Schweiz
Wahlen 2019

Klimawandel: Das Wahlkampfthema Nr.1 sorgt im Nationalrat für rote Köpfe

FDP Praesidentin Petra Goessi, FDP-SZ, links, diskutiert mit Marcel Dettling, SVP-SZ, Mitte, und Peter Keller, SVP-NW, an der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 9. September 2019 im  ...
FDP-Präsidentin Petra Gössi diskutiert mit Marcel Dettling, SVP-SZ (Mitte), und Peter Keller, SVP-NW, am ersten Tag der Herbstsession.Bild: KEYSTONE

«Krankhafte Klimareligion» – das Wahlkampfthema Nr. 1 erhitzt im Nationalrat die Gemüter

Fertig Sommerferien! In Bern hat heute die Herbstsession begonnen. Das Wahlkampfthema «Klima» sorgte für Aufregung.
09.09.2019, 18:43
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Was ist passiert?

Auf Erdgas, Flüssiggas und biogenen Treibstoffen sollen weiterhin Steuererleichterungen gewährt werden. Der Nationalrat hat sich am Montag dafür ausgesprochen, die geltenden Regeln zu verlängern – und eine Grundsatzdebatte zum Klimaschutz geführt.

Umstritten war, ob sich der Rat auf das Schliessen einer drohenden Gesetzeslücke bei den Treibstoffen beschränken oder darüber hinaus Massnahmen zum Klimaschutz beschliessen sollte.

Eigentlich standen Steuererleichterungen für umweltschonende Treibstoffe zur Debatte, die seit Juli 2008 gewährt werden. Die Förderung läuft Ende Juni 2020 aus. Zwar soll sie in anderer Form weitergeführt werden. Das totalrevidierte CO2-Gesetz – über das gegen Ende der Session der Ständerat beraten wird – tritt aber voraussichtlich nicht rechtzeitig in Kraft.

Nur ein Überbrückungsgesetz

Die Steuererleichterungen sollen deshalb bis zum Inkrafttreten des revidierten Gesetzes verlängert werden, längstens bis Ende Dezember 2021. Zudem soll die bisherige steuerliche Ungleichbehandlung von verflüssigten und gasförmigen Gasen behoben werden.

Alternative Treibstoffe seien aus zwei Gründen wichtig, stellte Kommissionssprecher Peter Schilliger (FDP/LU) fest. Zum einen leisteten sie einen Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen, da sie weniger CO2 freisetzten als Benzin und Diesel. Zum anderen funktionierten alternative Treibstoffe als Ausgleichsmassnahme für Erdölimporteure, welche Importe kompensieren müssten.

Die Kommissionssprecher der Debatte um Steuererleicherungen fuer gewisse Treibstoffe, Peter Schilliger, FDP-LU, links, und Pierre-Andre Page, SVP-FR, diskutieren mit Christian Wasserfallen, FDP-BE, an ...
Die Kommissionssprecher der Debatte um Steuererleicherungen für gewisse Treibstoffe, Peter Schilliger (FDP-LU, links) und Pierre-Andre Page (SVP-FR) diskutieren mit Christian Wasserfallen (FDP-BE).Bild: KEYSTONE

Taten statt Worte

Die Verlängerung war im Grunde nicht umstritten. Umstritten waren aber die Anträge der Kommissionsminderheiten von linker Seite und aus der Mitte, im Sinne des Klimaabkommens von Paris und mit Blick auf die anstehende Totalrevision des CO2-Gesetzes auch andere Instrumente zu verlängern beziehungsweise zu verstärken. Das sei nur konsequent, befanden die Befürworterinnen und Befürworter. Hier biete sich die Gelegenheit, vorwärts zu machen.

Die SVP und die FDP sahen das anders.

Es gehe um die Schliessung einer Gesetzeslücke, alles andere sei im Rahmen der CO2-Gesetzes zu diskutieren befanden sie. Die Anträge seien nicht redlich, kritisierte Christian Wasserfallen (FDP/BE). Von linker Seite wurde der FDP daraufhin vorgeworfen, den grünen Worten keine Taten folgen zu lassen. Offenbar sei für die FDP nie der richtige Zeitpunkt, stellte Roger Nordmann (SP/VD) fest. Angesichts des Klimawandels eile es aber.

Alles nur Show?

Die SVP stellte sich wegen der Minderheitsanträge gegen die gesamte Vorlage. Sie beantragte dem Rat, gar nicht erst darauf einzutreten. Die Anträge von linker Seite dienten bloss der Show, kritisierte Christian Imark (SVP/SO). Bastien Girod (Grüne/ZH) erwiderte, der Show diene viel mehr der Nichteintretensantrag.

Bastien Girod, GP-ZH, unten rechts, verfolgt aufmersam die Gesamtabstimmung zur Debatte um Steuererleicherungen fuer gewisse Treibstoffe an der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 9.  ...
Bild: KEYSTONE

Stefan Müller Altermatt (CVP/SO) zeigte sich verwundert, dass sich die SVP gegen die Fortführung von Steuererleichterungen stelle. Das sei wirtschaftsfeindlich. Hier biete sich ausserdem die Gelegenheit, Pflöcke einzuschlagen und ein «Klimagesetz light» zu beschliessen – «egal, was nachher mit dem CO2-Gesetz geschieht».

