Schweiz
Bundesrat

Wahlkampf 2019: Ueli Maurer greift in Luzernern Ständeratswahlkampf ein

Ueli Maurer mischt sich in den Ständeratswahlkampf ein – mit Empfehlung für Parteikollegen

Der Bundesrat soll sich im Wahlkampf gebührend zurückhalten, besagen die Regeln. Bundespräsident Ueli Maurer setzt sich darüber hinweg.
28.08.2019, 09:1628.08.2019, 09:18
Kari Kälin / CH Media
Mehr «Schweiz»

Das Wahlkampfvideo:

Trotz den Regeln, die besagen, dass sich ein Bundesrat bei Wahlkämpfen zurückhalten soll, macht Ueli Maurer ein Werbevideo für seinen Parteikollegen Franz Grüter. Darin macht er einen Appell an die Stimmbürger.Video: YouTube/Franz Grueter

Als Kulisse dient die Wandelhalle. Vor die Kamera tritt Ueli Maurer. In einem rund 30 Sekunden langen Beitrag rühmt der Bundespräsident einen Parteikollegen in den höchsten Tönen: den SVP-Nationalrat Franz Grüter, der im Oktober einen Sitz im Ständerat erobern will. Grüter, sagt Maurer, mache in Bern einen hervorragenden Job. Dann folgt der Appell an die Stimmbürger. «Ich empfehle Ihnen Franz Grüter zur Wahl und danke für die Unterstützung.»

Vor kurzem hat Grüter die bundespräsidiale Lobeshymne auf Youtube, Twitter und Facebook hochgeladen. Die Resonanz auf die Offensive in den sozialen Medien ist beachtlich. Der Clip wurde bis Dienstagmorgen rund 12 000-mal angeklickt.

Der Bundesratsknigge mahnt zu Zurückhaltung

Bloss: In der helvetischen Politkultur gilt es als verpönt, wenn sich Bundesräte zu sehr in den Dienst ihrer Parteien stellen. Und wer so offensiv die Werbetrommel für einen Parteifreund rührt wie Maurer, verletzt sodann die Aide-Mémoire des Bundesrats, eine Art Knigge für die Mitglieder der Landesregierung.

Dort heisst es: «Im Vorfeld von eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen üben die Mitglieder des Bundesrates im Zusammenhang mit parteipolitischen Aktivitäten (Auftritte und Werbung) eine gebührende Zurückhaltung aus.» Die Empfehlung für Grüter ist das Gegenteil von zurückhaltend – und erhält umso mehr Gewicht, als Maurer in diesem Jahr als Bundespräsident amtet.

Weshalb setzt sich der Finanzminister über die Aide-Mémoire hinweg? Sein Departement nimmt zu dieser Frage keine Stellung. Franz Grüter muss das nicht kümmern. Maurer habe in der Sommersession spontan zugesagt, ihn zu unterstützen. «Es ist ähnlich wie bei einer Bewerbung in der Privatwirtschaft: für meine Ständeratskandidatur gebe ich Ueli Maurer als Referenz an», sagt IT-Unternehmer Grüter.

Maurer legte sich schon vor vier Jahren ins Zeug für den Luzerner Politiker. Das damalige Kurzvideo segelte aber unter dem Radar der Medien hindurch. Maurer ist nicht der einzige Bundesrat, der einen Ständeratswahlkampf mit einer direkten Wahlaufforderung aufmischt.

Franz Grueter, SVP-LU, rechts, spricht vor der Nationalratspraesidentin Marina Carobbio Guscetti, SP-TI, an der Sondersession des Nationalrats, am Dienstag, 7. Mai 2019 im Nationalrat in Bern. (KEYSTO ...
Für Ueli Maurer der richtige Mann für den Ständerat: SVP-Nationalrat Franz Grüter.Bild: KEYSTONE

Als im Kanton Bern im Frühjahr 2011 die Ersatzwahl für die in den Bundesrat gewählte Simonetta Sommaruga anstand, lächelte ebendiese Sommaruga von einem Flyer für die SP-Kandidatin Ursula Wyss an und pries sie als führungsstarke Politikerin mit grosser Dossierkenntnis. Prompt reagierte die FDP-Anwärterin Christa Markwalder – und spannte Bundesrat Johann Schneider-Ammann für ihre Kandidatur ein.

