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Darf das WEF Politikern wie Bolsonaro eine Plattform geben?

Jair Bolsonaro, President of Brazil, participates in a session at the annual meeting of the World Economic Forum in Davos, Switzerland, Tuesday, Jan. 22, 2019. (AP Photo/Markus Schreiber)
Bild: AP/AP

Der Trump Südamerikas: Darf das WEF Politikern wie Bolsonaro eine Plattform geben?

Der frisch gewählte Staatspräsident trat in Davos erstmals ausserhalb seiner Heimat auf. Dabei gab sich der polternde Rechtspopulist zahm. Er versprach Steuersenkungen und einen schlankeren Staat.
23.01.2019, 06:3023.01.2019, 06:37
Andreas Möckli / CH Media
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Der Empfang war kühl. Als Brasiliens neu gewählter Staatspräsident Jair Bolsonaro in Davos auf die Bühne trat, gab es kaum Applaus. Der 63-Jährige liess sich davon nicht beirren. Er fühle sich geehrt, sich an ein so erlauchtes Publikum zu wenden, sagte er. Geehrt fühlte sich auch WEF-Gründer Klaus Schwab, dass Bolsonaro sein Forum für seinen ersten Auftritt ausserhalb Brasiliens wählte.

Nach den Nettigkeiten folgte ein Werbespot für sein Land. Bolsonaro betonte, sich für Steuersenkungen einsetzen und die Bürokratie abbauen zu wollen. Das erinnerte stark an die letztjährige Rede von US-Präsident Donald Trump, der sich für seine wirtschaftlichen Erfolge feierte und dafür warb, in den USA zu investieren.

Brazil's Economy Minister Paulo Guedes speaks during a ceremony where the country's government bank presidents are to be presented at Planalto presidential palace in Brasilia, Brazil, Monday ...
Paulo GuedesBild: AP/AP

Bolsonaro schien sichtlich bemüht, der versammelten Wirtschaftselite zu gefallen. «Wir werden die Flexibilisierung der Wirtschaft fördern und Privatisierungsprojekte vorantreiben», sagte er. Explizit erwähnte er seinen Wirtschaftsminister Paulo Guedes. Der 69-Jährige ist ein Schüler des neoliberalen US-Ökonomen und Wirtschaftsnobelpreisträgers Milton Friedman. Es sei vor allem Guedes, der die Privatisierung staatlicher Unternehmen vorantreiben wolle, sagen Beobachter. Bei Bolsonaro ist man sich dagegen nicht so sicher. Als 1999 der damalige Präsident Fernando Henrique Cardoso Staatsbetriebe privatisieren wollte, sagte Bolsonaro, Cardoso gehöre erschossen.

«Mit offenen Armen»

Doch gestern gab sich der Populist Bolsonaro zahm. Im Wahlkampf war er regelmässig mit radikalen, frauenfeindlichen und homophoben Aussagen aufgefallen und wird seither von manchen als rechtsextrem bezeichnet. In seiner gestrigen Rede fehlte davon jede Spur. «Wir werden uns für faire Handelspraktiken einsetzen und uns an die geltenden Regeln halten», betonte er. Er will die die Handelsbeziehungen sogar ausbauen. Der Präsident zeigte sich denn auch überzeugt davon, dass Brasiliens Fortschritt ausländische Investitionen anregen wird. «Das möchten wir der Welt zeigen. Wir empfangen Sie mit offenen Armen.»

Neben seinen wirtschaftspolitischen Vorhaben sprach Bolsonaro über Moral, die er vor alles andere stellen wolle. Seine Regierung werde gegen Geldwäscherei und Korruption vorgehen. «Wir wollen stark in die Sicherheit investieren, damit Sie uns besuchen kommen.» Obwohl Brasilien ein sehr schönes Land sei, gehöre es nicht zu den beliebtesten Tourismus-Destinationen.

Bolsonaro schnitt auch das wohl wichtigste Thema am diesjährigen WEF an, den Klimawandel. Brasilien tue viel für die Umwelt und den Naturschutz, das Land werde auch den Artenschutz aufrechterhalten. Gleichzeitig müsse dieses Anliegen aber Hand in Hand mit der Entwicklung Brasiliens gehen. Lediglich rund 20 Prozent des Bodens würden von der Landwirtschaft genutzt. Damit stünden immer noch viele Wälder zur Verfügung, die für die Landwirtschaft eingesetzt werden könnten.

Für Kritiker Bolsonaros dürfte das wohl wie eine Drohung geklungen haben. Denn als eine seiner ersten Amtshandlungen beschnitt der Präsident den Sonderstatus der indigenen Völker im Land. Er übertrug die Zuständigkeit für die Festlegung und Abgrenzung des Landes von Ureinwohnern vom Justiz- auf das Landwirtschaftsministerium.

Die Agrarindustrie kritisierte in der Vergangenheit wiederholt, dass den indigenen Völkern grosse Gebiete zugesprochen wurden. «Weniger als eine Million Menschen leben an diesen Orten isoliert vom wirklichen Brasilien», twitterte Bolsonaro Anfang Jahr. «Sie werden von gemeinnützigen Organisationen erforscht und manipuliert. Zusammen werden wir diese Bürger integrieren und alle Brasilianer wertschätzen.» Die Ureinwohner fürchten, dass es nun beinahe unmöglich wird, ihre eigenen Gebiete weiterhin zu schützen.

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«Wenn diese Leute hier bleiben wollen, müssen sie sich unserem Recht unterwerfen. Oder sie verlassen das Land oder gehen ins Gefängnis. Diese roten Typen werden aus unserem Vaterland verbannt.»
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Kein Platz für Ideologie

Im anschliessenden Gespräch mit Schwab betonte Bolsonaro nochmals, wie wichtig es ihm sei, den Einfluss des Staats zurückzubinden. Brasilien sei an einem Wendepunkt angelangt. Für Ideologie habe es in seiner Regierung keinen Platz. Sein Kabinett bestehe im Unterschied zu früher ausschliesslich aus Fachleuten, Vertreter von Parteien seien nicht dabei.

Nach dem lauen Empfang erhielt Bolsonaro zum Schluss kräftigen Applaus. Seine wirtschaftsfreundlichen Ankündigungen dürften bei den WEF-Teilnehmern auf Anklang gestossen sein.

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52 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Toerpe Zwerg
23.01.2019 06:54registriert Februar 2014
Die Titelfrage ist entlarvend. Bolsonaro hat sich noch nichts zuschulden kommen lassen. Aber man stellt bereits die Frage, andersdenkende ihre Meinung vertreten dürfen.
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MacB
23.01.2019 07:47registriert Oktober 2015
Der TItel: "Der Trump Südamerikas: Darf das WEF Politikern wie Bolsonaro eine Plattform geben?"

Ich mag ihn und seine Politik (auch) nicht. Dennoch ist er ein gewähltes Staatsoberhaupt. Diese Frage unterwandert das Demokratieverständnis.
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Turi
23.01.2019 07:32registriert März 2016
Ich würde die Frage anders formulieren:
Darf das WEF einem demokratischen gewählten Präsidenten, dessen Position nicht jener der linken Medien entspricht, eine Plattform geben?

Oder man könnte noch weiter fragen: Dürfen demokratisch gewählte Präsidenten eines zweit-Welt-Landes überhaupt eine andere Meinung als erste-Welt-Medien haben?
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