Wenn sich der Verwaltungsrat der Post heute zur Sitzung trifft, wird eine Person wohl fehlen. Adriano Vassalli, der im Gremium bereits in Ungnade gefallen war, hat am Samstagabend seinen Rücktritt bekannt gegeben.
Offiziell will der Vizepräsident der Post zwar erst auf die Generalversammlung vom 26. Juni hin zurücktreten, wie er in einer Erklärung schreibt. Er habe Bundesrätin Doris Leuthard und die übrigen VR-Mitglieder entsprechend informiert. Und: Diesen Schritt habe er sich eingehend überlegt, erklärt der Tessiner, und ihn im Interesse eines Neuanfangs der Post und deren Tochter Postauto AG gefällt.
Wiederholt seien ihm in letzter Zeit diverse Vorwürfe gemacht worden. «Dazu halte ich fest: ich habe keinerlei Pflichtverletzungen begangen und insbesondere die ominöse Aktennotiz vom 21. August 2013 nie erhalten».
In dieser machte die interne Revision der Post auf die «Problematik der Kostenumbuchungen zulasten des öffentlich finanzierten Verkehrs» aufmerksam. Empfänger waren unter anderen der damalige Verwaltungsratspräsident Peter Hasler und die zurückgetretene Konzernchefin Susanne Ruoff.
Das Departement von Bundesrätin Leuthard nimmt Vassallis Entscheid laut einer Sprecherin zur Kenntnis. Dies trage dazu bei, den Neustart bei der Post zu erleichtern. Es gebe in den nächsten Monaten im Zusammenhang mit den personellen und operationellen Massnahmen sehr viel zu tun. Es brauche einen Kulturwandel, um das Vertrauen in die Post und in den Service public zu stärken.
Derweil werden weitere Rücktrittsforderungen laut. Laut «SonntagsZeitung» verlangt SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi auch den Kopf von Verwaltungsrätin Susanne Blank. Sie sitzt im Prüfausschuss des Post-Verwaltungsrats, der von Vassalli präsidiert wird. Zudem fordert Aeschi, auch Post-Präsident Urs Schwaller müsse zum Rücktritt gezwungen werden wegen Pflichtverletzungen.
Nationalrat Philipp Hadorn (SP/SO) pflichtet bei: Schwaller habe nur jene Zeit untersuchen lassen, in der er selber noch nicht Post-Präsident war. Hadorn fordert, dass die Jahre 2016 und 2017 ebenfalls restlos durchleuchtet werden.
Der Solothurner SVP-Nationalrat Christian Imark fordert derweil den Bundesrat auf, die Honorare der Revisionsgesellschaft KPMG zurückzuverlangen. Laut Imark erhielt KPMG als Revisionsgesellschaft von 2013 bis 2017 jährlich rund 4 Millionen Franken. Wegen der «schludrigen Prüfung» habe KPMG nicht erkannt, dass in der Postauto-Sparte während Jahren illegale Umbuchungen im Umfang von über 100 Millionen getätigt wurden.