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Konzernverantwortungsinitiative im Ständerat: So geht es jetzt weiter.

Gegenvorschlag abgelehnt – 8 wissenswerte Punkte zur Konzernverantwortungs-Initiative

Aktivisten bei der Einreichung der Konzernverantwortungsinitiative.Bild: KEYSTONE
Der Ständerat will nichts wissen von einem Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative der Schweizer Hilfswerke. Worum geht es da überhaupt? Was bedeutet der Entscheid? Und wie geht es nun weiter? Das Wichtigste im Überblick.
12.03.2019, 19:36
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Worüber wurde diskutiert?

Der Ständerat debattierte am Dienstagvormittag über die so genannte Konzernverantwortungsinitiative (KVI). Zusätzlich erörterte er die Frage, ob die KVI gemeinsam mit einem indirekten Gegenvorschlag zur Abstimmung kommen soll. Der Nationalrat hatte sich für einen solchen Gegenvorschlag ausgesprochen.

Die Konzernverantwortungsinitiative wurde von Schweizer Entwicklungsorganisationen lanciert und wird von Naturschutzverbänden, Gewerkschaften, kirchlichen Gruppen und weiteren Organisationen unterstützt. Sie will Konzerne dazu verpflichten, Menschenrechte und Umweltstandards bei ihren Geschäften weltweit zu achten. Schweizer Konzerne sollen für ihre ausländischen Tochterfirmen haften, wenn diese im Ausland gegen Menschenrechte verstossen oder die Umwelt ruinieren.

Was hat der Ständerat entschieden?

Eine knappe Mehrheit des Ständerats wollte nichts von einem Gegenvorschlag wissen und lehnte den Gesetzesvorschlag mit 22 zu 20 Stimmen ab. Die Initiative empfiehlt der Rat wie erwartet zur Ablehnung.

Staenderaete debattieren waehrend der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 11. Maerz 2019 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Der Ständerat will nichts wissen von der Konzernverantwortungsinitiative.Bild: KEYSTONE

Wie hätte der Gegenvorschlag ausgesehen?

Der indirekte Gegenvorschlag des Nationalrats hatte vorgesehen, dass Unternehmen belangt werden können, wenn Tochtergesellschaften im Ausland Bestimmungen zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt verletzen. Nicht belangt würden Unternehmen, wenn sie nachweisen könnten, dass sie die gebotenen Sorgfaltsmassnahmen getroffen haben, um einen Schaden dieser Art zu verhindern. Oder sie müssten nachweisen, dass sie nicht auf das Verhalten des kontrollierten Unternehmens Einfluss nehmen konnten. Gelten soll diese Regelung für Unternehmen ab einer bestimmten Grösse oder mit besonderen Risiken.

Die vorbereitende Kommission des Ständerates hatte ebenfalls einem Gegenvorschlag zugestimmt. Im Vergleich zu jenem des Nationalrats fiel dieser aber deutlich abgeschwächt aus. Aus Sicht der Initianten wäre mit der Version der Kommission faktisch ausgeschlossen, dass Konzerne zur Rechenschaft gezogen werden könnten. Die Ständeratskommission hatte eine Subsidiaritätsklausel eingebaut: Die Kläger sollten soweit zumutbar im Ausland gegen die Tochtergesellschaft vorgehen, welche die Menschenrechts- oder Umweltrechtsverletzung begangen hat.

Wie argumentierten die Gegner?

Das Votum von Ruedi Noser im Video.Video: parlamentsdienste
  • Für FDP-Ständerat Ruedi Noser (ZH) ist der Gegenvorschlag aus fragwürdigen Überlegungen heraus entstanden: «Wir verabschieden aus der Angst heraus ein Gesetz, weil wir Angst haben vor einer herausfordernden Abstimmung, die sowieso stattfindet. Wir alle wissen, dass so keine guten Gesetze entstehen können.»
  • Sowohl die Initiative als auch der Gegenvorschlag seien für die Wirtschaft schädlich: «Sie setzen beide auf einen internationalen Vergleich, einmalige Ausdehnung der Haftung, eine sehr weitgehende Sorgfaltsprüfungspflicht und die Beweisumkehr. Dadurch wird es mit kleinem Aufwand möglich sein, Unternehmen in der Schweiz einzuklagen.»
  • Die Wirtschaft und die Konzerne seien eine positive Kraft: «Die Globalisierung hat viel mehr erreicht als alle NGO zusammen. Noch nie stand der Umweltschutz so weit oben auf der Agenda aller Länder. Noch nie wurde so viel getan für Bildung, Kultur und Sicherheit wie heute. Die westliche Globalisierung und der internationale Handel haben das alles erreicht. (...) Selbstverständlich gibt es auch heute noch grosse Probleme, aber wenn Sie genau hinschauen, stellen Sie fest, dass die Mehrzahl dieser Probleme durch staatliches Versagen verursacht sind.»
Ruedi Noser, FDP-ZH, fotografiert waehrend der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 12. Maerz 2019 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Gemäss Ruedi Noser (FDP) droht Schweizer Firmen eine Klagewelle.Bild: KEYSTONE

Und wie die Befürworter eines Gegenvorschlags?

