranschläge in Paris haben die USA die Einreisebestimmungen verschärft. Zehntausende unbescholtene Schweizer Bürger können künftig nicht mehr visumsfrei nach Amerika reisen.
24.12.2015, 13:5025.12.2015, 21:57
Kian Ramezani
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Reisen in die USA sind für Schweizer denkbar unkompliziert. Sie brauchen einen mindestens sechs Monate gültigen elektronischen Pass, füllen das sogenannte ESTA-Formular online aus und drücken eine Gebühr von 14 Dollar ab. Fertig. Ebenfalls visumsfrei reisen die Bürger aus weiteren 37 Ländern im illustren Visa-Waiver-Club. Für manche Schweizer wird es bald noch bequemer: Sie können sich für das Global Entry Program bewerben. Bei Aufnahme gehen sie an den Schlangen bei der Einreise vorbei und halten ihren Pass in eine Maschine.

Länder, deren Bürger visumsfrei in die USA reisen.
Länder, deren Bürger visumsfrei in die USA reisen.
bild. homeland.house.gov

Für andere Schweizer hingegen ist in absehbarer Zeit fertig mit den Privilegien: Der US-Kongress hat nach den Terroranschlägen in Paris Änderungen am Visa-Waiver-Program beschlossen. Mit Präsident Obamas Unterschrift trat der sogenannte «Visa Waiver Program Improvement and Terrorist Travel Prevention Act» oder H.R. 158 am Freitag in Kraft. Das neue Gesetz soll verhindern, dass Terroristen mit einem Pass aus besagten 38 Ländern visumsfrei in die USA einreisen. Bereits heute ist klar: Unter der Verschärfung werden ausschliesslich Nicht-Terroristen leiden.

Wer seit 1. März 2011 in ein «gefährliches» Land gereist ist oder Doppelbürger eines solchen Landes ist, muss künftig für die USA ein Visum beantragen, roter Pass hin oder her. Die Liste umfasst derzeit Syrien, Irak, Sudan und Iran, kann aber jederzeit um andere Länder erweitert werden, die nach Auffassung der US-Regierung einen «sicheren Hafen für Terroristen» darstellen. Ausgenommen ist einzig, wer sich im Auftrag der eigenen Regierung in jenen Ländern aufgehalten hat. 

Die Anzahl Schweizer Bürger, die auch einen syrischen, irakischen oder sudanesischen Pass besitzen oder in den vergangenen fünf Jahren in eines dieser Länder gereist sind, dürfte überschaubar sein. In diese Kategorie fällt etwa Kriegsreporter Kurt Pelda, der aus dem syrischen Aleppo berichtete.

Anders sieht es mit dem Iran aus: Das Land erfreut sich wachsender Beliebtheit als Tourismus-Destination. Jedes Jahr beantragen ein paar Tausend Schweizer ein Visum, seit 2011 dürften also mindestens 20'000 das Land bereist haben. Hinzu kommen zahlreiche Journalisten wie dieser watson-Blogger oder dieser SRF-Journalist sowie einige tausend schweizerisch-iranische Doppelbürger. Insgesamt dürften weit über 30'000 Schweizer betroffen sein.

Spontan-Reisen kaum noch möglich

Konkret heisst das: Reisen in die USA sind für diese Personen kurzfristig kaum mehr möglich sowie mit erheblichem Aufwand verbunden. Ein US-Visum kostet 160 Franken und bedingt ein persönliches Vorsprechen in der Botschaft in Bern. Vom Antrag bis zur Erteilung des Visums dürften Tage wenn nicht Wochen vergehen.

Doppelbürger müssen bereits heute auf dem ESTA-Formular angeben, welche anderen Staatsangehörigkeiten sie besitzen. Wer die vier besagten Länder angibt, braucht ein Visum. Was vorherige Reisen in «Problemländer» anbelangt, so wird das Formular derzeit angepasst, wie die US-Botschaft in Bern auf Anfrage erklärt.

«Die US-Regierung ist daran, die angekündigten Änderungen am ESTA-Formular umzusetzen, das heisst konkret eine zusätzliche Frage betreffend vorausgegangenen Reisen. Bewerbern, die mit Schwierigkeiten bei der Einreise in die USA rechnen, wird empfohlen, ein Visum zu beantragen.»
US-Botschaft in Bern

Wer erwägt, bei der Ausfüllung des ESTA-Formulars Reisen in «Problemländer» oder eine entsprechende zweite Staatsangehörigkeit zu verschweigen, sollte sich das gut überlegen. Dass die US-Behörden Möglichkeiten haben, diese Informationen in Erfahrung zu bringen, kann seit Bekanntwerden des Ausmasses der NSA-Bespitzelung nicht ausgeschlossen werden. Wer erwischt wird, dürfte zudem für einige Jahre überhaupt nicht mehr in die USA reisen.