Das passte nicht allen. Gegenüber der Zeitung «Der Bund» sagte der damalige Berner SVP-Präsident Rudolf Joder, derart aktiv in einen Wahlkampf einzugreifen wie Sommaruga oder Schneider-Ammann, sei unverträglich mit der Rolle eines Bundesrats. Genützt hat der magistrale Einsatz nichts. Die Berner schickten anstelle von Sommaruga SVP-Vertreter Adrian Amstutz in den Ständerat.

Auch andere legen den Kodex grosszügig aus

Andere Bundesräte befeuern den Wahlkampf zwar nicht derart offensiv wie Maurer. Doch auch sie legen den Kodex zum Verhalten vor eidgenössischen Wahlen durchaus grosszügig aus. Am Montag referierte Simonetta Sommaruga in St. Gallen über den Klimawandel – an einem Wahlkampfanlass von SP-Ständeratskandidat Paul Rechsteiner.

Am 24. September findet in Schöftland eine Veranstaltung statt, an der FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter und der Aargauer Parteikollege und Ständeratskandidat Thierry Burkart auftreten. Schon am Samstag läuten die Freisinnigen in Aarau mit zahlreichen Kanidaten die heisse Phase des Wahlkampfs ein – in Anwesenheit ihrer Magistraten Ignazio Cassis und Karin Keller-Sutter.

CVP-Bundesrätin Viola Amherd wird vor den Wahlen zwar an keinen Parteianlässen mehr auftreten. Doch in diesen Tagen flatterte im Kanton Luzern eine CVP-Wahlzeitung in die Haushalte, in der Amherd ein Kurzinterview gab. Wenn sie das christdemokratische Kandidatenfeld anschaue, dann sei sie überzeugt, dass die CVP mit diesen «engagierten Frauen und Männer ein gutes Resultat erzielen kann».

Kurzum: Alle Bundesratsparteien scheinen nichts dagegen zu haben, wenn die Bundesräte ihre Kandidaten mehr oder weniger subtil unterstützen. Entsprechend zurückhaltend kommentieren sie Maurers Support für Franz Grüter. «Wir hätten vom Bundespräsidenten mehr Fingerspitzengefühl erwartet», sagt SP-Sprecher Nicolas Haesler. Aber Bundesräte seien politische Menschen mit einer politischen Meinung, und es sei in Ordnung, diese zu äussern.

Eine spitze Bemerkung lassen sich die Genossen doch noch entlocken. Maurer irre, sagt Haesler: «Der beste Ständerat für den Kanton Luzern ist David Roth, weil er im Gegensatz zu den Rechten die ganze Bevölkerung vertritt und nicht nur die Reichen und Mächtigen.» FDP-Präsidentin Petra Gössi betont, die Aide-Mémoire sei eine Selbstregulierung des Bundesrates.

«Er muss entsprechend auch selbst darüber diskutieren und sich einig werden, wo die Grenzen liegen.» Auch die CVP mag sich nicht über Maurer ereifern. Sprecher Michaël Girod sagt lediglich: «Unsere Bundesrätin hält sich an die Aide-Mémoire.»

Grüter hat in Luzern starke Konkurrenz

Mark Balsiger, Autor von mehreren Wahlkampfbüchern, geht derweil davon aus, dass Ueli Maurer die Verletzung der Aide-Mémoire bewusst in Kauf genommen hat. Der Politologe wittert Kalkül im Regelbruch des Bundespräsidenten. «Das generiert Aufmerksamkeit – und Sanktionen wird es keine geben», sagt er.

