Die Efta-Länder, darunter die Schweiz, haben sich laut offiziellen Angaben mit dem südamerikanischen Handelsblock Mercosur über einen Freihandelsdeal geeinigt. Mit dem Abkommen können Waren ohne Zölle zwischen der Schweiz und den Mercosur-Ländern ausgetauscht werden.
Die Einigung gab Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro am Freitag im Kurznachrichtendienst Twitter bekannt. Ein Sprecher des Schweizer Wirtschaftsdepartements bestätigte am Abend gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA den Abschluss. Details nannte er nicht.
- Concluímos hoje as negociações do Acordo de Livre Comércio entre MERCOSUL e EFTA (Suíça, Noruega, Islândia e Liechtenstein), que tem PIB de US$1,1 trilhão e é o 9° maior ator comercial do mundo. Mais uma grande vitória de nossa diplomacia de abertura comercial. 👍🇧🇷
— Jair M. Bolsonaro (@jairbolsonaro) August 23, 2019
Ausgehandelt haben den Vertrag nach zwei Jahre langen Diskussionen auf der einen Seite die vier Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay sowie auf der anderen Seite die Efta-Länder Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein. Der genaue Inhalt des Abkommens lag vorerst nicht vor. Der Text muss in den Vertragsstaaten noch ratifiziert werden.
Mit einem Abkommen wollen die südamerikanischen Staaten die Zölle auf Industriegütern teilweise oder ganz abbauen. Im Markt der beteiligten südamerikanischen Staaten leben rund 260 Millionen Konsumenten.
Der Schweizer Wirtschaftsminister Guy Parmelin, der sich bei Bekanntwerden des Deals anlässlich der Berufsweltmeisterschaften in Russland aufhielt, wird sich am Samstag um 17 Uhr bei einem Pressekonferenz zum Durchbruch äussern.
Die Schweizer Industrie forderte mit Nachdruck ein Abkommen. Schweizer Firmen sollten demnach gegenüber der EU-Konkurrenz in den Mercosur-Ländern nicht mehr benachteiligt werden. Das Freihandelsabkommen ist in der Schweiz allerdings umstritten. Die Landwirtschaft etwa erwartet hohen Druck auf die Preise von Rindfleisch, Poulet, Ölsaaten und Zucker durch mehr Importe aus Südamerika.
Markus Ritter, Präsident des Schweizerischen Bauernverbandes (SBV) kommentierte die Einigung auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA ohne den genauen Inhalt zu kennen kritisch. Grosse Fragezeichen setzt er insbesondere bezüglich zu weit gehenden Konzessionen in den Bereichen Lebensmittelsicherheit, Umweltschutz und Nachhaltigkeit.
Für Ritter ist eine Agrarpolitik nicht mehr glaubwürdig, bei der einerseits im Inland strenge Vorgaben diskutiert und gemacht werden, deren Ziele andererseits beim Abschluss eines Freihandelsabkommens nur noch eine untergeordnete oder gar keine Rolle mehr spielen. Die Agrarpolitik in der Schweiz müsse eine Linie haben, so aber werde das Argument der Nachhaltigkeit zum Feigenblatt und der Bundesrat mache sich unglaubwürdig.
Auf der Online-Plattform campax.org hatten am Samstagmittag bereits über 24'000 Menschen eine Petition gegen die Unterzeichnung des Abkommens durch die Schweiz unterzeichnet. Die Petition trägt den Titel «Kein Schweizer Freihandelsabkommen mit Amazonas-Zerstörer Bolsonaro!». Er verweist auf die Politik des brasilianischen Staatspräsidenten, welche von Kritikern als Grund für das Ausmass der derzeitigen Brände im Amazons-Gebiet verantwortliche gemacht wird.
