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Zersiedelungsinitiative verliert an Zustimmung

ARCHIV -- ZUR ABSTMMUNG DER ZERSIEDELUNGSINITIATIVE AM 10. FEBRUAR 2019, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - View from the Mount Pilatus aerial cableway crossing over a residenti ...
Bild: KEYSTONE

Neue Umfrage zeigt klaren Trend: Zersiedelungsinitiative stürzt ab

30.01.2019, 06:0030.01.2019, 06:42
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Die Zersiedelungsinitiative hat viel Boden und damit die Mehrheit verloren: Während Anfang Dezember noch 63 Prozent der Befragten Ja zur Vorlage gesagt hätten, wären es jetzt nur noch 47 Prozent gewesen.

49 Prozent hätten ein Nein eingelegt, wenn die Abstimmung am 19. Januar gewesen wäre. Dies zeigt die Trendumfrage, welche das Forschungsinstitut gfs im Auftrag der SRG durchgeführt und am Mittwoch veröffentlicht hat. Damit ist das Nein-Lager mittlerweile leicht grösser als jenes der Ja-Stimmenden. Effektiv abgestimmt über die Vorlage wird am 10. Februar.

Die Initiative aus der Feder der Jungen Grünen als Hauptträger verlangt, dass die Bauzonen in der Schweiz eingefroren werden. Konkret sollen neue Bauzonen nur geschaffen werden können, wenn dafür andernorts eine gleich grosse, bestehende Bauzone aufgehoben wird. Die Initianten wollen damit erreichen, dass in der Schweiz auch in dreissig Jahren Naherholungsgebiete zur Verfügung stehen sowie eine starke produzierende Landwirtschaft in der Schweiz möglich bleibt.

Die Zersiedelungs-Initiative in 60 Sekunden erklärt

Video: watson/Angelina Graf

Wirtschaft gegen die Initiative

Gegner wie etwa ein Wirtschaftskomitee befürchten jedoch beispielsweise einen Entwicklungsstopp. Die Initiative schränke Unternehmen in ihrer Vergrösserungsmöglichkeit stark ein, lautet deren Hauptargument. Zudem führe sie zu höheren Bodenpreisen. Das sei ein Nachteil für den Wirtschaftsstandort Schweiz gegenüber dem Ausland.

Nicht überraschend kommt der grösste Widerstand daher von den Sympathisanten der wirtschaftsnahen FDP und CVP. Von ihren Anhängern hätten lediglich 24 (FDP) respektive 22 (CVP) ja gestimmt. Bei den Anhängern der BDP hätten noch 36 Prozent Ja gesagt.

Am meisten Befürworter auf bürgerlicher Seite findet die Initiative derweil bei den Anhängern der SVP, wobei 42 Prozent bestimmt oder eher ja stimmen wollen.

Umschwung in der SVP

Im Verlauf der letzten fünf Wochen hat jedoch der Anteil der Nein-Stimmenden bei der SVP stark zugenommen auf über 50 Prozent. Damit ist der Einbruch der Unterstützung für die Initiative vor allem darauf zurückzuführen, dass die Unterstützung bei den bürgerlichen Parteien stark zurückgegangen ist.

Die Studienautoren gehen davon aus, dass sich bis zum Abstimmungssonntag weitere Partei-Anhänger den Nein-Parolen ihrer Parteien bei FDP, BDP, CVP und SVP anschliessen werden.

Viel Zustimmung kommt wenig überraschend von der politisch Linken: Bei den Anhängern der Grünen und der SP sprachen sich 75 respektive 67 Prozent für die Initiative aus. Auch bei den Anhängern der GLP liegen die Befürworter mit 51 Prozent noch knapp vorne.

Stadt-Land-Graben vertieft sich

Analog der Entwicklung der Stimmabsichten nach Parteibindung vertieft sich auch der Stadt-Land-Graben. In den ländlichen Regionen gibt es derzeit eine Mehrheit von 54 Prozent, welche sich gegen die Initiative stellt. Die ländlichen Regionen wären von der Initiative denn auch direkt betroffen.

In den Städten überwiegt noch eine knappe Mehrheit, welche für die Initiative stimmen will. Der Trend in den Sprachregionen geht derweil in allen drei Gebieten in Richtung Nein.

Die Meinungsbildung hat gegenüber der letzten Umfrage einen grossen Schritt vorwärts gemacht: Mittlerweile haben mehr als zwei Drittel (68 Prozent) eine «klare» Meinung. Das sind 18 Prozent mehr als im Dezember. Dies bedeutet, dass der Spielraum der Kampagnen im Abstimmungskampf kleiner geworden ist, also dass das Potential zur Beeinflussung der Stimmbevölkerung geschrumpft ist. Die Studienautoren schreiben, dass eine Ablehnung der Initiative erwartet werden kann.

Die Umfrage wurde zwischen dem 16. und 23. Januar bei 4699 Stimmberechtigen durchgeführt. Sie stellt keine Prognose dar, sondern die Wahlabsichten der Befragten zu einem bestimmten Zeitpunkt. Die Angaben basieren auf einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent mit einem Unsicherheitsbereich von +/- 2.7 Prozentpunkten – ein Wert von 50 Prozent kann daher zwischen 47.3 und 52.7 variieren, wobei gemäss der Studie kleinere Abweichungen wahrscheinlicher sind.

Gegner: «Gesetz stoppt Zersiedelung bereits»

Ebenfalls am Mittwoch hat Tamedia seine dritte Umfragewelle publiziert. Auch deren Resultate zeigen: Die Stimmung ist gekippt, der Vorsprung der Initianten verloren. Seit der letzten Befragung am 10. Januar ist die Zustimmung um 15 Prozentpunkte auf 37 Prozent gesunken. 62 Prozent sprechen sich «sicher» oder «eher» gegen die Initiative aus.

Die Umfrage zeigt zudem, dass bei den Nein-Stimmenden vor allem das Argument zieht, dass das revidierte Raumplanungsgesetz die Zersiedelung bereits stoppt.

Das Gesetz wurde im März 2013 vom Stimmvolk angenommen. Es verpflichtet die Kantone, ihren Baulandbedarf auf die voraussichtlichen Bedürfnisse der kommenden 15 Jahre auszurichten. Kantone mit überdimensionierten Bauzonen müssen zurückzonen.

Anders als bei der SRG-Umfrage zeigt die Auswertung bei Tamedia, dass die Zustimmung zur Initiative in den Städten eingebrochen ist, noch 40 Prozent planten, ein Ja in die Urne zu legen.

An der Tamedia-Umfrage haben am 24. und 25. Januar 2019 online 11'853 Personen aus der ganzen Schweiz teilgenommen. Der Fehlerbereich liegt bei 1.5 Prozentpunkten (sda)

Streitgespräch Zersiedelungs-Initiative:

Video: watson/Angelina Graf

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13 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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dorfne
30.01.2019 09:17registriert Februar 2017
Die Initiative führt also zu einem Entwicklungsstopp und hindert die Unternehmen daran sich zu vergrössern. Ich verstehe unter Entwicklung etwas anderes als die Zubetonierung von wertvollem Landwirtschaftsboden. Das Raumplanungsgesetz bringt nichts. 400km2 Bauland zum Überbauen; 20km Rückzonungen, gerade mal 5%. Und wenn in 15 bis 20 Jahren diese 380km2 verbaut sind, darf weiter eingezont werden. Irgendwann wird dann Wald gerodet, werden Seeufer aufgeschüttet, damit sich die Unternehmen auch in 50 Jahren noch "vergrössern" können.
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