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Es ist ein prächtiges Haus, indem das «unternehmen mitte» mitten in Basel untergebracht ist. Unten ein Café, das grösste der Schweiz, darüber ein Restaurant sowie Büros, in denen Leute aus der Kreativ-Branche arbeiten. Etwas erhöht, hinter dem Café, befindet sich seit Anfang Jahr zudem das Kampagnen-Labor der Initianten für das Bedingungslose Grundeinkommen.
Früher wechselten hier, wo jetzt Kaffee geschlürft, an Laptops gearbeitet oder einfach Pause gemacht wird, grosse Geldscheine die Besitzer. Damals stand an diesem Ort die Schalterhalle der Schweizerischen Volksbank. Dass der Prunk, die teilweise goldfarbenen Wände, nicht zur Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens passen sollen, verstehen die beiden Gründer der Initiative nicht. Daniel Häni und Enno Schmidt sagen, die Farbe des Bedingungslosen Grundeinkommens sei Gold wie die Sonne, weil jeder Mensch einen Reichtum an Fähigkeiten habe und sie dagegen seien, den Leuten dies abzusprechen.
Alain Berset hat kürzlich gesagt, die Idee des BGE sei interessant, aber es bestehe die Gefahr, dass die Arbeitsanreize dann gering seien. Hat er recht?
Daniel Häni: Wir haben eine repräsentative Umfrage durchgeführt und gefragt, wie viele Schweizerinnen und Schweizer aufhören würden zu arbeiten, wenn es ein Bedingungsloses Grundeinkommen für alle gäbe. Nur gerade zwei Prozent haben mit Ja geantwortet. Ich konnte deshalb mit guten Gründen zu Bundesrat Berset antworten: Eigentlich ist es ein Skandal, dass die Regierung uns, der Bevölkerung unterstellt, wir würden nicht mehr arbeiten wollen, wenn für die Existenz gesorgt wäre. Berset und viele unserer Gegner haben anscheinend Angst vor selbstbestimmten Bürgern. Jedenfalls hegen sie Misstrauen.
Worum geht es beim BGE denn wirklich?
Enno Schmidt: Die Initiative stellt zwei Fragen. Erstens: Was würdest du machen, wenn dein Einkommen gesichert wäre? Und zweitens: Bist du bereit, deinen Mitmenschen zuzutrauen, von Auflagen und Bedingungen frei zu sein, was die Existenzgrundlage angeht? Daraus ergibt sich die Hauptfrage: Was ist deine Motivation zur Arbeit? Ist deine Arbeit wirklich das, was du tun willst? Arbeit ist Leben. Gehört dir deine Arbeit? Gehört sie jemand anderem?
Das tönt reichlich abgehoben ...
Schmidt: Nun, durch das Bedingungslose Grundeinkommen könnten Menschen mehr das arbeiten, was sie wirklich wollen. Dadurch müssten sie mehr Eigenverantwortung übernehmen und das kann die Leistung steigern. Muss man hingegen eine Arbeit machen, die man nicht aus sich heraus will, was heute oft der Fall ist, fühlt man sich weniger verantwortlich und ist dementsprechend weniger produktiv. Im Kern geht es um die Verantwortlichkeit der Menschen.
Das klingt immer noch ein bisschen philosophisch. Können wir einen Gang zurückschalten? Sie reden jetzt beide oft von der Arbeit. Ist es denn nicht so, dass Ihr durch die Initiative den Leuten die Arbeit wegnehmt?
Schmidt: Dieses Missverständnis wundert mich immer wieder. In der Schweiz gibt es doch eine Arbeitsethik. Unsere Initiative sagt doch mit keinem Wort, dass die Menschen nicht mehr arbeiten sollen. Sie sagt: Lasst den Sockel der Einkommen bedingungslos sein, damit wir freier leisten können. Erst brauchst du ein Einkommen, dann kannst du arbeiten. Wir gehen von der Freiheit aus.
Häni: Und hier wird offensichtlich, worum es geht. Nämlich um eine Machtumverteilung. Es geht um das Menschlichste der Welt: Selber bestimmen zu können, was ich tue. So wie man einmal den Adel abschaffen musste, damit Leistung möglich war, so muss man heute den «Besitzstand der richtigen Meinung über die Anderen» abschaffen. Es geht darum, unnötige und leistungshemmende Bedingungen aufzugeben. Die Frage «Was würdest du arbeiten, wenn für dein Einkommen gesorgt wäre?» führt die Verantwortung mehr in die Hand der Einzelnen.
Das klingt jetzt aber, als wollt ihr die Leute zu noch mehr Arbeit verdammen.
