Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung menstruiert. Und doch ist die Periode häufig noch ein schambehaftetes Thema, über das nicht offen gesprochen wird. Insbesondere nicht am Arbeitsplatz. Dies, obwohl die Menstruation nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Produktivität der Frauen hat, wie Studien zeigen.
Nun plant die Stadt Zürich diesem Umstand Rechnung zu tragen und einen Menstruationsurlaub zu testen.
Die Hintergründe:
Am Mittwoch wurde bekannt, dass sich der Stadtrat Daniel Leupi (Grüne) bereit zeigt, ein Pilotprojekt zum Menstruationsurlaub durchzuführen.
Mitarbeiterinnen der Stadt Zürich, die unter regelmässigen und starken Beschwerden leiden, sollen künftig einen bis fünf Tage pro Monat eine Dispens beantragen können – bei voller Bezahlung. Diese Forderung stellten zwei Gemeinderätinnen der Grünen in der Sitzung vom Mittwoch.
Neu ist die Diskussion nicht. 2014 forderte der britische Professor Gedis Grudzinskas, einer der renommiertesten Experten im Bereich Gynäkologie und Geburtshilfe, drei zusätzliche Krankheitstage für Frauen. Er trat damit in Europa eine kontroverse Debatte los, welche die Gemüter spaltete. Denn: Nicht alle Frauen wollen einen Menstruationsurlaub. So sagte etwa die Geschäftsführerin der Frauenzentrale St. Gallen, Jacqueline Schneider, damals zu watson:
Forderungen nach Menstruationsurlaub blieben in Europa ungehört, bis 2017 in Italien ein entsprechender Gesetzesentwurf vorgelegt wurde. Dieser scheiterte jedoch. Nicht so in Spanien: Dort wurde der Gesetzesentwurf zum Menstruationsurlaub im Mai dieses Jahres angenommen.
Die Stadt Zürich möchte dieses Konzept nun im Rahmen eines Pilotprojekts ebenfalls testen. Das Postulat wurde mit 66 zu 52 Stimmen angenommen.
Doch trotz der Annahme ist der Menstruationsurlaub in Zürich nach wie vor ein strittiges Thema. Ähnlich wie bereits Schneider vor acht Jahren befürchtet Susanne Brunner (SVP), dass Frauen mit einem solchen Gesetz in eine Opferrolle gedrängt würden.
Die Postulantin Anna-Béatrice Schmaltz (Grüne) ist anderer Meinung. Sie betont, dass nicht alle Frauen betroffen seien und dass es auch nicht darum gehe, Frauen allgemein schwach darzustellen.
Wie sehr sind denn Frauen bei der Arbeit tatsächlich von der Menstruation beeinträchtigt? Ein Blick auf zwei aktuelle Studien gibt Aufschluss:
In einer 2019 veröffentlichten niederländischen Studie wurden 32'748 Frauen zwischen 15 und 45 zu ihrer Produktivität während der Menstruation befragt. Laut der Studie musste fast jede siebte Frau (13,8 Prozent) schon wegen Menstruationsschmerzen der Arbeit fernbleiben. Jede 30. Frau fehlte fast während jedes Menstruationszyklus. Im Schnitt betrug die Arbeitsabwesenheit pro Frau 1,3 Tage pro Jahr. Wenn sich die Frauen krankmeldeten, nannte nur jede vierte Frau (20,1 Prozent) die Menstruationsbeschwerden als Grund.
Über 80 Prozent der befragten Frauen gaben an, trotz menstruationsbedingter Symptome zur Arbeit zu gehen, dabei aber weniger produktiv zu sein. Im Schnitt litt die Produktivität an 23,2 Tagen im Jahr, wobei der Produktivitätsverlust 30 Prozent betrug. Hochgerechnet beträgt der Gesamtproduktivitätsverlust 8,9 Tage pro Jahr.
Der niederländische Fragebogen eruierte auch, welchen Umgang sich die Frauen mit Menstruationsbeschwerden in der Schule oder am Arbeitsplatz wünschten. Dabei konnte zwischen mehreren Antwortmöglichkeiten ausgewählt werden:
67.7 Prozent der befragten Frauen wünschten sich mehr Flexibilität während der Periode. