Kein Kanton stellt so viele Nationalräte wie der Kanton Zürich mit seinen 35 Sitzen. Bei den kantonalen Wahlen im März gab es eine regelrechte grüne Welle: Grüne und GLP gewannen zusammen 18 Sitze im Kantonsrat hinzu, der Grüne Martin Neukom zog auf Kosten der FDP in die Regierung ein. Ein bitterer Wahlsonntag war es für die SVP: Sie stürzte beim Wähleranteil um 5,56 Prozentpunkte ab und verlor 9 Sitze.
Auch bei den Nationalratswahlen dürfte der SVP ein rauer Wind entgegen wehen: Mindestens eines ihrer 12 Mandate könnte sie verlieren. Ein Comeback von alt Nationalrat Christoph Mörgeli (Listenplatz 15) scheint unrealistisch.
Gute Chancen auf mindestens einen Sitzgewinn haben die Grünen, wo die Bisherigen Balthasar Glättli und Bastien Girod hinter einem Frauenduo auf den Listenplätzen 3 und 4 für ihre Wiederwahl kämpfen. Auch die Grünliberalen, die bei den kantonalen Wahlen mit 12,9 Prozent Wähleranteil vor den Grünen landeten, hoffen auf ein zusätzliches Mandat. Ganz links im politischen Spektrum will die Alternative Liste (AL), einen Nationalratssitz erobern.
Offen ist, ob es der CVP gelingen wird, ihren zweiten Sitz zu verteidigen. Auch BDP-Fraktionschefin Rosmarie Quadranti droht die Abwahl: Bei den Kantonsratswahlen holte ihre Partei gerade mal 1,53 Prozent und flog aus dem Kantonsrat. Bei den Nationalratswahlen 2015 gaben noch 3,62 Prozent der Wählenden ihre Stimme der BDP.
Aufgrund ihres Abschneidens bei den Kantonsratswahlen werden bei der SP und der FDP keine grossen Sprünge nach oben oder nach unten erwartet.
Beide amtierenden Zürcher Ständeräte wollen im Herbst wiedergewählt werden. Doch Daniel Jositsch (SP) und Ruedi Noser (FDP) müssen sich einem prominent besetzten Feld von Herausforderern stellen. Die SVP schickt Nationalrat und «Weltwoche»-Chefredaktor Roger Köppel ins Rennen. Er dürfte zwar im eigenen Lager viele Stimmen mobilisieren, aber wegen mangelnder Unterstützung aus anderen Parteien keine realistische Wahlchance haben.
Je nach Ausgangslage im fast sicher zu erwartenden zweiten Wahlgang könnte aber Ruedi Noser (FDP) von der Grünliberalen Tiana Angelina Moser in Bedrängnis gebracht werden, die eine ähnliche Wählerschaft anspricht. Die Grüne Kantonalparteipräsidentin Marionna Schlatter hingegen kann sich wenig realistische Wahlchancen ausrechnen. Zürich stellt mit SP-Mann Daniel Jositsch bereits einen Ständerat aus dem linken Lager, der mit grosser Wahrscheinlichkeit bestätigt werden dürfte.
Wie Luzern verliert auch der Kanton Bern für die neue Legislaturperiode aufgrund der Bevölkerungsentwicklung einen Nationalratssitz. Mindestens eine Partei wird also sowieso mindestens einen Sitz einbüssen.
Gut möglich, dass es die SVP trifft. Bei den kantonalen Wahlen im März 2018 verlor sie 2,24 Prozentpunkte beim Wähleranteil und büsste drei Grossratsmandate ein. Ausserdem fehlt der Berner SVP mit dem zurücktretenden Adrian Amstutz ein populärer Name, der jeweils Panaschierstimmen einbrachte.
Gut in Form hingegen ist die Berner SP, die grosse Gewinnerin der kantonalen Wahlen. Sie dürfte ihre 6 Sitze zumindest halten. Bei den Grünen dürfen Parteipräsidentin Regula Rytz und Nationalrätin Aline Trede angesichts der schweizweit positiven Entwicklung ihrer Partei auf eine Wiederwahl hoffen. Der Gewinn eines dritten Mandates hingegen ist eine hohe Hürde, ebenso für die GLP und die FDP.
In einem ihrer Stammlande kämpft die BDP um die Verteidigung ihrer drei Berner Nationalratssitze. Hier den Besitzstand zu wahren, wäre wichtig, um die Fraktionsstärke im Nationalrat (5 Sitze) zu behalten. Zugpferd auf der BDP-Liste ist die populäre Finanzdirektorin Beatrice Simon, die auch für den Ständerat antritt.
Mit dem Rücktritt von BDP-Ständerat Werner Luginbühl wird das Rennen um die Berner Vertretung im Stöckli spannend. Die BDP will den Sitz mit Regierungsrätin Beatrice Simon verteidigen, die im März 2018 mit dem Spitzenergebnis als Finanzdirektorin wiedergewählt wurde. Ihre Chancen sind intakt. Die SVP greift mit Nationalrat Werner Salzmann an, die in Bern wenig wählerstarke FDP mit Christa Markwalder.
