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Boom bei My Climate: Schweizer zahlen CO2-Kompensation fürs gute Gewissen

Menschen demonstrieren am schweizweiten Klimastreik gegen die Klimapolitik und fuer einen sicheren Klimaschutz am Samstag, 6. April 2019 in Zuerich. (KEYSTONE/Ennio Leanza)
Der Klimastreik vom 6. April in Zürich.Bild: KEYSTONE

Boom bei My Climate: Schweizer zahlen CO2-Kompensation fürs gute Gewissen

Die Proteste der Klimajugend lösen ein Unbehagen aus. Manche verzichten darum auf Flüge oder Autofahrten. Und es steigt die Zahl derer, die ihren ökologischen Fussabdruck mit dem Portemonnaie verkleinern wollen.
13.04.2019, 16:4913.04.2019, 17:00
Benjamin Weinmann / ch media
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Die Stiftung My Climate bietet dazu eine Art modernen Ablasshandel an. Mit einer Spende kann man für die Menge CO2, die beim Reisen entsteht, einen gewissen Betrag einzahlen. My Climate investiert das Geld dann in Projekte, die die entstandene Umweltverschmutzung an einem anderen Ort wieder einsparen.

Sie subventioniert zum Beispiel klimaschonende Kochstellen in Entwicklungsländern. Kompensiert man etwa einen Ausflug nach New York, wird dieses CO2 durch eine Familie in einem Entwicklungsland während eines Jahres am Öko-Kocher wieder eingespart.

Hast du schon einmal eine CO2-Kompensation bezahlt?

Die Nachfrage nach solchen Kompensationen ist noch bescheiden. Nur einer von hundert Flugpassagieren leistet eine freiwillige Abgabe. Zudem stammen 90 Prozent der Abgaben von Firmen. Doch die Stiftung erlebt gerade einen Ansturm. Sie dürfte 2018 erstmals die Schwelle von einer Million Tonnen an kompensiertem CO2 überschritten haben. Die genaue Zahl ist noch nicht bekannt.

Die Nachfrage nach der Kompensation über den Online-Klimarechner, wo jeder seinen individuellen Verbrauch ausgleichen kann, hat sich während der ersten drei Monate dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht. «Wir spüren den Effekt der Klima-Bewegung», sagt Sprecher Kai Landwehr. «Viele Firmen fragen uns an, wie sie ihre Aktivitäten ökologischer gestalten und Umweltbelastungen kompensieren können.»

Kritik am Effekt

Doch es gibt auch Kritik an der Möglichkeit, die eigenen Klima-Emissionen mit einem freiwilligen Geldbetrag wieder gut zu machen. «Die Kompensation ändert nichts daran, dass mit der eigenen Reise CO2 und andere Gase in die Luft abgegeben werden», sagt Niels Jungbluth von der Umweltberatungsfirma ESU-services. Der Vielflieger fühle sich möglicherweise etwas besser, der Planet nicht.

Kai Landwehr entgegnet, dass die «My Climate»-Abgabe eine freiwillige Verursachergebühr mit konkreter Wirkung sei. «Es ist wie bei der Kehrichtgebühr: Wer Abfall oder in diesem Fall Treibhausgase verursacht, bezahlt für deren Entsorgung. Er gibt zu bedenken, dass es nicht SUV-fahrende Vielflieger seien, die ihre Flüge kompensierten. «Studien zeigen, dass es ökologisch bewusste Menschen sind, die das Angebot nutzen.» Nachhaltig leben und Kompensationszahlungen seien kein Widerspruch.

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59 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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ChiliForever
13.04.2019 17:16registriert November 2016
Ablasshandel ist da genau der richtige Begriff dafür. Man zahlt halt einfach um sein Gewissen rein zu halten. Anstatt sich selbst einzuschränken wirft man halt den Ärmsten der Armen ein paar Brosamen hin.
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Zeit_Genosse
13.04.2019 17:30registriert Februar 2014
„Sie subventioniert zum Beispiel klimaschonende Kochstellen in Entwicklungsländern. Kompensiert man etwa einen Ausflug nach New York, wird dieses CO2 durch eine Familie in einem Entwicklungsland während eines Jahres am Öko-Kocher wieder eingespart.“

Im Ernst. Ich fliege nach NewYork, dafür muss eine Afrikanische Familie einen Ökokocher benutzen um deren CO2-Ausstoss einzusparen. Pervers!
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Biindli
13.04.2019 20:09registriert Oktober 2015
Grundsätzlich regt die Klimadiskussion einem ja sehr zum Nachdenken an. Und evtl. führt es ja auch dazu, dass man einen schon gebuchten Flug antritt und über MyClimate kompensiert und dann die nächsten Ferien aufs Fliegen verzichtet. Ich könnte mir das gut vorstellen, denn ich muss ehrlich gestehen vor gar nicht so langer Zeit habe ich mir noch nicht so viele Gedanken über den Klimawandel und meinen persönlichen kleinen Beitrag dazu gemacht. Und ich denke das geht ganz vielen so.
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