Die Zahl ist schwindelerregend hoch: 1792 Milliarden Franken Vermögen horteten Ende 2015 alle Schweizer Haushalte zusammen. Das entspricht 215166 Franken pro Einwohner, wie die Eidgenössische Steuerverwaltung am Montag mitteilte. Noch im Jahr 2003 besassen die Schweizer erst gut 1000 Milliarden Franken. Die Hauptgründe für den markanten Zuwachs sind der gestiegene Wert der Immobilien und die Entwicklung an der Börse, wie Reto Föllmi, Volkswirtschaftsprofessor an der Universität St. Gallen, sagt.
Die kantonalen Unterschiede sind frappant (siehe Grafik). Mit 718'473 Franken pro Einwohner stehen Schwyz an der Spitze, gefolgt von Nidwalden (677'401) und Zug (492'311). Die Reichsten bevorzugen also ein mildes Steuerklima: Die «ärmsten» Schweizer wohnen in den Kantonen Freiburg (99'099), Jura (100'762) und Solothurn (101'708).
Die Vermögen sind auch ungleicher verteilt als 2003. Etwas mehr als die Hälfte der in der Schweiz wohnhaften Personen weist ein Vermögen von weniger als 50000 Franken auf, ein Viertel gar keines. Knapp 6 Prozent besitzen mehr als eine, 0.28 Prozent oder 14803 Personen mehr als 10 Millionen Franken. Überdurchschnittlich stark gewachsen sind die Vermögen unter anderem in Schwyz, Obwalden, Uri, Nidwalden und Graubünden.
Die Vermögensverteilung erwies sich in den vergangenen 100 Jahren als sehr konstant, wie Föllmi in einem aktuellen wissenschaftlichen Artikel aufzeigt. Aktuell besitzt ein Prozent rund 40 Prozent des Gesamtvermögens. Dieser Wert ist rund doppelt so hoch wie in Frankreich und England. Ein Grund für die im internationalen Massstab hohe Ungleichheit ist die Attraktivität der Schweiz für multinationale Unternehmen und Topverdiener. Oder anders formuliert. Wenige «Superreiche» hängen mit ihrem Vermögen den Rest immer stärker ab. Das gleiche Phänomen lässt sich bei den Einkommen beobachten. Aber auch dort sind die Verhältnisse in den letzten 100 Jahren sehr konstant geblieben. Und im internationalen Vergleich sind die Löhne in der Schweiz überdurchschnittlich gleich verteilt.
Ist die tendenziell wachsende Vermögenskonzentration ein Problem? Zunächst relativiert Föllmi den Befund. Der Grund: In der Vermögensberechnung sind die Gelder der zweiten und dritten Säule der Altersvorsorge ausgeklammert. Wenn man diese Beträge anrechne, rücke die Schweiz im internationalen Vergleich bei der Vermögenskonzentration von der Spitze ins Mittelfeld.
Für Föllmi stellt die leicht steigende Vermögensungleichheit kein Problem dar, solange sie die soziale Mobilität und die Chancengleichheit nicht beeinträchtigt. «Dafür sehe ich zurzeit noch wenig Anzeichen», sagt der Volkswirtschaftsprofessor. Mit anderen Worten. Talente können sich hierzulande auch ohne vermögende Eltern nach oben kämpfen - weil auch ihnen staatliche Dienstleistungen wie Bildung offen stehen.
Daniel Lampart, Chefökonom beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund, hingegen ortet eine Reihe von Schwierigkeiten. Reiche Eltern könnten ihren Kindern zum Beispiel eine bessere Ausbildung ermöglichen. Und:
Menschen mit hohem Vermögen können mehr Einfluss auf Politik und Wirtschaft ausüben.
Lampart plädiert dafür, die Vermögen künftig stärker zu besteuern.
2015 bescherten die Vermögenssteuern den Kantonen und Gemeinden 6.6 Milliarden Franken Steuereinnahmen - 2.2 Milliarden mehr als noch 2003.