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Stadler Rail: Das sagt CEO Thomas Ahlburg zum Giruno der SBB

Thomas Ahlburg, designierter CEO der Stadler Rail Group, aufgenommen am Mittwoch, 20. September 2017, am Hauptsitz in Bussnang. Wie das Unternehmen mitteilt, uebergibt Peter Spuhler die Funktion des G ...
Thomas Ahlburg, CEO von Stadler Rail, in der Produktionshalle in Bussnang TG. Bild: KEYSTONE
Interview

Stadler-Rail-CEO Ahlburg: «Der Giruno schüttelt definitiv nicht»

Der neue Superzug von Stadler soll in genau neun Monaten mit Passagieren durch den Gotthard rasen. Der neue Chef des Schweizer Zugbauers erklärt im Interview, warum seine Züge im Gegensatz zu den Bombardier-Pannenzügen nicht schütteln und wie die Firma den Chinesen die Stirn bietet.
15.03.2019, 09:1415.03.2019, 12:32
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Pendler und Bähnler nerven sich über die Pannenzüge des kanadischen Herstellers Bombardier. Die neuen SBB-Doppelstock-Intercity sind trotz über fünf Jahren Verspätung so unzuverlässig, dass sie die SBB nur auf Nebenstrecken einsetzen – und dort bleiben die Züge immer wieder stehen.

Im Windschatten sozusagen hat der Schweizer Zugbauer Stadler innert nur fünf Jahren den neuen Hochgeschwindigkeitszug Giruno entwickelt und auf die Schienen gebracht. Der ICE-Rivale soll bereits am Dezember 2019 fahrplanmässig mit 250 km/h durch den Gotthard rasen und später von Mailand bis Frankfurt verkehren. Mit dem Giruno will der neue CEO von Stadler, Thomas Ahlburg, Bahn-Giganten wie Siemens, Alstom und die Chinesen herausfordern. Der 49-jährige empfängt den watson-Reporter in seinem luftigen Büro in Bussnang TG zum Interview.

Herr Ahlburg, der Giruno soll bereits in neun Monaten mit Passagieren durch die Schweiz rollen. Ist das Projekt auf Kurs?
Wir übergeben demnächst die ersten Giruno-Züge an die SBB, dann startet die Betriebserprobung. Grundsätzlich sind wir sehr gut unterwegs und zuversichtlich, ab Ende Jahr in den fahrplanmässigen Einsatz gehen zu können.

Die SBB und Stadler Rail bauten ein 1:1-Holzmodell des neuen Hochgeschwindigkeitszuges «Giruno». (Bild: SBB)
Der Giruno soll ab Dezember 2019 von Zürich nach Milano fahren. Bild: KEYSTONE

Ihr Zug schüttelt also nicht die wie Bombardier-Doppelstöcker?
Der Giruno ist ein einstöckiger Hochgeschwindigkeitszug, der andere Herausforderungen hat als die Konkurrenz mit dem zweistöckigen Zug. Wir haben mit sechs 200 Meter langen Giruno-Kompositionen bereits umfangreiche Testfahrten in der Schweiz und im Ausland durchgeführt. Sind etwa mit 275 Stundenkilometern durch den Gotthard-Basistunnel gefahren. Der Giruno schüttelt definitiv nicht. Natürlich braucht es da und dort noch den letzten Feinschliff. Es sind aber keine Themen aufgetaucht, die nicht lösbar wären.

«Schadenfreude kommt wegen Bombardier bei mir aber sicher nicht auf.»

Als früherer Bombardier-Werkschef in Görlitz (Deutschland) kennen Sie Ihren Konkurrenten bestens. Was löst das Debakel mit den Doppelstock-Zügen bei Ihnen als Bahn-Manager aus?
Das ist für mich schwierig zu kommentieren. Stadler hätte das Fahrzeug zweifellos gerne selbst gebaut. Schadenfreude kommt bei mir aber sicher nicht auf. Wir haben alle ein Interesse daran, zu beweisen, dass das System Bahn die komfortabelste und zuverlässigste Art zu reisen ist. Alles, was dieser Sache nicht dient, bedauern wir.

