Mehrere tausend Bauarbeiter legten Mitte Oktober ihre Arbeit nieder, die Baustellen standen still. Sie fordern faire Arbeitszeiten, mehr Lohn und Rentenalter 60. Bild: KEYSTONE/TI-PRESS
5500 Büezer demonstrierten schon im Tessin und in der Westschweiz für faire
Arbeitsbedingungen. Heute Dienstag gehen auch die Zürcher Bauarbeiter auf die Strasse. Der
22-jährige Maurer Manuel
Deverell erzählte watson, was die Schweizer Bauarbeiter so wütend macht.
06.11.2018, 10:5007.11.2018, 05:34
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Manuell Deverell, gross, lange blonde Rastazöpfe, kommt
humpelnd zum Gespräch. Er hat sich bei der Arbeit den Zeh verletzt. «Gebrochen
ist zum Glück nichts, aber arbeiten kann ich für die nächsten drei Tage sicher
nicht», meint er kopfschüttelnd.
Manuel Deverell arbeitet seit sieben Jahren als Maurer. bild: zvg
Vor sieben Jahren entschied sich Deverell für eine Lehre als Maurer. Der Gedanke, etwas mit
den Händen zu erschaffen, gefiel ihm. «Es machte Spass, am Ende des Tages sein Werk zu
sehen», so der 22-Jährige. Seither zieht er von Baustelle zu Baustelle. Angestellt bei
einem der grössten Bauunternehmen der Schweiz, weiss Deverell, welches die grössten
Probleme auf dem Bau sind.
«Ab einem gewissen Alter haben sehr viele Kollegen körperliche Probleme.
Der Rücken schmerzt, die Gelenke tun weh.» Deshalb, so Deverell, sei es enorm wichtig, das
Rentenalter bei 60 Jahren zu belassen. Statistiken zufolge sterben Bauarbeiter im
Durchschnitt 4,4 Jahre früher als Leute in anderen Berufen. Das weiss auch Deverell:
«Wenn du dich mit 60 pensionieren lässt, hast du meist nur noch ein paar Jahre zu leben. Das kann es doch nicht sein.»
Warum streiken die Bauarbeiter?
Ende 2018 läuft der Landesmantelvertrag (LMV) aus, den die Gewerkschaften Unia und Syna
zusammen mit dem Baumeisterverband ausgehandelt haben. Nach einer
Grossdemonstration im Juni 2018 lenkte der Baumeisterverband ein und arbeitete einen
neuen Vertrag aus. Die Rente mit 60 soll bleiben, die Bauarbeiter übernehmen die Kosten
der Pensionskassensanierung, erhalten dafür aber eine Lohnerhöhung. Der
Baumeisterverband ist jedoch nur bereit die Lösung umzusetzen, wenn die Gewerkschaften
einem Kahlschlag im LMV zustimmen. Der neue Vertrag sieht vor, dass die Arbeitstage der
Bauarbeiter von März bis Dezember bis zu zwölf Stunden dauern können. Diese Änderung
stösst den Gewerkschaften sauer auf. Mit Protestaktionen und Grossdemonstrationen
kämpfen die Bauarbeiter nun gegen eine solche Regelung.
«Oft arbeiten wir Überstunden oder am Wochenende, wenn die Baustelle bis Ende Woche abgeschlossen sein muss», erzählt Manuel Deverell.bild: zvg
Für Deverell ist klar: Er wird nicht bis ins Rentenalter Maurer bleiben. Der Arbeitsalltag sei zu
stressig, der Druck enorm. «Die Preise für die Baustellen werden sehr knapp berechnet.
Jeder Tag, an dem die Baustelle noch nicht fertig ist, kostet die Baufirmen viel Geld.»
Zu spüren
bekommen das allen voran er und seine Mitarbeiter, erklärt Deverell und fügt hinzu: «Früher
war das Material teuer, heute sind es die Personalkosten.» Und diese würden mit allen
Mitteln gedrückt, so der Maurer. «Oft arbeiten wir Überstunden oder am Wochenende,
wenn die Baustelle bis Ende Woche abgeschlossen sein muss.» Angepackt werde dabei von
allen. «Niemand will derjenige sein, der am Samstag nicht kann. Schliesslich könnte man seinen Job
verlieren.»
Rund 3000 Bauarbeiter demonstrierten am 15. Oktober in Bellinzona für eine Verlängerung ihres Tarifvertrages mit den Baumeistern und um eine Erhöhung der Löhne.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS
Ein weiteres Problem sei die Temporärarbeit. «Viele Bauarbeiter verlieren ihre
Festanstellung und werden in Temporärjobs gedrängt. Das finde ich sehr bedenklich.»
Hinzu kommt, dass der Job immer unattraktiver für die Jungen werde, sagt Deverell. «Arbeite
ich auf einer Baustelle, gehöre ich meistens zu den Jüngsten. Das Durchschnittsalter liegt bei etwa
40 Jahren.» Das sei eine traurige Entwicklung. «Der Bau braucht den Nachwuchs.»
Doch
wenn die Arbeitsbedingungen immer schlechter werden, könne er gut verstehen, wieso viele
auf eine Lehre als Maurer verzichten würden. «Ich weiss ehrlich gesagt nicht, ob ich meinen
zukünftigen Kindern eine Maurerlehre empfehlen würde», so Deverell nachdenklich.
In den letzten elf Jahren haben im Durchschnitt immer weniger Lernende mit der Lehre als Maurer abgeschlossen.
Es sei enorm wichtig, dass die Bauunternehmen Jobs auf dem Bau in Zukunft attraktiver
gestalten – besonders für die nachfolgenden Generationen. «Weniger Druck, eine bessere
Feedbackkultur und keine Erhöhung der Arbeitszeiten» wünscht sich Deverell.
Er hat die Streiks im Tessin und der Romandie mitverfolgt. Und er
wäre auch gerne an die heutige Demonstration in Zürich gegangen. Doch sein Zeh lässt es
nicht zu. Auf einen positiven Ausgang der Verhandlungen hofft Deverell trotzdem. «Es geht
um die Zukunft des Baus. Und darum, wie attraktiv die Jobs für den Nachwuchs
noch sein werden.»
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quelle: x01413 / amit dave
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