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Christoph Blocher, Eric Weber, Ricardo Lumengo: So tricksten Schweizer Politiker bei Wahlen und Abstimmungen

Christoph Blocher, Eric Weber, Ricardo Lumengo: So tricksten Schweizer Politiker bei Wahlen und Abstimmungen

15.10.2015, 18:5116.10.2015, 18:01
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Wahlfälschung in der Schweiz
Christoph Blocher wurde 1994 wegen Wahlfälschung gerügt, nachdem er im Nationalrat bei einer Abstimmung für eine abwesende Kollegin die Stimme mitabgegeben hatte.
quelle: keystone / valentin flauraud
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Ein Tattoostudio-Betreiber bietet allen, die in seinem Lokal die Stimmunterlagen ausfüllen, einen 20-Franken-Gutschein fürs nächste Tattoo. Für die Staatsanwaltschaft Grund genug, ein Strafverfahren wegen Wahlbestechung zu eröffnen. 

Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt: Wahlfälschungen, Wahlbestechung oder Stimmenfang kommen in der Schweiz immer wieder vor. In den meisten Fällen handelt es sich um Einzelpersonen – meistens die Kandidaten selber – die sich so Vorteile bei der Wahl verschaffen wollen. 

Wahlen 2015
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Ein paar Beispiele aus den letzten Jahren:

  • 2014: Zwei Personen werden wegen Wahlfälschung und Stimmenfang verurteilt. Die beiden Männer hatten im Rahmen der Stadtpräsidentenwahl in Pruntrut JU voneinander unabhängig Wahlumschläge eingesammelt und Wahlzettel selber ausgefüllt.
  • 2010: Der Fall Ricardo Lumengo löst in der Schweiz eine breite Diskussion über Wahlbetrug aus. Der Berner SP-Grossrat stand im Verdacht, 46 Stimmzettel selber ausgefüllt zu haben. Lumengo bestritt den Vorwurf der Wahlfälschung, akzeptierte aber den Verdacht des Stimmenfangs. 2012 sprach ihn das Bundesgericht vom Vorwurf der Wahlfälschung frei. Stimmenfang – eine Übertretung – war inzwischen verjährt.  
  • 2009: Im Kanton Solothurn sammelt ein FDP-Gemeinderatskandidat 46 Wahllisten von Bekannten ein und füllt sie zu seinem Vorteil aus.
  • 2005: In Obersiggenthal wird ein SVP-Politiker mit vier Monaten bedingter Freiheitsstrafe bestraft. Der Hauswart hatte 130 Stimmcouverts zur Wahl des Gemeinderats und der Schulpflege aus dem Gemeindebriefkasten genommen und sie manipuliert. 
  • 2005: Der FDP-Grossrat Walter Hammel wird wegen Wahlfälschung und weiterer Delikte zu sieben Monaten Gefängnis bedingt verurteilt. Hammel hatte bei den Grossratswahlen 126 Wahlcouverts eingesammelt und teilweise ausgefüllt.
  • 2004: Gegen das Basler Stadtoriginal und Querkopf Eric Weber wird ein Strafverfahren wegen Wahlbetrugs eröffnet. Vier Jahre später verurteilt ihn das Gericht schliesslich wegen Wahlbestechung, versuchter Wahlfälschung und Drohung zu einer bedingten Geldstrafe.
  • 2003: Ein Nationalratskandidat aus dem Kanton Aargau füllt auf Wunsch von 21 SVP-Anhängern und in deren Beisein ihre Wahlzettel zu seinem Vorteil aus. 
  • 2001: CVP-Gemeinderat Linus Dobler nimmt über 100 Wahlcouverts entgegen, füllt diese selber aus und fälscht die Unterschriften auf den Stimmrechtsausweisen.
  • 1997: Der Solothurner SP-Politiker Aldo Berva stolpert über einen Wahlfälschungsskandal. Berva hatte bei den Kantonsratswahlen mehrere Dutzend Wahlzettel eingesammelt und diese teilweise auch selber ausgefüllt.
  • 1995: Hans Jürg Graf verliert seinen Sitz im Gemeindeparlament, nachdem bekannt geworden ist, dass der Berner SVP-Politiker rund 100 Stimmzettel von Bekannten und Verwandten eigenhändig ausgefüllt hat. Graf wird wegen mehrfachen Stimmenfangs zu einer Busse verurteilt.

Und last but not least: 

  • 1994: Christoph Blocher wird wegen Wahlfälschung im Nationalrat gerügt. Der SVP-Übervater und Milliardär hatte bei einer Abstimmung nicht nur seine eigene Stimme abgegeben, sondern mittels elektronischem Abstimmungssystem auch für eine abwesende Ratskollegin mitabgestimmt. Blocher entging einer Verurteilung, weil es das Parlament ablehnte, seine Immunität aufzuheben. (wst)
Das kleine Wahlmanipulations-Alphabet
Wahlbetrug ist nicht gleich Wahlbetrug. Das Schweizer Strafrecht unterscheidet zwischen Wahlfälschung, Wahlbestechung und Stimmenfang. Die ersten beiden Tatbestände sind Offizialdelikte und werden mit Gefängnis oder Geldstrafe geahndet. Stimmenfang, das planmässige Einsammeln, Ausfüllen oder Ändern von Stimmzettel oder die Verteilung derartiger Stimmzettel wird dagegen nur mit Busse bestraft. Weiter stellt der Gesetzgeber die Störung und Hinderung von Wahlen und Abstimmungen, Eingriffe in das Stimm- und Wahlrecht, sowie die Verletzung des Abstimmungs- und Wahlgeheimnisses unter Strafe. (wst)

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11 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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amore
15.10.2015 19:01registriert Februar 2014
Dass es jemand nach einer Wahlfälschung schafft, BR zu werden, ist doch eigentlich ungeheuerlich. Dies stellt der Nationalversammlung ein schlechtes Zeugnis aus.
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niklausb
15.10.2015 20:42registriert März 2015
Eric Weber ein Stadtoriginal???!!
dr Bluemefritz jo, dr Megaphon Urs jo. Aber dr Eric sicher nid!
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MJ3
15.10.2015 21:10registriert Juni 2015
Kleine Korrektur: Ricardo Lumengo war als die Vorwürfe publik wurden nicht (nur?) Grossrat, sondern (auch?) Nationalrat.
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