Der letzte echte Formtest der St.Galler Parteien liegt schon eine ganze Weile zurück – die kantonalen Wahlen fanden im Februar 2016 statt. Damals war die politische Wetterlage noch eine andere. SVP und FDP legten zu, Grünliberale verloren, SP und Grüne stagnierten. Das dürfte im Herbst anders sein. Insbesondere die SVP muss um ihren fünften Sitz, ein Restmandat, bangen. Mit dem Rücktritt von Ex-Parteipräsident Toni Brunner im Dezember 2018 verlor sie ihr Zugpferd, das weit über die Parteigrenzen hinweg Panaschierstimmen holte. Am ehesten von einer Abwahl betroffen sein könnte Nationalrätin Barbara Keller-Inhelder, die in Bern kaum aufgefallen ist.
Hoffnungen auf den wackelnden SVP-Sitz dürfen sich am ehesten die formstarken Grünen machen. Auf den ersten Listenplatz haben sie die 27-jährige Franziska Ryser gesetzt, die auch für den Ständerat kandidiert. Doch es ist nicht auszuschliessen, dass der 2015 abgewählten Yvonne Gilli (Listenplatz 3) die Rückkehr in den Nationalrat gelingt.
Auf ein Comeback im Nationalrat hoffen auch die St.Galler Grünliberalen, die ihren Sitz ebenfalls 2015 verloren hatten. Sie spekulieren auf den dritten Sitz der St.Galler CVP, den sich die Partei 2015 nur dank Reststimmen sichern konnte. Während Bauernpräsident Markus Ritter die Wiederwahl problemlos schaffen dürfte, müssen sich Thomas Ammann und Nicolo Paganini ins Zeug legen. Die SP und die FDP (je zwei Sitze) dürften einem eher ruhigen Wahlsonntag entgegenblicken und ihre Sitzzahl halten.
Erst am 19. Mai eroberte CVP-Regierungsrat Benedikt Würth als Nachfolger von Bundesrätin Karin Keller-Sutter den zweiten St.Galler Ständeratssitz neben jenem von Paul Rechsteiner (SP). Im Oktober wird es einen harten Kampf um die St.Galler Vertretung im Stöckli geben. Während sich Würth wohl durchsetzen dürfte, muss der linke Rechsteiner im bürgerlichen Kanton St.Gallen insbesondere den Angriff von FDP-Nationalrat Marcel Dobler abwehren. SVP-Kandidat Ronald Rino Büchel hingegen dürfte keine Chance haben.
Die im Thurgau im schweizweiten Vergleich gemässigt auftretende SVP ist seit Jahrzehnten die mit Abstand stärkste Kraft. 2015 holte sie 39,9 Prozent der Stimmen, auf Platz zwei folgte die FDP mit 13 Prozent. Selbst wenn die Thurgauer SVP deutlich verlieren sollte, dürfte sie ihre drei Sitze halten, ebenso wie FDP, CVP und SP ihren einen Sitz verteidigen dürften. Die schweizweit erwartete grüne Welle müsste sehr mächtig ausfallen, damit sie im Thurgau zu einem Sitzgewinn für Grüne oder GLP führen könnte.
CVP-Vertreterin Brigitte Häberli-Koller tritt schweizweit als einzige Frau zur Wiederwahl in den Ständerat an und dürfte problemlos bestätigt werden. Den Sitz des zurücktretenden Roland Eberle dürfte die SVP mit ihrem populären Regierungsrat Jakob Stark ebenso ungefährdet verteidigen.
Die Ausgangslage in Graubünden präsentiert sich so spannend wie kaum in einem anderen Kanton. Vor vier Jahren holte sich die SVP mit Magdalena Martullo-Blocher überraschenderweise einen zweiten Sitz. Dieser ist heuer ernsthaft in Gefahr. Sollte die Partei einen Sitz verlieren, könnte es sowohl Martullo-Blocher als auch ihren Parteikollegen Heinz Brand treffen.
Die SP wird ihren Sitz wohl verteidigen und mit Jon Pult ein junges Polittalent nach Bern schicken. Dank einer Listenverbindung mit Grünen und GLP darf sich das linksgrüne Lager sogar Hoffnungen auf einen zweiten Sitz machen, auch wenn die Latte hoch liegt.
Ebenfalls ungefährdet ist der Sitz von CVP-Nationalrat Martin Candinas. Zittern hingegen muss BDP-Nationalrat Duri Campbell. Die seit 2011 nicht mehr im Nationalrat vertretene Bündner FDP hofft auf ein Comeback.