Auch Stadler zofft sich mit den SBB: Die Bundesbahnen gehen wegen angeblichen Rostschäden bei den Flirt-Regiozügen auf Ihr Unternehmen los und verlangen Schadenersatz. Wie gross ist Ihr Ärger?
Es finden Gespräche statt. So, wie wir in der Vergangenheit Probleme miteinander gelöst haben, werden wir auch diese lösen. Eine Stärke von Schweizer Unternehmen ist, dass man partnerschaftlich miteinander umgeht – selbst wenn man in Einzelpositionen andere Meinungen vertritt. Ich bin guter Dinge, dass wir diese Sache bald hinter uns bringen.

Stadler hat den Giruno nach dem Zuschlag durch die SBB in nur 23 Monaten auf die Schiene gebracht, während der Weltkonzern Bombardier sich mit dem Doppelstock-Intercity seit Jahren abmüht. Was macht Stadler anders?
Es hilft sicher, dass in unserem mittelständisch geprägten Unternehmen alle Entscheidungen bewusst am jeweiligen Produktionsstandort gefällt werden. Beim Giruno geschieht dies hier in Bussnang. Einkauf, Projektmanagement, Engineering: Alle Fäden, die diesen Auftrag betreffen, laufen im Thurgau zusammen. Viele Zulieferer stammen zudem aus der Umgebung. Wir können so rasch reagieren, das ist ein grosser Wettbewerbsvorteil. Die Schweizer Industrie ist extrem leistungsfähig.

Blick in die Produktion des neuen "EC 250 Giruno" der Stadler Rail Group, anlaesslich der Jahresmedienkonferenz am Montag, 13. Juni 2016 in Bussnang. Der Schienenfahrzeughersteller Stadler R ...
Der Giruno wird im Stadler-Werk Bussnang produziert. Bild: KEYSTONE

In Frankreich wäre es kaum denkbar, dass die Staatsbahnen ihre Züge bei ausländischen Unternehmen bestellen. Wäre es nicht sinnvoll für das Bahnsystem Schweiz, wenn die SBB heimische Hersteller bevorzugen müssten?
Eine Zugsbestellung soll das Ergebnis eines fairen Wettbewerbs sein. Kurzfristig wäre es für uns vielleicht gut, wenn die SBB nur noch national einkaufen würde. Langfristig schadet dies aber der Wettbewerbsfähigkeit. Das sieht man bei jeder Industrie, die sich wirtschaftlich abgeschottet hat.

Stadler ist weiter auf Wachstumskurs und beschäftigte 2018 weltweit 7600 Angestellte. Nun haben Sie ein Milliarden-Angebot für Intercity-Züge und Loks in Taiwan eingereicht. Wo liegen die Grenzen der Expansion?
Es ist sicher schwierig, ohne ein eigenes Werk vor Ort von Europa aus Züge nach Taiwan zu liefern. Eine Expansion nach Asien ist für uns kein Muss. Unser Fokus in Übersee liegt derzeit auf den USA. So bauen wir momentan die ersten Doppelstock-Züge für die kalifornische Caltrain, welche im Silicon Valley verkehren werden.

Zur Person
Der 49-jährige ETH-Ingenieur Thomas Ahlburg studierte an der ETH Zürich. Vor seinem Wechsel arbeitete er für Bombardier als Werkschef in Görlitz und und bei MT Aerospace, wo er das Raketenprojekt Ariane 5 vorantrieb. Er lebt mit seiner Frau und seinem Sohn (8) in Kreuzlingen.

In Salt Lake City hat Stadler erst vor wenigen Monaten ein Werk eröffnet. Ist dies eine Reaktion auf die Abschottungs-Politik von Donald Trump?
Bei Aufträgen, bei welchen US-Bundesgelder fliessen, muss tatsächlich zwischen 60 bis 70 Prozent der Wertschöpfung von Zügen in Amerika erfolgen. Dies ist ein Grund, weshalb wir in den USA ein eigenes Werk gebaut haben. Der «Buy-America-Act» ist jedoch keine Erfindung von Trump. Die USA ist zwar kein Bahnland. Aber auch die Amerikaner haben inzwischen gemerkt, dass sie das Wachstum in den Ballungszentren ohne ÖV nicht mehr bewältigen können. So etwa in Dallas, wo beispielsweise Züge von uns zum Flughafen fahren.

