Über 300 Akteure aus dem Gesundheitswesen haben sich am Montag zur fünften Nationalen Gesundheitskonferenz getroffen. Sie diskutierten Massnahmen, die das Kostenwachstum im Gesundheitswesen dämpfen sollen - beispielsweise Experimente. Bundesrat Alain Berset sagte, dass jetzt energisches Handeln nötig sei.
«Seit Jahren steigen die Kosten im Gesundheitswesen stärker als die Preise und Löhne», dieses Zitat aus einer Botschaft des Bundesrats nutzte Bundespräsident Alain Berset als Einstieg in die Gesundheitskonferenz im Berner Kursaal. Es ist 26 Jahre alt. «Sie kennen die Geschichte», sagte Berset zu den Anwesenden. Die Kosten seien seither sehr stark gestiegen.
Das würden sie auch in den nächsten Jahren tun, das sei unabwendbar. Die entscheidende Frage sei: «Steigen sie aus den richtigen Gründen? Oder steigen sie, weil das System Fehlanreize setzt?» Es sei jetzt wichtig, dass alle Akteure rasch und energisch handeln und zusätzliche Massnahmen ergreifen, die das Wachstum der Kosten dämpfen.
Einen Zeitplan gab er sogleich vor. Die Erkenntnisse aus der Konferenz werden in die Arbeit des Gesamtbundesrats einfliessen. Bis zum Frühling will dieser die prioritären Massnahmen definiert haben, damit im Herbst eine erste Vernehmlassung lanciert werden kann.
Als Tagungsgrundlage diente der Bericht der Expertengruppe, der im Oktober präsentiert wurde. Er zeigte auf, wo am meisten Kosten eingespart werden können. Nicht viel Neues - aber «eine kalte Dusche für alle», sagte Berset zu den Ergebnissen, und zählte auf: Spielraum für kostendämpfende Innovationen seien nicht ausgenutzt, Revisionen seit Jahren verschleppt und Effizienz-Gewinne nicht an die Versicherten weitergegeben worden.
Aus den 38 Massnahmen aus dem Bericht gab es zwei übergeordnete, die an der Konferenz im Zentrum im Zentrum standen. So soll das obligatorische Krankenpflegeversicherungsgesetz (OKP) um einen Experimentierartikel ergänzt werden. Etwas ähnliches gab es im Asylbereich, wo das beschleunigte Verfahren experimentell getestet wurde.
Thomas Heiniger, Vorsteher der Gesundheitsdirektion Zürich und Präsident der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -Direktoren (GDK), ist demgegenüber skeptisch. «Ich möchte keinen Arzt, der mit mir experimentiert», sagte Heiniger. Experimente gehörten nicht ist Gesundheitswesen.
Dennoch unterstütze die GDK diesen Artikel, solange die Experimente nicht unumkehrbare Zustände schaffen würden. Die Experimente sollen zudem kostendeckend sein und die Zustimmung der betroffenen Kantone benötigen.
Zustimmung findet der Vorschlag beim Nationalrat und Präsidenten des Krankenkassen-Verbands santésuisse, Heinz Brand. «Im Gesundheitswesen liegen die Lösungen nicht in der Theorie», sagte er. In der Praxis könne man den Tatbeweis für eine mögliche Massnahme antreten - oder die Idee beerdigen. Und der Vizepräsident des Spitalverbands H+ und Spitaldirektor des Universitätsspitals Basel Werner Kübler schlug - absichtlich provokativ - vor, eine kantonale Einheitskasse zu testen.
Umstrittener war der andere Vorschlag. Dieser sieht vor, für das Kostenwachstum verbindliche Zielvorgaben in den verschiedenen Leistungsbereichen festzulegen - in der Diskussion wurde von einem Globalbudget gesprochen.
Der Waadtländer Gesundheitsdirektor Pierre-Yves Maillard (SP) setzte sich vehement für diese Massnahme ein. Es sei die einfachste und effizienteste Massnahme. Man arbeite immer wieder in Teilen am Tarifsystem - das sei aber, wie wenn man bei einem Dampfkochtopf mit einem zu kleinen Deckel versuche, das Austreten des Dampfes zu verhindern.
Maillard lieferte sich eine hitzige Diskussion mit Michel Matter. Der Präsident der Ärztevereinigung des Kantons Genf und Mitglied des FMH-Zentralvorstands befürchtet bei einem solchen Globalbudget eine Zweiklassengesellschaft und lange Wartefristen, Beispiele aus Deutschland und Frankreich würden dies nahelegen. Es könne nicht sein, dass jemand mit Kopfschmerzen im Januar erst im März zum Doktor gehen könne.
Nach den Podiumsgesprächen diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Gruppen weitere Massnahmen aus dem Expertenbericht. Die Diskussionen wurden aufgezeichnet und fliessen nun in die Arbeit des Bundesrats ein. (sda)