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Wenn du trotz Grippe zur Arbeit gehst, verletzt du das Gesetz

Wenn du trotz Grippe zur Arbeit gehst, verletzt du das Gesetz

04.01.2019, 10:2904.01.2019, 15:34
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Der Kopf tut weh, die Nase läuft und der Husten lässt einen nicht schlafen – Winterzeit ist Grippezeit. Doch aus Angst vor ihren Vorgesetzten oder aus Furcht, den Arbeitsplatz zu verlieren, schleppen sich viele Angestellte trotz Krankheitssymptomen zur Arbeit.

Mehrere Schweizer Studien zeigten in der Vergangenheit auf: Fast die Hälfte der Angestellten hierzulande erscheint mindestens einmal pro Jahr krank zur Arbeit. Dies, obwohl sie dort ihre Kolleginnen und Kollegen anstecken und ausserdem ihrer Gesundheit Schaden zufügen könnten.

«Arbeitnehmer, die trotz Krankheit arbeiten, verletzen ihre Treuepflicht.»
Rechtsanwalt Martin Steiger

Bei Arbeitnehmervertretern ist die Problematik bekannt. Es gebe die Tendenz, dass sich Angestellte vom Arbeitgeber unter Druck gesetzt fühlten, unter allen Umständen zur Arbeit zu erscheinen, erklärt Leena Schmitter, Sprecherin der Gewerkschaft Unia der Nachrichtenagentur AWP.

Rechtslage klar

Dabei ist die Situation aus juristischer Sicht eigentlich klar. «Arbeitnehmer, die trotz Krankheit arbeiten, verletzen ihre Treuepflicht», sagt der Zürcher Rechtsanwalt Martin Steiger. Ein Angestellter müsse seinen Arbeitgeber auch informieren, dass er krank sei.

«Gemäss Studien entstehen rund zwei Drittel der durch Krankheit verursachten Kosten nicht durch Absenzen, sondern durch das Weiterarbeiten trotz Krankheit.»
Fredy Greuter, Arbeitgeberverband

Rechtlich gesehen dürften Arbeitnehmer, die sich krank fühlen, dann nicht arbeiten, wenn ihre Krankheit ansteckend ist oder wenn die Arbeit den Heilungsprozess verlangsamt, beziehungsweise die Krankheit gar verschlimmert.

«Ebenfalls nicht arbeiten darf, wer aus gesundheitlichen Gründen vollständig arbeitsunfähig ist», führt Steiger weiter aus. Dies würde normalerweise durch ein Arztzeugnis bestätigt. Doch nicht bei jeder Krankheit sei man komplett arbeitsunfähig. «Im Zweifelsfall entscheidet der Arzt.»

Arbeitgeber müssen Kranke heimschicken

Doch auch die Arbeitgeber stehen in der Pflicht. Wenn sie wüssten, dass ein Arbeitnehmer krank sei, müssten sie ihn heimschicken, sagt der Anwalt weiter.

«Die Absenzen für die Pflege kranker Kinder müssen als Arbeitszeit angerechnet werden und die Angestellten haben Anspruch auf Lohnfortzahlung, wie bei eigener Krankheit»
Leena Schmitter, Gewerkschaft Unia

Das sei zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Arbeitnehmer selbst sage, dass er trotz Krankheit arbeite oder wenn er offensichtlich krank sei. «Es handelt sich hierbei um einen Teil der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, eine solche Person nicht arbeiten zu lassen.»

Dabei spiele das richtige Verhalten im Krankheitsfall auch versicherungstechnisch eine Rolle. Die Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber sei bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung grundsätzlich geschuldet, erklärt Steiger. Doch wer krank zur Arbeit gehe, riskiere, dass die Lohnfortzahlung verweigert werde, falls er im Anschluss schliesslich doch noch ausfallen sollte.