In der Zugsbranche tobt ein globaler Konkurrenzkampf. Der chinesische Hersteller CRRC hat Ihnen in Osteuropa bereits Aufträge abgejagt. Sind die Chinesen eine Bedrohung für Stadler?
CRRC hat bis jetzt erst einmal einen Auftrag in Tschechien gewonnen, für den wir auch ein Angebot gelegt hatten. Wir haben Respekt, aber als eine Bedrohung sehe ich CRRC nicht an. Züge müssen für jedes einzelne Land sehr spezifische Anforderungen erfüllen, die Skaleneffekte in unserer Branche sind gering. Man kann die standardisierten chinesischen Modelle nicht ohne weiteres in Europa auf die Schiene stellen. Viele europäische Hersteller haben sich da ein Wissen angeeignet, das nicht einfach so zu kopieren ist. Weiter vergleiche ich eine Zugsbeschaffung mit einer Ehe. Wenn Sie ein Fahrzeug kaufen, sind Sie bis zu 40 Jahre mit dem Zug und dem Hersteller «verheiratet». Da überlegen Sie zweimal, mit wem Sie diese Bindung eingehen wollen.

Die EU hat kürzlich die Fusion zwischen den europäischen Bahnriesen Siemens und Alstom untersagt – trotz der mächtigen Chinesen. Haben Sie in Ihrem Büro die Champagner-Korken knallen lassen?
Wenn, dann hätte ich einen Weisswein aufgemacht. Aber dazu gibt es keinen Grund. Für uns wäre eine Fusion eigentlich ganz interessant gewesen. Weil so Siemens und Alstom für einige Zeit in hohem Masse mit sich selber beschäftigt gewesen wären. Der Flugzeughersteller Airbus musste nach dem Zusammenschluss viele Schmerzjahre durchleben, bevor das Konstrukt einigermassen funktionierte.

Wie lange kann sich Stadler einen Alleingang noch leisten?
Wir sind als mittelständisches Unternehmen erfolgreich. Bei uns arbeiten über 1400 Ingenieure, wir sind sehr stark bei Eigenentwicklungen. Bei grossen Ausschreibungen wie beispielsweise der S-Bahn Beschaffung in Berlin kann eine Zusammenarbeit mit einem Konsortium Sinn machen. Ansonsten sehe ich aber keine Notwendigkeit, uns an eine vermeintlich starke Schulter anlehnen.

Peter Spuhler, links, VR - Praesident Stadler Rail AG und Thomas Ahlburg, rechts, CEO an der Jahresmedienkonferenz in Bussnang am Freitag, 15. Juni 2018. (KEYSTONE/Walter Bieri)
Peter Spuhler (links) und Thomas Ahlburg ringen um die beste Lösung. Bild: KEYSTONE

Der Börsengang ist also momentan kein Thema?
Das ist eine Option, nicht mehr und nicht weniger.

Steht Börsengang unmittelbar bevor?

Offiziell sagt Ahlburg im watson-Interview nichts zum Börsengang. Wie die Handelszeitung schreibt, steht dieser aber nun unmittelbar bevor. Schon am Dienstag, an der Stadler-Rail-Jahrespressekonferenz, könnte der Gang an den Kapitalmarkt skizziert werden. Anfang Jahr habe Peter Spuhler bei den wichtigen Schweizer Assetmanagern Präsentationen absolviert, derzeit rede man mit Investoren, um ihren Kaufappetit zu testen.

Sprechen wir über Ihre Person. Sie haben Anfang 2018 den Chefposten von Peter Spuhler übernommen. Wie funktioniert das?
Peter Spuhler setzt als Eigentümer und Verwaltungsratspräsident weiter Eckpunkte, beispielsweise was die Strategie des Unternehmens betrifft. Ich habe die operative Führung inne. Diese Aufgabenteilung funktioniert sehr gut.

Sie sind beide starke Charaktere. Geraten Sie sich auch mal in die Haare?
Nein, da fällt mir kein Ereignis ein. Wir sind zwar nicht bei allen Dingen gleicher Meinung und ringen manchmal um die beste Lösung. Die gemeinsame Richtung stimmt aber. Wir haben beide ein sehr hohes Interesse daran, den Werkplatz Schweiz zu erhalten.