Bern will sich (noch) nicht äussern

23 der betroffenen Länder aus dem Visa-Waiver-Proramm stammen aus der EU. Deren Botschafter in den USA, David O'Sullivan, sowie die Botschafter aller 32 EU-Mitgliedsstaaten sparen in einem Gastbeitrag in der einflussreichen Zeitung The Hill nicht mit Kritik. Die Massnahmen würden nur jene treffen, die legal nach Syrien oder in den Irak gereist sind, also Geschäftsleute, Journalisten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen. Dschihadisten hingegen, die illegal und heimlich reisten, blieben unentdeckt. Gleichzeitig droht O'Sullivan mit Retorsionsmassnahmen: Da die Visumsbefreiuung auf Gegenseitigkeit beruht, wäre die EU rechtlich gezwungen, auch Reisen von US-Bürgern nach Europa einzuschränken.

Die Frage der Gegenseitigkeit beurteilt das Aussendepartement EDA anders: «Das Visa-Waiver Programm beruht formell nicht auf Reziprozität», erklärt Sprecherin Carole Wälti. Sowohl die USA wie auch die Mitglieder des Schengen-Raums würden unilateral entscheiden, welche Nationalitäten für ihr jeweiliges Gebiet visumpflichtig sind. Als Schengen-Mitglied definiere die Schweiz mit ihren Partnern die Bedingungen für den Erhalt eines Visums. Was die Auswirkungen der neuen Bestimmungen für Schweizer Staatsbürger betreffen, so äussert sich das EDA zurückhaltend:

«Das EDA hat im Verlauf des Dezembers verschiedentlich die Frage nach der Weiterentwicklung des Visa-Waiver-Programms über die üblichen diplomatischen Kanäle behandelt. Die Schweiz bevorzugt den direkten Dialog mit den amerikanischen Behörden und sieht derzeit keine öffentlichen Stellungnahmen vor. Die amerikanischen Behörden betonen, ihr Ziel sei, die Weiterführung des Visa-Waiver-Programms mit einer verstärkten Zusammenarbeit unter den teilnehmenden Ländern sicherzustellen. Das EDA verfolgt die Angelegenheit genau.»
Carole Wälti, Sprecherin EDA

Auswirkungen auf das Atomabkommen

Auch der Iran ist alles andere als erfreut über die Entwicklung. Artikel 29 des im Juli abgeschlossenen Atomabkommens verpflichtet alle Vertragsparteien, auf Massnahmen zu verzichten, welche der Normalisierung der gegenseitigen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen schaden könnten. Die Bestrafung europäischer Geschäftsleute, die den den Iran besuchen (wie dies zum Beispiel der Schweizer Botschafter im Iran kürzlich vor Wirtschaftsvertretern in Zürich angeregt hat) und deswegen später nicht mehr visumsfrei in die USA reisen können, verletzt laut der iranischen Regierung diesen Grundsatz. US-Aussenminister John Kerry erklärte am Wochenende in einem Brief an seinen iranischen Amtskollegen Dschawad Sarif, dass die US-Regierung genügend Spielraum in der Anwendung der neuen Bestimmungen habe, um solche Konflikte zu vermeiden. 

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28 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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yukunda
24.12.2015 14:15registriert Februar 2014
Dann reise ich doch lieber mehrmals in den Iran und geniesse die Kulturgüter dort!
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pedrinho
24.12.2015 14:53registriert September 2015
Reziprozität !

Mit groesster wahrscheinlichkeit ist die CH und auch der ueberwiegende teil des schengenraumes allemal sicherer als die USA. Keine schiesswuetigen polizisten, eine nahezu slumfreie zone, Freundliche bewohner welche sogar der englischen sprache maechtig sind. Dagegen wer weiss denn schon welcher us-buerger der CIA, NSA oder einer anderen dreibuchstaben organisation angehoert, welche weder geltendes recht beachten und nebenher wirtschaftsspionage betreiben.

Wollen also "unsere freunde" all die annehmlichkeiten geniessen, sollen sie sich auch pruefen lassen und ein visa kaufen.
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Noach
24.12.2015 14:42registriert Juli 2015
Wie wärs Visa für Amis,all die Schwarzenhasser,Schiesswütigen etz,bitte auch Visapflicht für die weissen Mützenträger!!
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