Für die Parteipräsidentin der Grünen, Regula Rytz, kommt eine Unterzeichnung des Abkommens nur in Frage, wenn «es aus ökologischer und menschenrechtlicher Sicht einen Fortschritt bringt». Die Chancen dafür seien allerdings klein, sagt die Berner Nationalrätin gegenüber «20 Minuten».
«Man kann den Klimaschutz nicht mit Füssen treten und erwarten, dass alle anderen Staaten wegschauen und Geschäfte machen wollen. Was im Amazonas passiert, betrifft auch uns», so Rytz. Sie fordert den Bundesrat dazu auf, das Handelsabkommen in Form einer referendumsfähigen Vorlage ins Parlament zu bringen.
Wenn dieses «keine wesentlichen Verbesserungen für den Schutz des Regenwaldes und gegen die Vertreibung der indigenen Bevölkerung enthält», werde die Grüne Partei das Referendumg ergreifen, sagte Rytz gegenüber der Pendlerzeitung.
Nicht nur in der Schweiz wird der Freihandel mit den Mercosur-Staaten kritisch gesehen, sondern auch in der Europäischen Union. Im Juni hatten die EU und die Mercosur-Staaten eine Einigung über einen gemeinsamen Handelspakt erzielt. Dieses muss in der EU ebenfalls noch ratifiziert werden. Frankreich und Irland kündigten am Freitag wegen den Amazonas-Bränden allerdings eine Blockade des Freihandelsabkommens an.
Der französische Präsident sei zu dem Schluss gekommen, dass der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro ihn über seine Umweltschutz-Absichten «belogen» habe, sagte ein hochrangiger Mitarbeiter von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. «Unter diesen Umständen lehnt Frankreich das Mercosur-Abkommen in seiner jetzigen Form ab», hiess es.
Die Regierung in Paris sieht das Mercosur-Abkommen schon länger kritisch, auch aus Sorge um französische Landwirte. Sie hatte sich Anfang Juli gegen eine rasche Ratifizierung des von der EU ausgehandelten Vertrags ausgesprochen und zusätzliche «Garantien» etwa für den Schutz des Amazonas-Regenwaldes verlangt.
Auch Irland droht angesichts der Brände im Amazonas mit einem Veto: «Ich bin sehr besorgt, dass in diesem Jahr ein Rekordniveau an Zerstörung von Amazonaswald durch Feuer stattgefunden hat», sagte der irische Regierungschef Leo Varadkar am Freitag. Das Handelsabkommen sei noch zwei Jahre von der Ratifizierung entfernt. «Wir werden innerhalb dieser zwei Jahre Brasiliens Handeln im Umgang mit der Umwelt sehr genau beobachten», sagte Varadkar.
Das Freihandelsabkommen ist auch in Irland heftig umstritten. Irische Bauern fürchten, sie könnten durch billige Fleischimporte aus Südamerika aus dem Wettbewerb gedrängt werden. Finnland, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, hatte vorgeschlagen, über die Aussetzung von Fleischimporten aus Brasilien nachzudenken.
Europäische Freihandelsassoziation (Efta) ist der neuntgrösste globale Handelsakteur. Sie wurde 1960 von sieben Ländern gegründet, darunter die Schweiz. Weitere Mitglieder stiessen hinzu, bis die überwiegende Mehrheit von ihnen der EU beitrat. Im Jahr 2018 exportierte die Efta Waren im Wert von mehr als 310 Milliarden Euro und importierte Güter für 255 Milliarden Euro. Wichtigster Handelspartner ist die EU, die über 60 Prozent der von der Efta produzierten Waren und Dienstleistungen abnimmt. (cbe/sda/afp/awp)
Dieser etwas ältere Clip von Steve Cuts ist heute aktueller den je.
Cassis ist sicher unglaublich stolz auf sich. Mit was wird er wohl dem Parlament drohen, wenn es den Vertrag nicht ratifizieren will? Wahrscheinlich mit dem Verlust von 10 Mio. Arbeitsplätzen alleine in der Schweiz.