Was passiert mit Stadler Rail, wenn Spuhler kürzer tritt? Immerhin ist er schon 60 Jahre alt.
Er hat bereits sein Amt als CEO an mich abgetreten. Als VR-Präsident wird er weiter sehr aktiv bleiben. Ich sehe nicht, dass es mittelfristig zu einer Änderung kommt. Sowieso hängt die Firma nicht von einer einzelnen Person ab.

ARCHIVBILD ZUM RUECKTRITT VON PETER SPUHLER ALS CEO VON STADLER RAIL, AM MITTWOCH, 20. SEPTEMBER 2017 - Stadler-CEO Peter Spuhler, aufgenommen anlaesslich des Roll-Outs des neuen Hochgeschwindigkeitsz ...
Als VR-Präsident gibt Peter Spuhler bei Stadler weiter die Richtung vor. Bild: KEYSTONE

Stichwort Werkplatz Schweiz. Wie stehen Sie zum Rahmenabkommen mit der EU?
Dazu habe ich natürlich eine Meinung. Diese will ich aber erst kundtun, wenn ich die Schweizer Staatsbürgerschaft erhalten habe. Den Antrag habe ich bereits gestellt.

«Ich schlafe bis acht Stunden. Und stehe um 5.15 Uhr auf»

Warum wollen Sie sich einbürgern lassen?
Ich lebe mit meiner Familie seit sieben Jahre in der Schweiz und wir fühlen uns in Kreuzlingen sehr wohl. Zudem habe ich an der ETH Zürich studiert. Bei Wahlen und Abstimmungen habe ich meine Meinung. Als interessierter Bürger möchte man sich nach einer gewissen Zeit natürlich daran beteiligen können. Wenn man sich in einem Land integriert fühlt, will man abstimmen können.

Also haben Sie als Wirtschaftsführer das Beitrittsformular für die FDP schon ausgefüllt?
Diese Frage lassen wir mal noch aussen vor. ​

Viel Zeit für Politik dürften Sie kaum haben. Wie viele Stunden arbeiten Sie pro Woche für Stadler Rail?
Auf eine 60-Stunden-Woche komme ich sicher.

Und wie viel schlafen Sie?
Ich gehe früh ins Bett und komme auf sechs bis acht Stunden Schlaf. Um 5.15 Uhr stehe ich auf und gehe früh ins Büro oder joggen. Anfang April laufe ich einen Marathon, da muss ich noch einige Kilometer abspulen. Ich bin kein guter Läufer, mache es aber sehr gerne.

«Akku-Züge sind ein grosser Trend»

Blicken wir nach vorne: Inzwischen gibt es bereits erste Versuche mit selbstfahrenden Zügen. Wie sieht der Zug der Zukunft aus?
Der Automatisierungsgrad wird zunehmen. Wenn das Fahrzeug frühzeitig weiss, wo es stoppen muss, fahren die Züge viel energieeffizienter. Zudem steigt bei selbstfahrenden Zügen die Kapazität auf der Strecke, da kleinere Abstände zwischen den Zügen möglich sind. Dorthin geht eindeutig der Trend.

Sie sagten einst, bei Stadler gebe es keinen Stillstand. Sie haben den Giruno fertiggestellt. Was ist das «next big thing»?
Es gibt kein einzelnes «next big thing». Aber das Thema «Zero Emission» ist sicherlich ein grosser Trend. Ob in Holland, England oder Deutschland: Längst sind noch nicht alle Eisenbahnstrecken elektrifiziert. Wir arbeiten intensiv an Zügen mit Akku- oder Brennstoffzellen.



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32 Kommentare
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Triple A
15.03.2019 10:15registriert November 2018
Gute Produkte, Schweizer Standort und Arbeitsplätze, Mut zum Alleingang und eine positive Zukunftseinstlung. Unternehmertum der alten Schule! Chapeau!
26022
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Stiggu LePetit
15.03.2019 09:33registriert Juni 2018
Der Giruno sieht geil aus!
937
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José Santacruz Londoño
15.03.2019 09:41registriert März 2018
sympathischer Typ
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