Jacqueline Badran hatte am Mittwochmorgen vermutlich schlechte Laune. «SP entdeckt die Klimapolitik», titelte der «Tages-Anzeiger» seinen Bericht über den Massnahmenplan der Partei. Und deutete an, das Thema sei quasi Neuland für die Sozialdemokratie. Ein Vorwurf, den die streitbare wie streitlustige Zürcher Nationalrätin nicht auf sich sitzen lässt.
Die SP sei seit langem führend in der Umweltpolitik, rieb sie bei der Vorstellung des Klimaplans im bernischen Uettligen einem Journalisten unter die Nase. Dieser hatte gefragt, ob die Partei nicht den Grünen hinterherrenne. In einer Sache hat Badran natürlich recht. Die SP war umweltpolitisch aktiv, als die Grünen noch gar nicht existierten, etwa in der Anti-AKW-Bewegung der 1970er Jahre.
Offiziell ist der «Marshallplan» mit seinen 40 Massnahmen die Umsetzung eines Positionspapiers zur Klimapolitik, das die SP-Delegierten vor einem Jahr in Lausanne verabschiedet hatten. Seit jenem 23. Juni 2018 aber ist einiges passiert: Ein heisser und sehr trockener Sommer, das Fiasko mit dem CO2-Gesetz im Nationalrat und vor allem Greta Thunberg und die Klimastreik-Bewegung.
Ein SP-Parlamentarier, der mit dem Klima-Dossier nicht direkt zu tun hat, sieht es ziemlich prosaisch: Der Zeitpunkt der Präsentation sei natürlich kein Zufall. In dreieinhalb Monaten sind Wahlen, und das Comeback der Ökologie setzt die Parteien unter Zugzwang. Eigentlich können nur die Grünen und die Grünliberalen dem 20. Oktober einigermassen ruhig entgegenblicken.
Druck verspüren nicht zuletzt die Bürgerlichen. Die FDP besinnt sich in teilweise hektischer und nicht immer trittsicherer Manier auf ihre einstige ökologische Vorreiterrolle. Die CVP tut sich schwer damit, ihre vorhandene Umweltkompetenz zu kommunizieren. Immerhin war der Aargauer Julius Binder so etwas wie der Vater der modernen Schweizer Umweltpolitik.
Die SVP reagierte hysterisch bis überfordert auf den Klima-«Boom». An ihrer Delegiertenversammlung vom letzten Samstag zog sie ihre Schlüsse daraus. Sie richtet ihren Wahlkampf auf jenen Teil der Bevölkerung aus, der beim Begriff Klimawandel rot – oder vielmehr rotgrün – sieht. Und der nach der Devise lebt: «Mein Offroader fährt auch ohne Gletscher.»
SVP-Präsident Albert Rösti bezeichnete Umweltschutzmassnahmen als «teuflisch». Dies sei eine fatale «Fehleinschätzung», kommentierte der Chefredaktor von CH Media. Tatsächlich bereitet der Klimawandel insbesondere der bäuerlichen Basis der SVP Sorgen. Sie muss sich fragen, wie sie die Felder bewässern und das Vieh vor der Saharahitze und den Tropennächten schützen soll.
Wie um dies zu unterstreichen, lud die SP die Medien am Dienstag auf einen Bauernhof. Ein unüblicher Ort für Sozialdemokraten, doch der Biohof Schüpfenried in Uettligen ist alles andere als ein gewöhnlicher Landwirtschaftsbetrieb. Er ist auch ein Solarkraftwerk, weshalb sich Inhaber Fritz Sahli durchaus selbstbewusst als «Land- und Energiewirt» bezeichnet.
Begonnen habe alles mit einem Schicksalsschlag, erzählte Sahli im Gespräch mit watson. Vor neun Jahren brannte sein Betrieb bis auf die Grundmauern nieder. Den Wiederaufbau finanzierte er mit Geldern der Feuerversicherung, einem Kredit der Alternativen Bank und privaten Spenden. Und setzte dabei konsequent auf Ökologie, nicht nur in der landwirtschaftlichen Produktion.
Praktisch sämtliche Dächer sind mit Photovoltaik von Meyer Burger in Thun zugepflastert. Damit deckt Fritz Sahli nicht nur den eigenen Strombedarf, er versorgt auch mehr als 50 Haushalte. Ein perfekter Ort also für die SP, um ihren «Marshallplan» vorzustellen, mit dem sie die Energiewende vorantreiben will: weg vom Öl, hin zu erneuerbaren Energien und Effizienz.
Die FDP attackiert den Plan als «sozialistisch», dabei ist der Grundgedanke einleuchtend. «Die Technologien sind vorhanden», sagt der Baselbieter Nationalrat Eric Nussbaumer: Erdsonden statt Ölheizungen, Elektro- statt Verbrennungsmotoren. In Betrieb und Unterhalt sind sie deutlich günstiger, doch um sie überhaupt einzusetzen, sind Investitionen notwendig.
Dafür braucht es laut Nussbaumer eine schweizerische Klimaschutz-Bank. Im Vordergrund steht für die SP die Postfinance. Statt mit der angedachten Teilprivatisierung eine weitere «0815-Geschichte» daraus zu machen, sollte man sie «in eine Klimabank umbauen», so Jacqueline Badran. Weitere Investitionsimpulse sollen durch drei Milliarden Franken aus dem Bundesbudget erfolgen.
Dies belaste den Mittelstand, klagt die SVP. Der Basler Nationalrat Beat Jans widerlegte dies mit Verweis auf eine Studie des Beratungsbüros BSS. Die Belastung sei sehr bescheiden, vor allem wenn die Investitionen des «Marshallplans» über die direkte Bundessteuer erfolge. Mittelfristig werde der Mittelstand sogar entlastet, weil er von den hohen Öl- und Benzinpreisen befreit werde.
Ein Beispiel liefert Bauer Fritz Sahli. Er will einen Elektro-Traktor anschaffen, ein Produkt der Firma Rigitrac in Küssnacht: «Dann tanke ich nicht mehr für 120 Franken, sondern zahle 2.50 Franken für den Strom.» Die SVP wolle, dass die kleinen Leute «in der teuren Abhängigkeit von Öl und Benzin gefangen bleiben», meint Beat Jans: «Sie ist die Partei der Milliardäre, auch in der Klimafrage.»
Fritz Sahli glaubt, dass die SVP die Bauern verlieren könnte: «Vielleicht nicht in der Ostschweiz oder in den engen Tälern. Aber bei uns ist es flach, wir haben den weiten Blick.» Der seinige reicht bis nach Norddeutschland, wo er sich schon über Fortschritte in der Bio-Landwirtschaft informiert hat. Und die Schweizer Politik kann mehr Weitblick in der Klimafrage gebrauchen.
Na ja... selbs watson weiss doch eigentlich schon längstens, dass die SP deutlich grüner unterwegs ist als die GLP.