Die Rede von Daniel Jositsch.Video: parlamentsdienste
  • SP-Ständerat Daniel Jositsch zitierte einen Satz, den er im Radio gehört hatte: «Wenn der Wind der Veränderung bläst, dann bauen die einen Mauern und die anderen ziehen Segel auf.» Er glaube, dass diejenigen, die sich kategorisch gegen die Initiative und jede Form von Gegenvorschlag wehren, Mauern gegen den Wind der Veränderung aufzubauen versuchten.
  • Es brauche einen griffigen Gegenvorschlag: «Wenn Sie Rechte und Pflichten ohne Konsequenzen, ohne Durchsetzung haben, sind sie letztlich nichts wert. Diejenigen, die sich gegen eine Haftung wehren, die wollen eigentlich den wesentlichen Zahn der ganzen Gesetzgebung ziehen.»
Das sagte Christian Levrat bei der Debatte.Video: kaltura.com
  • SP-Ständerat und Parteipräsident Christian Levrat sagte während der Debatte, es sei in Zeiten globaler Vernetzung komplett illusorisch zu glauben, dass ein Unternehmen mit Sitz in der Schweiz keine Verantwortung für die Handlungen seiner Tochterunternehmen im Ausland wahrnehmen müsse. Er fühle sich sich angesichts der Argumente der Gegner an «Fehlentscheidungen aus der Vergangenheit» erinnert. Bereits bei der Debatte zu den nachrichtenlosen Vermögen aus dem zweiten Weltkreig auf Schweizer Banken und der Verteidigung des Bankgeheimnisses hätte die Schweizer Politik nicht erkannt, dass sich die Zeiten geändert hatten. Heute geht es darum, ob wir etwas aus der Vergangenheit gelernt haben oder ob wir die Fehler wiederholen.
Christian Levrat, SP-FR, spricht waehrend der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 11. Maerz 2019 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Warnte davor, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen: SP-Präsident Christian Levrat.Bild: KEYSTONE

Wie reagierten die Initianten auf die Ablehnung?

Das Initiativkomitee schreibt in einer Medienmitteilung, der Entscheid des Ständerats sei ein «Sieg für die Konzernlobby unter der Führung von Swissholdings und Economiesuisse». Das Ergebnis bedeute, dass Konzerne wie Glencore, Syngenta und Novartis weiterhin ohne Konsequenzen verantwortungslos wirtschaften dürfen. Die SP schreibt, dass «die rechten Parteien eine angemessene Lösung für Opfer von Menschenrechts- und Umweltschutzverletzungen» verhinderten. Die Grünen werfen der bürgerlichen Mehrheit vor, «für den wirtschaftlichen Profit bei Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung durch Schweizer Konzerne im Ausland beide Augen» zuzudrücken.

Was sagen die Initiativgegner?

Heinz Karrer, Praesident Economiesuisse, bedient sein Mobiltelefon kurz vor Beginn der Jahresmedienkonferenz, am Donnerstag, 26. Januar 2017, in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer freut sich.Bild: KEYSTONE

Economiesuisse, der Dachverband der Wirtschaft, begrüsste den Entscheid des Ständerats in einer Medienmitteilung. Die Wirtschaft habe sich in den vergangenen Monaten «um einen praktikablen und akzeptablen Gegenvorschlag zur schädlichen Initiative bemüht und Lösungen vorgeschlagen». Die Initianten hätten jedoch «keine Rückzugsbereitschaft gezeigt bei einer für die Wirtschaft verträglichen Variante». Deshalb sei es nun an der Zeit für den Nationalrat, es dem Ständerat gleichzutun und die Diskussionen um einen Gegenvorschlag definitiv zu beerdigen.

Wie geht es jetzt weiter?

Nun muss sich als nächstes der Nationalrat entscheiden, ob er an seinem Gegenvorschlag festhält. Angesichts der Opposition des Ständerat ist es gut möglich, dass auch die grosse Kammer darauf einschwenkt, die Initiative ohne Gegenvorschlag an die Urne zu schicken. Das Initiativkomitee ist nur dann dazu bereit, die Initiative zurückzuziehen, wenn der ursprüngliche Gegenvorschlag des Nationalrates verabschiedet wird. Ist dies nicht der Fall, kommt die Die Konzernverantwortungsinitiatve frühestens im Februar 2020 an die Urne. Linke Unterstützer der Initiative zeigten sich heute überzeugt, dass diese Abstimmung zu gewinnen ist:

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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Shaska
12.03.2019 20:00registriert Oktober 2018
Gebe der Initiative auch realistische Chancen. Aber wird wohl wieder eine krasse, finanstarke Gegenkampagne geben
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Thurgauo
12.03.2019 20:00registriert November 2017
Eigentlich bin ich auch eher wirtschaftsfreundlich, aber hier werde ich auf jeden Fall ein Ja in die Urne werfen!
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qolume
12.03.2019 19:46registriert Februar 2014
Der Skandal ist ja, dass das bis heute noch gar nicht einklagbar ist!
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