Doch auch der Bisherige Hans Stöckli (SP) hat seinen Sitz nicht im Trockenen. Die Grünen schicken mit Parteipräsidentin Regula Rytz eine prominente Kandidatin ins Rennen. Grüne und SP haben sich darauf verständigt, im zweiten Wahlgang nur mit jener Kandidatur anzutreten, die im ersten Wahlgang mehr Stimmen gemacht hat.
Die SVP Aargau befindet sich derzeit tief in der Krise: Zunächst sorgte Nationalrat Luzi Stamm mit einer rätselhaften Kokain-Episode im Bundeshaus für Kopfschütteln. Dann überwarf sich die Partei mit ihrer Regierungsrätin Franziska Roth, die zuerst ihren Parteiaustritt und dann ihren Rücktritt bekannt gab. Die Ersatzwahl für Roths Sitz findet zeitgleich mit den eidgenössischen Wahlen am 20. Oktober statt. Die SVP wird Mühe haben, diesen Sitz zu verteidigen.
Und auch bei den Nationalratswahlen muss sie schon fast sicher mit dem Verlust ihres 2015 mit viel Proporzglück eroberten siebten Sitzes rechnen. Mit Ulrich Giezendanner, Maximilian Reimann, Sylvie Flückiger-Bäni und Luzi Stamm treten gleich vier altgediente Nationalräte ab. Beobachter gehen davon aus, dass die Partei deutlich an Stimmen einbüssen wird, womit sogar ein zweiter Sitzverlust möglich ist.
Auf einen Zugewinn hofft die Aargauer SP, die sich in jüngerer Vergangenheit in kantonalen und kommunalen Wahlen formstark zeigte. Sie will ihren 2015 verlorenen dritten Sitz zurückholen. Für die Grünen müsste einiges zusammenpassen damit sie einen zweiten Sitz holen. Auf ein zusätzliches, viertes Nationalratsmandat hofft die FDP, wobei sie dafür deutlich zulegen müsste, holte sie doch 2015 ihren dritten Sitz nur mit viel Glück.
In der Mitte wird es ebenfalls spannend. Sowohl die GLP als auch die einst so stolze, unterdessen auf ein einziges Mandat geschrumpfte Aargauer CVP hoffen auf einen zweiten Sitz. Sie liebäugeln mit einer Listenverbindung. Die Allianz hat gute Chancen, einen zusätzlichen Sitz zu holen – die Frage ist, ob er der CVP oder der GLP zufallen würde. Bereits unterzeichnet ist die Listenverbindung zwischen EVP und BDP. Hier muss BDP-Nationalrat Bernhard Guhl aufpassen, dass er seinen Sitz nicht an den Allianzpartner verliert.
Hier kommt es im Kanton Aargau zu einer der schweizweit spannendsten Ausmarchungen. Mit dem gleichzeitigen Rücktritt von Pascale Bruderer (SP) und Philipp Müller (FDP) werden beide Ständeratssitze frei. Vier Kandidaturen können sich – unterschiedlich realistische – Wahlchancen ausrechnen. Gute Chancen hat FDP-Nationalrat Thierry Burkart. Wie bereits vor vier Jahren tritt die SVP mit Nationalrat Hansjörg Knecht an. Die Frage wird sein, wie sehr ihm die Unruhe in der eigenen Partei schadet.
Die CVP schickt mit Grossrätin Marianne Binder eine im Aargau sehr profilierte Politikerin ins Rennen. Die SP wiederum setzt nach der bis weit ins bürgerliche Lager populären Pascale Bruderer mit Nationalrat und Ex-Juso-Chef Cédric Wermuth auf einen pointiert linken Politiker.
Weil auch Grüne, GLP, EVP und BDP Kandidaten stellen, kommt es mit Sicherheit zu einem zweiten Wahlgang. Falls ein bürgerlicher Kandidat bereits beim ersten Anlauf die Wahl geschafft hat, könnte eine Dreierkonstellation in der zweiten Runde für viel Spannung sorgen – und möglicherweise für SP-Mann Cédric Wermuth ein kleines Fenster aufgehen.
Die Nationalratswahlen in Baselland stehen dieses Jahr im Schatten der Ständeratswahlen. Während bei zweiteren alles offen scheint, ist das Rennen um die Sitze in der grossen Kammer aufgrund mangelnder Rücktritte und effektiven Listenverbindungen deutlich weniger aufregend.
Die kantonalen Wahlen im Frühjahr endeten mit einer heftigen Klatsche für die SVP und einem Sieg für SP und Grüne. Trotzdem ist das realistischste Szenario in Baselland derzeit, dass alle sieben Nationalräte die Wiederwahl schaffen.
