Schweiz
Zürich

Illegale Partys: Die Polizei zwischen Kuscheljustiz und Unverhältnismässigkeit

Hier unter der Kornhausbrücke wurde am Samstag eine Party gefeiert.
Hier unter der Kornhausbrücke wurde am Samstag eine Party gefeiert.bild: keystone

Warum die Polizei eine illegale Party laufen liess – und jetzt Ärger mit der Politik hat

Die illegalen Partys im Sommer stellen die Polizisten der Schweiz vor ein Dilemma. Werden die Ansammlungen gewaltsam aufgelöst, ist es unverhältnismässig. Wird ihnen stattgegeben, erklingt schnell der Vorwurf der Kuscheljustiz.
27.06.2017, 09:3128.06.2017, 07:55
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Am Samstagabend tanzten mehrere hundert Personen unter der Kornhausbrücke in Zürich bis in die frühen Morgenstunden zu lautem Techno. Die Polizei verzichtete trotz mehrerer Lärmklagen von Anwohnern darauf, die unbewilligte Party aufzulösen. «Aus Gründen der Verhältnismässigkeit», sagt Judith Hödl, Mediensprecherin der Stadtpolizei Zürich.

Das passt nicht allen. Das Präsidium der BDP Zürich beschwert sich auf Twitter über mangelnde Rückendeckung aus der Politik. Auch SVP-Gemeinderat Roger Liebi kritisiert den Entscheid der Polizei. «Wer die Bewilligungspraktik missachtet, muss mit den Konsequenzen leben», sagt Liebi zu watson. «Die Einschüchterung der Veranstalter solcher illegalen Partys hat anscheinend gewirkt.»

Ganz anders vor einem Jahr: Im September löste die Stadtpolizei mit einem grösseren Aufgebot an fast der gleichen Stelle eine Party auf. Partygänger bewarfen die Polizisten daraufhin mit Flaschen und Steinen, zwei Beamte wurden verletzt. 

Einige Besucher fielen in die Limmat und wegen einer Baustelle kam es zusätzlich zu Platzproblemen. Trotzdem setzte die Polizei Gummischrot, Wasserwerfer und Reizgas ein. «Unverhältnismässig», meinten viele linke Politiker. 

Wie soll die Polizei mit illegalen Partys umgehen?

Die Gemeinderätinnen Ursula Näf und Linda Bär (beide SP) hatten kurz nach dem Einsatz eine Anfrage zur Klärung der Verhältnismässigkeit des Einsatzes eingereicht. «Das war damals schon sehr extrem», ist Näf weiterhin überzeugt. Näf ist froh, dass die Polizei am Samstag «einen anderen Weg ging, als im letzten September».

Also stecken die Beamten, wenn es um den Umgang mit illegalen Partys geht, in einem Dilemma. Wenn sie sich für einen Eingriff entscheiden, wird die Verhältnismässigkeit angezweifelt, wenn sie wie letzten Samstag darauf verzichten, kommt der Vorwurf der «Kuscheljustiz». 

Nicht nur in Zürich sorgen solche Partys für Ärger: «Auch die Kantonspolizei Basel-Stadt befindet sich diesbezüglich in einem Spannungsfeld», sagt Toprak Yerguz, Mediensprecher des Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt.

Klassische Nutzungskonflikte

Das Vorgehen der Polizei vom Samstag soll aber kein Freipass für weitere solche Partys sein, wird im Communiqué der Stadtpolizei klargestellt. «Die Anwohner haben auch ein Anrecht auf Nachtruhe», sagt Hödl. Die Einsatzleiter würden bei jedem Einsatz neu über einen Eingriff entscheiden.

Die Polizei sei in den letzten Wochen zu vier kleineren Partys ausgerückt. Diese konnten aber jeweils friedlich beendet oder verhindert werden. «In diesem Ausmass war das diesen Sommer die erste Party», sagt Hödl.

Grundsätzlich handelt es sich bei solchen Partys um klassische Nutzungskonflikte in den Städten. Um solchen Konflikten vorzubeugen, wurde 2012 extra ein eigenes Bewilligungsverfahren eingeführt: Die sogenannte «Jugendbewilligung für Outdoor-Partys im öffentlichen Raum». 

«Jugendbewilligung» ist nicht optimal

Zürcherinnen und Zürcher zwischen 18 und 25 Jahren können bis zu acht Tage vor einer Outdoor-Party bei der Stadt ein Gesuch einreichen. Dies kostet 100 Franken, die Party darf nicht kommerziell sein und der Ort muss geeignet sein.

«Diese Bewilligung ist grundsätzlich ein gutes Mittel, solchen Konflikten vorzubeugen», sagt Näf. Doch die Altersbeschränkung, die 100 Franken Gebühr und die Einschränkungen, was den Ort betrifft, seien nicht ideal. «Unter der Kornhausbrücke würde die Stadt also keine solche Party bewilligen, deshalb wird sie illegal durchgeführt.»

ARCHIVBILD ZUR SONDERDEBATTE DES BERNER STADTRATES ZU DEN KRAWALLEN IN DER REITSCHULE, AM DONNERSTAG, 02. FEBRUAR 2017 ---- Polizei bei der Reitschule in Bern nach einer Demonstration, am Samstag, 25. ...
Auch in Bern gibt es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Besuchern unbewilligter Events.Bild: KEYSTONE

Bei der Stadtpolizei hingegen ist man glücklich über dieses Mittel. «Die jungen Leute halten sich meist an die Vorgaben und auch aus der Bevölkerung kommen meist positive Signale», sagt Hödl.

Das Problem der illegalen Partys scheint damit aber nicht umfassend gelöst zu sein. Die Einsatzleiter der Polizei werden also weiterhin vor Ort entscheiden müssen, ob eine Party aufgelöst wird oder nicht und wen sie damit verärgern.

Die illegale Party in der Binz:

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Binz-Besetzung
Kurz danach trat die Polizei mit einem Grossaufgebot an und sperrte das Binz-Areal ab.
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33 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Madison Pierce
27.06.2017 11:01registriert September 2015
Soll man keine Busse bekommen wegen einer halben Stunde zu lang parkieren, wenn der Parkplatz zudem zu 90% leer ist? Da wird konsequent gebüsst, auch der Rechtsgleichheit willen.

Meine Meinung ist, dass man das Recht flexibel auslegen soll, solange niemand gestört wird. Wo kein Kläger, da kein Richter. Die Polizei soll nicht proaktiv nach kleinen Vergehen suchen.

Wenn der Staat aber anfängt, die Rechte von Leuten bewusst nicht zu schützen, obwohl die Polizei von Betroffenen dazu aufgefordert wird, ist es heikel.
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gnp286
27.06.2017 11:36registriert Oktober 2016
Sonst geht doch mal mit ein paar fetten Lautsprechern und Scheinwerfern hin und spielt was aus dem Musikantenstadl... dann ist 100pro schnell die Laune vorbei :D
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Political Incorrectness
27.06.2017 13:07registriert Juni 2016
"In Ruhe lassen. Die Lage eskaliert ja erst durch die Präsenz der Polizei."
Genau. Weil:
Benzin brennt auch erst durch die Präsenz von Sauerstoff...
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