Die wieder antretenden Stefan Engler (CVP) und Martin Schmid (FDP) dürften die Wiederwahl problemlos schaffen.
Seit 2007 befinden sich die beiden Schaffhauser Sitze in den Händen von SVP und SP. Daran dürfte sich auch in der nächsten Legislatur nichts ändern. Die Bisherigen Thomas Hurter (SVP) und Martina Munz (SP) treten wieder an und werden kaum ernsthaft herausgefordert.
Etwas mehr Spannung verspricht das Rennen um die Schaffhauser Vertretung im Ständerat. Zwar treten auch hier beide Bisherigen wieder an, Hannes Germann von der SVP und der parteilose, in der SVP-Fraktion politisierende Thomas Minder. Sie haben gute Chancen, wiedergewählt zu werden. Doch mit Regierungsrat Christian Amsler (FDP), der im Herbst 2018 erfolglos für den Bundesrat kandidierte, werden sie von einem Schwergewicht herausgefordert. Kaum Chancen hat die Kandidatur von SP-Kantonsrat Patrick Portmann.
2015 jagte SVP-Mann David Zuberbühler der FDP ihren traditionellen Ausserrhoder Nationalratssitz ab. «Zubi» politisierte in Bern seither stramm auf der SVP-Parteilinie und hat keine grossen Stricke zerrissen. Trotz Bisherigen-Bonus ist sein Sitz gefährdet. Denn die Freisinnigen wollen die Schmach von 2015 rückgängig machen. Noch ist nicht klar, mit wem. Am 16. August soll der Kandidat oder die Kandidatin bestimmt werden. Die SP hat bereits bekannt gegeben, die freisinnige Kandidatur zu unterstützen. Sie fordert eine Frau mit «liberal-sozialem Profil und grossem Bewusstsein für die Klimapolitik». Erfüllt die FDP-Kandidatur die Bedingungen nicht, wird die SP zwar keine Wahlempfehlung abgeben, aber auch keine eigene Kandidatur lancieren.
Die Wiederwahl von Andrea Caroni (FDP) ist ungefährdet.
Vor vier Jahren verteidigte BDP-Parteipräsident Martin Landolt seinen Sitz mit nur 700 Stimmen Vorsprung auf SP-Herausforderer Jacques Marti. Landolt, seit 2009 im Nationalrat, will im Herbst für ein drittes und letztes Mal wiedergewählt werden. Ob er wieder ernsthaft um seinen Sitz kämpfen muss, ist noch offen.
Die SP hat noch nicht entschieden, ob sie eine Kandidatur lanciert. Sollte dies der Fall sein, dürfte sie von den Grünen unterstützt werden. Auch die Grünliberalen liebäugeln mit einer eigenen Kandidatur. Wer auch immer gegen Landolt antritt, dürfte einige Stimmen aus der SVP-Wählerschaft erhalten, wo der BDP-Mitbegründer mit SVP-Vergangenheit nicht nur Freunde hat.
Die Wiederwahl von Thomas Hefti (FDP) und Werner Hösli (SVP) dürfte ungefährdet sein. Noch ist nicht einmal klar, ob es zu einer Gegenkandidatur kommt.
Der bisherige CVP-Nationalrat Daniel Fässler wurde an der Landsgemeinde im April als Nachfolger von Parteikollege Ivo Bischofberger zum Ständerat gewählt. Seither ist der einzige Innerrhoder Nationalratssitz vakant und wird erst im Oktober wieder besetzt. Die CVP, die diesen Sitz seit der Gründung des Bundesstaats 1848 hält, wird am 21. August über ihre Kandidatur entscheiden. Gesundheitsdirektorin Antonia Fässler und Ex-Regierungsrat Thomas Rechsteiner haben sich zur Verfügung gestellt. Die CVP hat gute Chancen, ihren Sitz zu verteidigen. Konkurrenz gibt es von SP-Mann Martin Pfister und dem SVP-Finanzdirektor Ruedi Eberle.
CVP-Mann Daniel Fässler kann wie oben erwähnt als schweizweit einziger Politiker dem Wahltag am 20. Oktober völlig sorgenfrei entgegenblicken: Er wurde bereits im April von der Landsgemeinde als Innerrhoder Ständerat für die neue Legislaturperiode gewählt.