Am ehesten gefährdet ist der Sitz von CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter, die im Herbst 2018 erfolglos für den Bundesrat kandidiert hatte. Dank einer breiten Listenverbindung mit den anderen Mitteparteien BDP, EVP und GLP kann die Baselbieter CVP den Wahlen allerdings deutlich entspannter entgegen schauen. Sollte Schneider-Schneiter ihren Sitz dennoch verlieren, könnte am ehesten die FDP profitieren, die mit der SVP eine Allianz eingegangen ist.
Mit dem Rücktritt von Claude Janiak (SP) gibt es erstmals seit Janiaks Wahl im Jahr 2007 wieder eine wirklich kompetitive Wahl um den einzigen Ständeratssitz des Kantons. 2011 und 2015 war Janiaks Wiederwahl jeweils ungefährdet.
Auf bürgerlicher Seite geniesst FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger die Unterstützung der SVP. In der Mitte könnte EVP-Kandidatin Elisabeth Augsburger einige CVP-Stimmen sammeln. Auf der linken Seite treten mit SP-Nationalrat Eric Nussbaumer und seiner grünen Ratskollegin Maja Graf zwei profilierte Köpfe an.
Für einen fast sicher scheinenden zweiten Wahlgang dürfte sich Linksgrün auf eine Kandidatur verständigen. Hier hat die bis weit ins bürgerliche Lager populäre Biobäuerin Maja Graf wohl die besseren Aussichten.
Mit der Sozialdemokratin Bea Heim tritt die einzige Frau der Solothurner Nationalratsdelegation nach 16 Jahren im Amt nicht mehr an. Gut möglich, dass die Solothurnerinnen und Solothurner während den nächsten vier Jahren in Bundesbern ausschliesslich von Männern vertreten werden. Denn bei der SP kann sich Ex-Regierungsrat Peter Gomm die besten Chancen ausrechnen, die Nachfolge von Bea Heim anzutreten. Möglich ist aber auch, dass auf der anderen der beiden SP-Listen der amtierende Nationalrat Philipp Hadorn von Kantonalparteipräsidentin Franziska Roth verdrängt wird.
Bei den anderen Parteien zeichnen sich keine personellen Veränderungen ab. Und eine parteipolitische Veränderung ist angesichts der Parteistärken wenig realistisch. Eine kleine Chance können sich die Grünen erhoffen. Sie müssten aber deutlich zulegen – und würden dann am ehesten einen Sitz auf Kosten der Listenverbindungs-Partnerin SP erobern.
Die beiden Bisherigen Pirmin Bischof (CVP) und Roberto Zanetti (SP) treten wieder an – und haben gute Chancen, wiedergewählt zu werden. Allerdings wohl erst im zweiten Wahlgang, denn sie werden von bekannten Köpfen herausgefordert: FDP und SVP schicken die Präsidenten der Kantonalparteien ins Rennen, Stefan Nünlist respektive Nationalmark Christian Imark. Die Grünen haben Ex-Parteipräsident Felix Wettstein nominiert.
Von den fünf Basler Nationalratssitzen gehören zwei traditionell dem linken und zwei dem bürgerlichen Lager. Das fünfte Mandat ist ein sogenannter «Wackelsitz», der regelmässig zwischen den Lagern hin und her wechselt. Vor vier Jahren eroberte ihn die Grüne Sibel Arslan auf Kosten der CVP.
Die wiederantretenden Beat Jans (SP), Sebastian Frehner (SVP) und Christoph Eymann (Liberal-Demokratische Partei LDP) sollten die Wiederwahl schaffen. Nebst Jans' Sitz wird die Linke in Basel-Stadt auf jeden Fall ein zweites Mandat gewinnen, die Frage ist nur, ob es an die Grünen / BastA oder die SP geht.
Um den fünften Wackelsitz wird es ein Rennen zwischen Linksgrün und einer breiten Listenverbindung aus FDP, LDP, CVP, BDP, EVP und GLP geben. Auf bürgerlicher Seite hat die FDP-Liste die besten Chancen auf das Mandat. Dort fällt der Ex-Drogen- und Integrationsbeauftragte Thomas Kessler mit einer sehr aktiven Kampagne auf. Doch angesichts der politischen Grosswetterlage hat Rotgrün wohl die leicht besseren Chancen, sich den Sitz zu holen. In diesem Fall bliebe die parteipolitische Zusammensetzung der Basler Nationalratsdelegation wohl unverändert.
Obwohl der Basler Ständeratssitz mit dem Rücktritt von Anita Fetz (SP) frei wird, gibt es kaum Zweifel am Ausgang der Wahlen. Die über die Parteigrenzen hinweg respektierte SP-Finanzdirektorin Eva Herzog dürfte den Sitz für ihre Partei ohne Probleme verteidigen, möglicherweise schon im ersten Wahlgang. Herzogs Konkurrentinnen Patricia von Falkenstein (LDP) und Gianna Hablützel-Bürki (SVP) sind chancenlos.