Die Zürcher Genossenschaft Kalkbreite hält auf einem Arbeitspapier festgeschrieben, wie die Vermietungskritierien für ihr neustes Bauprojekt aussehen sollen. Wie der TagesAnzeiger schreibt, liest sich dieses Dokument wie ein Kochrezept: Man nehme als Hauptzutaten 30 Prozent Bewohner mit tiefem Sozialstatus, 33 Prozent Ausländer, die «sicht-, les- und hörbar» anders sind, 20 Prozent, die mit dem Velo zur Arbeit fahren. Dann gebe man 5 Prozent Kinder mit alleinerziehenden Eltern dazu, 5 Prozent Arbeitslose, 5 Prozent Behinderte, 5 Prozent «LGBTIQ-Paare» sowie 1 Prozent Menschen mit «non-binärer Geschlechtsidentität».
Eine solche Durchmischung der Mieterschaft wünscht sich die Genossenschaft Kalkbreite für ihr neu entstehendes Zollhaus, eine Siedlung auf dem Areal zwischen der Langstrasse und dem Zürcher Hauptbahnhof.
Viele Bewerber fragen sich nun aber: Was geht es meinen Vermieter an, ob ich schwul bin? Oder: Wie soll denn überhaupt überprüft werden, welche sexuelle Orientierung ich habe?
Eine Siedlung, die bereits solche Umfragen durchgeführt hat, ist laut «TagesAnzeiger» der Kulturpark in Zürich-West. Vor drei Jahren mussten die dortigen Bewohner Fragen zu ihrer sexuellen Orientierung und ihrem allfälligen Migrationshintergrund in einer Umfrage beantworten. Schon damals sorgte dies für Kritik.
Im Artikel äussert der Mieterverband wenig Verständnis für solche Umfragen: Das sei trotz der ideellen Zielsetzung genauso falsch wie das Gegenteil, nämlich Wohnungen «nur für Schweizer» auszuschreiben. Hinzu komme, dass Bewerber folgenlos Falschangaben machen könnten, weil solche Informationen wegen des Datenschutzes gar nicht erhoben werden dürften.
Gegenüber dem «TagesAnzeiger» sagen die verantwortlichen Personen der Genossenschaft Kalkbreite, man sei sich bewusst, dass dies ein heikles Terrain sei. Vor allem, seit die städtische Politik Genossenschaften fördert, indem sie ihnen Land abtritt. Sie stünden unter besonderer Beobachtung, sagt Vorstandsmitglied Jonathan Kischkel: «Steuert man die Vermietung zu stark, entzündet sich der Unmut an detaillierten Kriterienkatalogen. Macht man aber zu wenig, folgt der Vorwurf, man vergebe günstige Wohnungen an Privilegierte.»
Kischkel sagt im Artikel weiter, dass bei der Befragung der potenziellen Mieter des Zollhauses weder die Privatsphäre noch der Datenschutz tangiert werden dürften – man wolle nicht in die gleiche Falle tappen wie seinerzeit der Kulturpark. Abgefragt werden sollen bei der Erstvermietung nur jene Angaben, die man abfragen darf. Zum Beispiel Einkommen oder Bildungsgrad.
Doch wie sieht die rechtliche Situation aus? Sie ist in der Schweiz im Unterschied zur EU weniger geregelt, sagt der Zürcher Universitätsprofessor Matthias Mahlmann im Artikel. Es sei umstritten, wie weit bestehende Diskriminierungsverbote auf den Wohnungsmarkt angewendet werden können, und zweitens, wie mit positiver Diskriminierung umzugehen sei. «Diskriminiere ich alle anderen, wenn ich den diskriminierten Bosnier bevorzugt behandle?», wirft Mahlmann im «TagesAnzeiger» die Frage auf. «Und wenn ja – unter welchen Umständen könnte eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein?» (sar)