Zum Abschluss gab es ein Durcheinander. In der Schlussabstimmung am Freitag hatte der Nationalrat eine Lockerung der Umweltauflagen für Wasserkraftwerke zuerst knapp abgelehnt. Worauf der Schwyzer SVP-Nationalrat Marcel Dettling einen Rückkommensantrag stellte mit der Begründung, Mitglieder mehrerer Fraktionen hätten sich beim Abstimmen geirrt.
Sein Antrag wurde gutgeheissen, und im zweiten Anlauf kippte das Ergebnis. Die Änderung des Wasserrechtsgesetzes wurde hauchdünn angenommen, mit Stichentscheid von Ratspräsidentin Isabelle Moret (FDP). Ihre Meinung geändert hatten vorwiegend «Neulinge» aus verschiedenen Parteien. Was auf eine gewisse Überforderung mit dem neuen Amt schliessen lässt.
Im Gespräch äusserten neu gewählte Parlamentarier einen enormen Respekt vor ihrer Aufgabe. Von einer «steilen Lernkurve» war die Rede. Wer bisher in einem Kantonsparlament sass, musste erkennen, dass in Bern alles mindestens eine Nummer grösser ist: Das dichte Programm vom frühen Morgen bis zum späten Abend, die vielen Einladungen zu Lobby-Anlässen ...
Es war unvermeidlich, dass sich in den ersten drei Wochen nicht alle sogleich zurechtfanden. Am Ende der ersten Session lässt sich bilanzieren: Die «grüne Revolution», von der gewisse Kommentatoren nach den Wahlen im Oktober in einem Anfall von irrationalem Überschwang träumten, fand nicht statt. Die Bürgerlichen geben in der Schweizer Politik weiter den Ton an.
Der Entscheid beim Wasserrechtsgesetz zeigt dies genauso wie der gescheiterte Angriff der Grünen auf einen Sitz im Bundesrat. Die sieben bisherigen Mitglieder wurden mehr oder weniger glanzvoll bestätigt. Sachpolitisch erhielten Linke und Grüne die Grenzen ihres Einflusses vor allem beim deutlichen Ja zum Kauf neuer Kampfjets aufgezeigt.
Die grüne Welle hat den Bürgerblock somit nicht zum Einsturz gebracht. Aber sie rüttelt an ihm, und in einzelnen Fällen gelang es, ihn vor allem im Nationalrat zu erschüttern. Das zeigen mehrere Entscheide in der Session, die weitgehend unter dem Radar der Öffentlichkeit durchgerutscht sind und bei denen eine Mitte-links-Allianz teilweise frühere Beschlüsse umdrehen konnte:
Natürlich gibt es Gegenbeispiele, etwa den gescheiterten Versuch einer Allianz verschiedener junger Neo-Parlamentarier, höhere Hürden für den Zugang zum Zivildienst zu verhindern. Dennoch sind die erwähnten Beispiele ein Indiz für frischen Wind zumindest im Nationalrat.
Im Ständerat sieht es anders aus. Er wurde zur Hälfte erneuert, aber an den Kräfteverhältnissen hat sich praktisch nichts geändert. Die möglichen Folgen zeichnen sich bereits ab. In der letzten Legislatur hatte die kleine Kammer wiederholt die politischen Akzente gesetzt, weil der Nationalrat blockiert war. Nun könnte der Ständerat wieder die alte Rolle als «Bremser» einnehmen.
Zwei Entscheide aus der Session deuten darauf hin: Die geplante Überbrückungsrente für ältere Arbeitslose wurde auf Initiative des Zürcher Freisinnigen Ruedi Noser zurückgestutzt. Und bei der Konzernverantwortungsinitiative entschied sich der Ständerat nicht für den griffigen Gegenvorschlag des Nationalrats, sondern für die zahnlose Variante des Bundesrats.
Nicht im Ständerat vertreten sind die Grünliberalen. Sie kamen von allen Parteien in dieser Session am stärksten unter die Räder. Die Kritik an ihrem Verhalten bei der Bundesratswahl wirkte teilweise absurd – als ob Grünen-Kandidatin Regula Rytz mit allen 16 GLP-Stimmen gewählt worden wäre. Der Shitstorm zeigt aber das Dilemma einer Partei, die zwischen den Blöcken oszilliert.
Dies ermöglicht ideologische Flexibilität. Die Kehrseite ist die Anfälligkeit für Angriffe von beiden Seiten. Vor der Session galt es als ausgemacht, dass die Mitte-Fraktion von CVP, EVP und BDP das Zünglein an der Waage bilden und entsprechend unter Druck kommen dürfte. Das bleibt im Prinzip der Fall, aber auf den schärfsten Gegenwind müssen sich die Grünliberalen einstellen.
Wer hat uns verraten?
Christdemokraten.
Und wer war dabei?
Die "grünliberale" Partei.