Auf dem Rasen spielte gerade der FC Basel, als ihn ein Freund beiseite nahm. Ob er mitmachen wolle bei einer neuen WhatsApp-Gruppe, die sich gegenseitig vor Radarkontrollen warnt. Wer noch dabei sei, wollte der 44-Jährige Geschäftsmann aus dem Thurgau wissen. Der Freund nannte ein paar Kollegen. So willigte er ein.
Ganz am Anfang habe die Gruppe aus knapp 30 Mitgliedern bestanden, ein grosser Teil davon kommt aus dem Nachbarkanton St. Gallen. Letzten Dienstag stand der Thurgauer vor dem Bezirksgericht Arbon. Der Staatsanwalt klagt ihn wegen «öffentlicher Warnung vor Verkehrskontrollen» an.
Im Strafbefehl steht, der Beschuldigte habe im Juni 2017 innerhalb der WhatsApp-Gruppe «Polizei / Radarwarnung» die Meldung «Blitzer Niederwil/Gossau» weitergeleitet. Als jemand nachfragte, wo genau das Radargerät steht, doppelte er nach: «Wald oder unter der Autobahnbrücke».
Zu dieser Zeit bestand die WhatsApp-Gruppe gemäss Staatsanwalt aus etwa 180 Mitgliedern. Das brachte dem Geschäftsmann einen Strafbefehl über 500 Franken Busse ein. Hätte er bezahlt, wäre alles erledigt gewesen. Doch es geht ihm ums Prinzip, sagt er zu den Richtern in Arbon. Er fühlt sich zu unrecht angeklagt.
Die entscheidende Frage, um die sich dieser Fall dreht, lautet: Ist eine WhatsApp-Gruppe mit zuletzt rund 180 Mitgliedern öffentlich. Nein, sagen der Beschuldigten und sein Verteidiger. Die Gruppe sei nicht jedermann zugänglich. Beitreten habe nur können, wer von einem der beiden Administratoren dazu eingeladen worden sei. Das sei ein Unterschied zu einer Facebook-Gruppe, wo mehr oder weniger unkontrolliert jeder mitmachen könne. «Facebook ist eine Plattform», betont der Verteidiger, «WhatsApp ist ein Messenger-Dienst».
Sein Mandant sei davon ausgegangen, dass in der WhatsApp-Gruppe «Polizei/Radarmeldung» lediglich seine Freunde und deren Freunde seien. Der Gesetzes-Artikel sei «schludrig formuliert», kritisiert der Verteidiger. Wenn der Präsident des Turnvereins am Schluss der Jahresversammlung vor dem Blitzer am Ortsausgang warnt, soll dies erlaubt sein. Obwohl auch er oft nicht jeden im Saal kenne.
Das Bezirksgericht Arbon ist anderer Meinung. Es spricht den Geschäftsmann schuldig. Zu den 500 Franken Busse soll er 1600 Franken Verfahrens- und Gerichtskosten zahlen. Bei 180 Mitgliedern sei die persönliche Beziehung nicht mehr gegeben, begründet Gerichts-Vizepräsidentin Mirjam Trinkler das Urteil. Der WhatsApp-Gruppe habe beitreten können, wer zumindest ein Mitglied kannte.
Wie beim Schneeball-Effekt seien neue Mitglieder dazu gekommen, die wieder andere angeworben hätten. Der Einzelne habe keine Ahnung und keinen Einfluss mehr gehabt, wer dabei sei und wer nicht. Sie frage sich auch, ob die Warnung eines fiktiven Turnerpräsidenten vor vollem Mitglieder-Saal rechtens sei, erklärt die Richterin.
Ein Mitglied der WhatsApp-Gruppe habe kalte Füsse bekommen und sich selber angezeigt. Das sagt der Verteidiger des Beschuldigten. Inzwischen sollen um die 20 Strafbefehle allein im Kanton St. Gallen ausgestellt worden sein. Nach Kenntnis des Verteidigers ist der Beschuldigte aber der Einzige, der einen Strafbefehl angefochten habe.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Beschuldigte und sein Verteidiger erklärten nach der Verhandlung, sie wollen erst das begründete Urteil verlangen, gründlich studieren und dann entscheiden, ob sie weiter gehen ans Obergericht. Interessant wäre auch, wie das Bundesgericht den Fall beurteilen würde.
Nach Aussage des Beschuldigten soll die WhatsApp-Gruppe «Polizei/Radaranmeldung» mittlerweile nicht mehr aktiv sein.