Schmidt: Nicht verdammen, eher befreien. Mit Leistung meinen wir nicht Stress oder zeitlich mehr Arbeit, sondern persönliche Qualität. Die Wirtschaft verlangt heute Wachstum, Wachstum, Wachstum. Das ist wie Krebs. Ständiges Wachstum gibt es nur als Krankheit. Und dieses ständige Wachstum wird für unsere Gesellschaft, für unseren Globus, immer mehr zur Krankheit. Deshalb müssen wir jetzt hinschauen und uns fragen, was womit zusammenhängt. Wie hängen wir alle zusammen? Was sind die Aufgaben?
Ja, wie denn? Wie hängen wir zusammen?
Schmidt: Unsere Aufgaben sind heute eben viel stärker im Sozialen, im Kulturellen, in Innovationen. Neue Unternehmensformen, soziale Unternehmensformen, das ist immer auch ein Blick auf die ganze Welt; auf Kriege, auf Klima-Katastrophen, auf Flüchtlingsströme. Wir müssen unser Bewusstsein auseinander falten. Wir leben von dieser Welt. Deshalb haben wir für diese Welt auch eine gewisse Verantwortung. Das ist das, worum es uns gehen muss.
Alleine sind Sie mit diesen Ansichten nicht. Allerdings sind der Bundesrat und sämtliche Parteien gegen Ihre Initiative. Kritiker sagen, Sie seien romantische Träumer. Was sagen Sie dazu?
Schmidt: Es ist im Gegenteil ziemlich verträumt und romantisch, zu meinen, es ginge einfach so weiter, wie es jetzt ist. Ebenso ist es eine Illusion zu meinen, das Grundeinkommen käme nicht. Es kommt. Die Frage ist nur wann und mit welchen Intentionen. Es sollte nicht als blosse Sparmassnahme kommen und nicht als automatische Folge der Automatisierung. Die Frage geht an die Menschen
Wenn es jetzt keine Sparmassnahme wäre, was dann?
Häni: Wir stehen vor den Toren der 4. industriellen Revolution. Der Tesla ist ein Symbol dafür. Alles, was wir berechnen können, das muss nicht mehr vom Menschen gemacht werden. In welche Richtung müssen wir die Menschen also ausbilden? Im Bereich des Unberechenbaren. Die Menschen sind dort gefragt, wo sie sich von den Maschinen unterscheiden. Sie werden das tun, was die Maschinen nicht können. Darauf sollten wir jetzt reagieren und nicht erst, wenn wir müssen.
Das sieht man doch auch so ...
Häni: Ja, aber jetzt können wir noch zusammen debattieren, in was für einer Gesellschaft wir in Zukunft leben wollen. Das Bedingungslose Grundeinkommen könnte ein Schlüssel sein, die Gesellschaft als Ganzes zu stärken. Aber dafür müssen wir etwas tun. Bedingungsloses Grundeinkommen heisst: Traue den anderen mehr zu und zeige, was du selber gut kannst. Das ist anstrengender als einfach auf seinen alten Meinungen vor sich hinzutreten und seine Arbeit zu machen, wie es einem gesagt wird.
Schmidt: Das Bedingungslose Grundeinkommen ist in Wahrheit eine Initiative gegen Faulheit. Ich glaube, Ideale wie gehorsamer Fleiss sind abgelaufen. Wir brauchen Kreativität und Eigenverantwortung statt Gehorsam. Dafür ist jetzt die Zeit.
Sie sagen, die Zeit ist reif für das Bedingungslose Grundeinkommen. Aber warum hier? Müsste nicht das Silicon Valley damit anfangen?
Häni: Nein, die Schweiz ist der perfekte Ort dafür, wegen der Direkten Demokratie. Mit der Lancierung der Initiative, mit Aktionen wie der Ausschüttung eines Lastwagens voller Fünfräppler auf dem Bundesplatz, erregten wir viel Aufmerksamkeit und zwar weltweit. Unter anderem schrieb die «New York Times» mehrfach darüber. Das ist nicht einfach nur eine Abstimmung für die Schweiz. Das ist eine weltweite Bewegung. In Finnland hat man Pilotprojekte beschlossen, in den Niederlanden ist man daran und am World Economic Forum war es dieses Jahr grosses Thema. Aber im Gegensatz zu anderen Ländern, können wir in der Schweiz dank der fortschrittlichsten Demokratie der Welt die Bürger über die Idee abstimmen lassen.
Spricht man mit Ihnen über das Bedingungslose Grundeinkommen, reden Sie von Zukunft, von Systemwechsel, von den ganz grossen Fragen. Verstehen die Schweizer das? Ist Ihre Initiative nicht etwas elitär?
Schmidt: Erstens: Unterschätzen sie das Stimmvolk nicht. Und zweitens: Man darf auch mal etwas wagen, das die Menschen herausfordert. Auf die Frage, ob wir elitär seien, sage ich: Elitär ist auch herausfordernd, jeder Mensch ist elitär. Lasst uns mal mehr Wertschätzung füreinander haben. Direkte Demokratie ist auch elitär. Sie traut nämlich jedem zu, selber zu urteilen. Die Schweiz fährt gut damit, die Menschen elitär zu behandeln.