Herr Gänger, die Vollversammlung der Redaktion hat fast vier Stunden gebraucht, bis sie sich zu einer Sistierung des Streiks entschliessen konnte. Weshalb dauerte das so lange?
Sebastian Gänger: Zunächst haben wir von der Redaktionskommission unsere Kollegen detailliert über das gestrige Vorgespräch informiert. Wir erläuterten, wie das Angebot des Verwaltungsrats genau aussieht. Danach gab es eine intensive Debatte, wie wir darauf reagieren sollen.
Worüber wurde diskutiert?
Die zentrale Frage war, ob das Angebot des Verwaltungsrats ausreicht, um den Streik zu unterbrechen. Manche empfanden die Bedingung – Sistierung des Streiks während der gesamten Verhandlungen – als Drohung. Diskutiert wurde auch, ob die Punkte, welcher der Verwaltungsrat zu diskutieren bereit ist, für uns ausreichen.
Was gab den Ausschlag für eine Sistierung?
Am Ende setzte sich folgende Sichtweise durch: Wenn sich die Türe für Verhandlungen nach tagelanger Funkstille geöffnet hat, wollen wir sie nicht zuschlagen. Deshalb unterbrechen wir den Streik und bereiten uns auf die Verhandlungen vor, die übernächste Woche am Dienstag 13. Februar beginnen.
Und worüber wird nun verhandelt?
Wir haben uns mit dem Verwaltungsrat auf vier Themen geeinigt, über die wir sprechen werden. Zunächst einmal fordern wir eine Sistierung des Stellenabbaus bis zum Ende der Verhandlungen. Ausserdem werden wir über die Grössenordnung des Abbaus reden. Nach unseren Berechnungen braucht es keine Streichung von 35 Vollzeitstellen, um die SDA finanziell zu stabilisieren.
Und die anderen Punkte?
Wir verlangen Verbesserungen im Sozialplan. Momentan sind zwei Millionen dafür vorgesehen, das ist in unseren Augen zu wenig. Wir wollen insbesondere Verbesserungen für die Härtefälle. Der Verwaltungsrat hat anerkannt, dass es solche gibt. Konkret heisst das: Redaktorinnen und Redaktoren über 60, welche entlassen werden, soll der Gang aufs Arbeitsamt erspart werden. Hier braucht es eine Übergangslösung bis zum Rentenalter. Zu guter Letzt muss der Verwaltungsrat anerkennen, dass die SDA mit dem Basisdienst einen Service public zur Verfügung stellt. CEO Markus Schwab hatte das in Abrede gestellt.
Sollten die Verhandlungen nicht zu Ihrer Zufriedenheit verlaufen: Hätte die Redaktion überhaupt noch die Kraft und den Willen, erneut zu streiken?
Wie sich die Redaktion je nach Verhandlungsverlauf entscheidet, kann ich nicht vorwegnehmen. Was ich mit Sicherheit sagen kann: Dieser Streik hat uns zusammengeschweisst und als Redaktion gestärkt. Ich hätte am Anfang nie geglaubt, dass der Streik von einer so grossen Mehrheit getragen wird. Unser Streik ist keine «Begleitmusik» mehr, wie sich CEO Markus Schwab ausgedrückt hatte. Ich glaube deshalb nicht, dass uns die Kraft ausgehen würde.
Die Verhandlungen beginnen erst übernächste Woche – in der geschwätzigen Medienbranche eine halbe Ewigkeit. Besteht nicht die Gefahr, dass die jetzige Einigung sabotiert wird?
Natürlich werden wir die Medienberichterstattung und die Äusserungen der Mitglieder des Verwaltungsrats aufmerksam verfolgen. Mit dem heutigen Communiqué des Verwaltungsrats sind wir zufrieden. Ich hoffe natürlich, es gibt jetzt keine Störfeuer. Auf Redaktionsseite werden wir nun erstmal durchatmen und uns dann in Ruhe auf die Verhandlungen vorbereiten.
Hand aufs Herz: Heute ist der erste Streik in der Geschichte der SDA zu Ende gegangen.
Das ist falsch. Unser Streik ist bloss suspendiert. Am Abend des ersten Verhandlungstags wird die Redaktion über die Ergebnisse der Gespräche informiert. Je nach Ausgang legen wir die Arbeit dann wieder nieder. Aber wir hoffen natürlich auf einen positiven Verlauf.