«Krankhafte Klimareligion»

Mehrere Redner fragen Imark, ob er den menschengemachten Klimawandel anerkenne oder nicht. Er antwortete darauf nicht direkt, sondern stellte fest, der Schweizer CO2-Ausstoss mache einen äusserst geringen Teil des weltweiten Ausstosses aus. Es handle sich um dreizehn Tausendstel. Das «Theater», das veranstaltet werde, stehe in keinem Verhältnis dazu.

«Wenn Sie die ETH als Kirche bezeichnen, ist das Ihr Problem.»
Bastien Girod

Walter Wobmann (SVP/SO) sprach von einer «krankhaften Klimareligion». Girod erwiderte, es gehe um Wissenschaft, nicht Religion. «Wenn Sie die ETH als Kirche bezeichnen, ist das Ihr Problem.» Jedes Land müsse seinen Beitrag leisten.

«Die Zeit drängt»

Umweltministerin Simonetta Sommaruga warnte ihrerseits vor möglichen unbeabsichtigten Folgen, sollte der Rat in diesem Rahmen Massnahmen vorwegnehmen: Es könnte als Vorwand dienen, die Totalrevision des CO2-Gesetzes zu verzögern.

Bundesraetin Simonetta Sommaruga, Mitte, eilt zu ihrem Platz zu Beginn der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 9. September 2019 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Val ...
Bundesrätin Simonetta Sommaruga eilt zu ihrem Platz zu Beginn der Herbstsession.Bild: KEYSTONE

Sie stellte aber gleichzeitig klar, dass die Zeit für Massnahmen dränge. Es handle sich um eine der grössten gesellschaftlichen Herausforderungen. Der Bundesrat hatte vor kurzem beschlossen, dass die Schweiz im Jahr 2050 unter dem Strich kein CO2 mehr ausstossen soll.

Keine raschere Senkung

Am Ende folgte der Rat der Mehrheit seiner Kommission und ging nicht weit über die Verlängerung der Steuererleichterungen hinaus. Er verankerte im Gesetz lediglich, dass die Treibhausgasemissionen im Inland im Jahr 2021 um weitere 1.5 Prozent gegenüber 1990 zu vermindern sind.

Ein Antrag, die Emissionen um jährlich 3 Prozent zu vermindern, scheiterte mit 99 zu 91 Stimmen bei 1 Enthaltung. Die Befürworterinnen und Befürworter argumentierten vergeblich, dies entspräche bloss den Vorgaben des Klimaabkommens von Paris. Abgelehnt hat der Rat auch strengere Vorgaben für die Neuwagenflotte.

In der Gesamtabstimmung hiess er die Vorlage, die seine Kommission ausgearbeitet hatte, mit 191 zu 0 Stimmen gut. Darüber muss noch der Ständerat befinden. (sda)

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Platz 1: Der ewige Spitzenreiter ist der Walliser SVP-Nationalrat Oskar Freysinger. Er fehlte an 955 von 3934 Abstimmungen (24.3 %).
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79 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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BesserLinksAlsRechts
09.09.2019 20:48registriert Juli 2016
Diese verdammten "Volksvertreter". Nur schon der Begriff ist bescheuert! Religion ist eben gerade nicht durch Fakten belegt, der Klimawandel schon.
"Mimimi Klimahysterie, mimimi grüne zerstören Wohlstand, mimimi das ist alles schon sektenhaft"

Informiert euch mal richtig ihr Halbschlauen.

Frei nach Trapattoni: Ich habe fertig.
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spaddeloni
09.09.2019 19:49registriert April 2015
Jetzt mal ganz ehrlich. Was verlieren wir wenn wir radikal auf die Bremse treten und alles verändern. D.h. Photovoltaikanlagen auf möglichst jedes Dach, möglichst konsequentes Recycling, Verbot von Verbrennermotoren etc. etc.
Was wäre daran für jeden einzelnen von uns schlechter ?
Im schlimmsten Fall ändern wir alles zum Besseren und haben was genau verloren ... ?
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Posersalami
09.09.2019 19:54registriert September 2016
"Jedes Land müsse seinen Beitrag leisten."

Damit ist alles gesagt. Wer jetzt das Argument ins Feld führt, das Ausland mache ja nichts, hier zwei gegenteilige Beispiele:

"Der Koxit steht kurz bevor"
https://www.zeit.de/zeit-wissen/2018/02/grossbritannien-kohleausstieg-energie-co2

"MAROKKOS ENERGIEWENDE"
https://akzente.giz.de/de/stimmen/marokkos-energiewende

Auch im Ausland muss investiert werden. Anstatt der Schweiz gehen jetzt halt Länder wie GB oder Marokko voran. Eigentlich nur noch peinlich für ein angeblich innovatives Land wie die Schweiz..
19832
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