Mehrkosten für Unternehmen

Dass trotzdem manchmal Druck auf Angestellte ausgeübt wird, krank zur Arbeit zu erscheinen, dafür hat Unia-Sprecherin Schmitter kein Verständnis. «Der Betrieb sollte für Krankheitsfälle und Ferienabwesenheiten Stellvertretungsregelungen im Voraus regeln», sagt sie.

Denn wenn Angestellte trotz Krankheit arbeiteten, könnte dies mittelfristig gar zu Mehrkosten für das Unternehmen führen, vor allem wenn die Betroffenen dadurch am Schluss noch länger ausfielen, sagt Schmitter weiter.

Das sieht man allerdings auch von Seiten der Arbeitgeber so. «Gemäss Studien entstehen rund zwei Drittel der durch Krankheit verursachten Kosten nicht durch Absenzen, sondern durch das Weiterarbeiten trotz Krankheit», erklärt Fredy Greuter vom Arbeitgeberverband.

«Weil kränkelnde Mitarbeiter nicht die volle Leistung bringen, kommt es zu einem Produktivitätsverlust», betont er. Wenn ein Arbeitnehmer trotz offensichtlicher Arbeitsunfähigkeit am Arbeitsplatz erscheine, müsse der Vorgesetzte den Kranken daher unbedingt nach Hause schicken.

Home Office nicht sinnvoll

Auch eine Erledigung der Aufgaben im Home Office komme grundsätzlich nicht in Frage. «Eine Verzögerung der Genesung als Folge von Home Office gilt es zu vermeiden», sagt Greuter.

Nur in begründeten Einzelfällen könne es sinnvoll sein, dass der Arbeitgeber von zu Hause aus tätig ist, wenn er beispielsweise zwar noch ansteckend, aber trotzdem schon wieder voll leistungsfähig ist.

Unia gegen Heimarbeit

Dezidiert gegen Heimarbeit bei Krankheit äussert sich die Gewerkschaft. «Auch Home Office ist Arbeit. Deshalb ist Home Office, wenn man selber krank ist oder kranke Kinder betreuen muss, die falsche Lösung», erklärt Unia-Sprecherin Schmitter.

In diesem Kontext betont die Gewerkschafterin, dass auch für die Betreuung kranker Familienmitglieder ein Anspruch auf eine Arbeitsbefreiung von bis zu drei Tagen pro Krankheitsfall bestehe.

«Die Absenzen für die Pflege kranker Kinder müsse als Arbeitszeit angerechnet werden und die Angestellten haben Anspruch auf Lohnfortzahlung, wie bei eigener Krankheit», sagt Schmitter. (awp/sda)

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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Kii
04.01.2019 11:49registriert März 2015
Bei uns bekommt man ein "boni", wenn man das ganze jahr nicht krank war (sehr fair, mol). Und falls man doch mal krank sein sollte, soll man doch ferientage beziehen. Dann gibts noch so ein "boni", für den mitarbeiter mit den meissten arbeitsstunden pro jahr 🤦‍♂️

Nur zwei gründe von vielen, warum viele leute bei uns krank arbeiten gehen.
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Bazoo
04.01.2019 11:13registriert Februar 2017
Ja die Gewerkschaft kann noch viel erzählen. Dass es die Arbeitgeber einen feuchten Dreck interessiert wissen wir alle. Entweder man gibt 47 oder 48 Wochen lang 110% oder man sieht sich Nachteilen ausgesetzt.
Ob das nun wegbleibende Lohnerhöhungen sind oder sonstige Schickanen, bis hin zu degradierungen oder Entlaasungen.
Klar übertreiben es auch die Angestellten hin und wieder. Aber die meisten von uns können es sich schlicht und einfach nicht leisten krank zu sein oder sich völlig auszukurieren.
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malu 64
04.01.2019 14:18registriert September 2014
Dann gibt es noch Arbeitnehmer, welche ab dem 1. Krankheitstag noch 80% des Lohns bezahlen.
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