Das ändert nichts an der Tatsache, dass sich die Ausgangslage im Kanton Luzern für Grüter schwierig präsentiert. Die FDP tritt mit dem bisherigen Ständerat Damian Müller an, die CVP mit Nationalrätin Andrea Gmür. Die beiden Mitteparteien unterstützen einander. Gmür nimmt Maurers Einsatz für Grüter gelassen: «Die SVP muss sehr verzweifelt sein, wenn der Bundespräsident vergisst, welche Rolle er eigentlich innehat – und wieder zum Parteipräsidenten mutiert.»

Bundesräte als Wahllokomotiven
Sie legen das Parteihemd beim Eintritt ins Bundesratszimmer zwar nicht ab. Von den Magistraten wird hierzulande aber erwartet, dass sie nicht in die Niederungen der Parteipolitik hinabsteigen – schliesslich sollen sie als Kollegium die Interessen aller Bürger vertreten. Die Parteien haben in jüngerer Vergangenheit ihre Bundesräte dennoch mehrfach vor den Wahlkampfkarren gespannt, wie die drei folgenden Beispiele zeigen:

«Blocher stärken! SVP wählen!»
Bekanntestes Beispiel ist der Slogan auf dem SVP-Plakat 2007. Die Partei verzeichnete damit zwar einen Wählerzuwachs. Doch das reichte nicht aus, um später die Abwahl Blochers durch das Parlament zu verhindern.

«Wer tiefere Preise will, stärkt Doris Leuthard und wählt CVP»
Im gleichen Jahr versuchte die CVP, mit ihrer populären Bundesrätin auf einer Postkarte zu punkten. Der Slogan war eine Anspielung aufs sogenannte Cassis-de-Dijon-Prinzip. Die CVP legte zu – aber nur um 0,1 Prozent.

«Die Politik prägt uns. Prägen wir die Politik»
SP-Bundesrat Moritz Leuenberger nannte seinen Plakate-Slogan 1999 ein Engagement für die Wahlbeteiligung. An einer starken SP im Parlament, so räumte er ein, sei er interessiert. (kä)
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Ueli Maurer - Landwirt und Erfinder
1 / 9
Ueli Maurer - Landwirt und Erfinder
Ueli Maurer ist Kartoffelbauer in Zürich-Wallisellen und gilt als der Erfinder des Pommes-Frites-Automaten. - Bild: Stephan Hille
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Ueli Maurer diskutiert mit Magdalena Martullo-Blocher
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
28 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
amore
28.08.2019 09:32registriert Februar 2014
Typisch für diese Partei: wenn es andere trifft, wird gemotzt. Selber? Ja in diesem Fall ist doch alles in Ordnung.
9114
Melden
Zum Kommentar
avatar
Töfflifahrer
28.08.2019 09:43registriert August 2015
Oha, hatte der Ueli mal wieder Lust!
Na ja, ich habe von dem Kä Luscht Ueli nichts anderes erwartet. Würden aber andere Parteien das selbe tun, wäre die SVP zuvorderst mit dem Empört sein.
798
Melden
Zum Kommentar
avatar
RicoH
28.08.2019 09:48registriert Mai 2019
Ja ja, Franz Grütter, wieder so ein "armer" Unternehmer, der in der Politik seine Interessen vertreten will. Davon haben wir in der Politik schon genug.

Er muss schon sehr unsicher sein, dass er die Unterstützung vom Ueli braucht und dieses Video noch vor seinem eigenen auf der Website platziert. Da schätzt er wohl die Meinung vom Ueli höher ein, als seine eigene...
787
Melden
Zum Kommentar
28
ETH Zürich sieht Top-Position wegen fehlender Mittel gefährdet

Die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich sieht ihre Top-Platzierungen in den Hochschulrankings gefährdet. Das Budget werde in den kommenden Jahren nicht mit den weiterhin steigenden Studierendenzahlen Schritt halten können. Deshalb müssten einschneidende Massnahmen geprüft werden.

Zur Story