Die Schweizer Start-up-Szene boomt. Laut dem Global-Innovation-Index sind wir seit vielen Jahren das innovativste Land unter der Himmelskuppel. Nur eines hat die Szene kaum zu bieten: Frauen.
Ganze 89,3 Prozent der Start-up-Gründer in der Schweiz sind laut dem Datenanbieter Statista männlich. Nur gerade 10,7 Prozent der Jungfirmen werden also von Frauen gegründet. Das ist auch im europäischen Vergleich tief.
In Europa liegt der Anteil an weiblichen Gründern laut dem European Startup Monitor (Stand 2016) bei 14,8 Prozent. Auch das Sillicon Valley ist klar männerdominiert und wird oft als Boys-Club bezeichnet – obwohl die Region sich gerne als das Mass aller Dinge in Sachen Fortschrittlichkeit sieht.
Nur weniger besser sieht es auf der Liste der 100 erfolgreichsten Schweizer Start-ups 2017 aus, die die Innovationsplattform Venturelab jedes Jahr prämiert. Zwar ergatterte sich die Zürcherin Lea von Bidder mit ihrem Fruchtbarkeitsarmband Ava den ersten Platz, doch von den restlichen 99 Start-ups wurden nur 19 von Frauen gegründet, wie eine watson-Analyse zeigt. Weniger als 20 Prozent also. Von besagten Firmen sind viele im Gesundheitsbereich tätig. Was auch auffällt: In der 100-köpfigen-Jury, die den Award verleiht, sitzen lediglich neun Frauen.
Venturelab-Co-Geschäftsführer Jordi Montserrat sagt auf Anfrage: «Es ist immer noch eine Herausforderung, Frauen mit entsprechendem Profil zu finden. Neun Frauen in der Jury widerspiegeln die Realität in der Szene.» Venturelab sei darauf bedacht, Frauen zu fördern und erkenne die Wichtigkeit des Themas.
Durchstarterin Lea Von Bidder prangerte die Männerdominanz in der Start-up-Szene letztes Jahr in einem vielbeachteten Kommentar in der Handelszeitung an. «Auf Investorenevents bin ich oft die einzige Frau im Raum», schrieb sie.
Die Gründe für diese Männerdominanz sind vielfältig. Das Start-up-Frauennetzwerk Lish.ch sieht in erster Linie die Frauen in der Verantwortung. Die Gründerinnen Suchi Dubey und Lilla Papp schreiben auf Anfrage: «Frauen müssen ihre Einstellung ändern, wenn es um Investorengespräche geht.»
Unternehmerinnen seien oft sehr zögerlich und nicht zuversichtlich, selbst wenn sie ein ausgezeichnetes Projekt hätten. Männer hingegen tendierten dazu bei Meetings einfach zu bluffen – «und ihr Start-up besser darzustellen, als es tatsächlich ist.» Es sei wichtig, dass sich Frauen mehr trauen: «Der Markt wächst schnell und es gibt keinen Platz für langsame Menschen oder Projekte.»
Andererseits prangern die Aktivistinnen auch die Geldgeber an: «Mehrere Investoren haben uns mitgeteilt, sie seien auch heute noch überzeugt, dass ein von Männern gegründetes Start-up eher erfolgreich sein wird.»
Die SP-Nationalrätin und Präsidentin des Vereins« Start-up-Frauen», Yvonne Feri, legt den Fokus auf strukturelle Probleme: «Dass es in der Schweiz an Gründerinnen mangelt, hängt mit fehlenden Tagesstrukturen für die Kinder zusammen sowie damit, dass Männer kaum Teilzeit arbeiten und es keine Elternzeit gibt.»
Letzterer Aspekt könnte eine besonders grosse Rolle spielen, da Start-ups oft von Personen nach den ersten Berufserfahrungen, aber vor 45 gegründet werden. In dem Lebensabschnitt also, in dem die Frauen immer noch häufig ihre berufliche Tätigkeit zugunsten der Kinderbetreuung reduzieren. Neben einem Wandel in der Politik plädiert Feri auch für spezielle Programme für Alleinerziehende.
Die meisten Start-ups werden in hoch innovativen Branchen gegründet wie Finanzen, Fintech und IT. Das sind alles Berufsbereiche, in denen der Frauenanteil immer noch tief ist. Frauen sind stärker in den Bereichen Life Science, Dienstleistungen, Food und Kreativwirtschaft vertreten. Unter Start-ups mit diesen Ausrichtungen ist auch der Frauenanteil etwas höher.
Der Bundesrat erklärte in einem Bericht letztes Jahr, die Schweiz zähle zu den Ländern mit den besten Rahmenbedingungen für unternehmerische Aktivitäten. Verbesserungspotenzial sieht er nur bei Teilen des Steuerrechts und der Verfügbarkeit von Risikokapital. Zur Frauenfrage äusserte er sich nicht explizit.