Lieber Herr Landolt
Sie sind grade nicht zu beneiden. Aber das waren Sie ja eigentlich noch nie. Solange Eveline Widmer-Schlumpf im Amt war, hiess es, Sie seien lediglich der Präsident ihres «Fan-Clubs» und seit Eveline Widmer-Schlumpf nicht mehr im Amt ist, heisst es, Sie seien bloss noch der Liquidator dieses Fan-Clubs.
Es hat mir immer ziemlich viel Respekt abgenötigt, wie Sie diese Narrative der SVP und der Journalisten ertragen haben, seit Sie 2012 das Präsidium der BDP übernommen hatten. Sie machten zwar einen immer abgekämpfteren und unglücklicheren Eindruck, aber Sie hielten durch. Jemand musste den sprichwörtlichen «Shit-Umbrella» machen, damit die Partei in Ruhe arbeiten und sich durch solide politische Leistung von diesem negativen Gründungs-Mythos emanzipieren kann. Also redeten Sie die Widmer-Schlumpf-Gemeinheiten jahrelang immer und immer und immer wieder weg.
Nach den Berner Wahlen dieses Jahr schien es fast so, als hätten Sie es geschafft, als hätten die ewigen Hater ob Ihrer stoischen Geduld die Lust am Schnöden und letztlich auch die Deutungsschlacht verloren. Ja, es schien fast so, als ob Ihre BDP nicht mehr nur als der Mitläufer-Trupp dieser Bündner «SVP-Verräter» wahrgenommen wird, die Blocher seinerzeit rausgeworfen hatte.
Und dann, letzte Woche, ist das alles kaputtgegangen.
Die «Republik» hat in sehr unantastbarer Manier dargelegt, dass der eine Ihrer BDP-Kandidaten für die Bündner Regierungsratswahlen im Juni völlig unwählbar ist. Als stellvertretender und späterer Geschäftsführer des dortigen Baumeisterverbandes will dieser nichts davon mitgekriegt haben, dass ein Bündner Bau-Kartell in seinen Sitzungen die kommunalen, kantonalen und auch nationalen Steuerzahler innert weniger Jahre mittels Preisabsprachen um hohe zweistellige Millionenbeträge beschissen hatte. Und Ihr anderer BDP-Regierungsratskandidat will, obwohl die «Republik» in ähnlich unantastbarer Weise das Gegenteil dargelegt hat, nicht über die Praktiken der Baumeister informiert gewesen sein.
Und was machen Sie?
Sie stellen die minutiös recherchierte und nach allen Regeln der Dramen-Kunst aufgezogene Aufarbeitung des Kartell-Skandals der «Republik»-Journalisten in Frage, versuchen die Glaubwürdigkeit des Whistleblowers in Zweifel zu ziehen und sagen: «Andreas Felix ist der Kandidat der BDP Graubünden. Wenn er und die Kantonalpartei mit ihm als Kandidaten antreten, stehe ich voll dahinter.»
Ich habe Folgendes gelesen: «Als mediengewandter Parteipräsident ist mir natürlich klar, dass völlig wurscht ist, ob jedes Detail in dieser Geschichte stimmt oder nicht. Den Eindruck, dass von Landquart bis Tschiervs und von Disentis bis Samnaun jeder und jede gewusst hat, was da gemischelt worden ist, bringt man nicht mehr weg. Es ist mir auch kristallklar, dass dieser Bündner Kartell-Skandal an diesen beiden Kandidaten und damit an der BDP und an mir hängen bleiben wird. Nicht nur in diesen Bündner Wahlen, sondern für sehr, sehr lange Zeit. Aber, henusode, die Bündner sind die Cheffen. Immer schon gewesen. Wenn die sagen, es interessiere sie nicht, was irgendwelche Unterländer-Journis in Zürich behaupten und trotzdem antreten wollen, dann sag ich halt, die träten jetzt trotzdem an.»
Zwar tritt der eine Kandidat jetzt doch nicht an, weil er wohl eingesehen hat, dass er sich damit keinen Gefallen tut oder weil jemand mit Gewicht gesagt hat, er soll es bleiben lassen.
Aber es ist leider ziemlich klar, dass das nicht Sie waren.
Ich bin nicht einer von denen, die dazu raten, bei der erstbesten Deckelung durch Mächtigere unter Absingen wüster Lieder den Bettel zu schmeissen. Aber in Ihrem speziellen Fall und an Ihrer Stelle würd ich mir solcherlei Undank der Partei nicht mehr allzu lange antun.
Liebe Grüsse
Maurice Thiriet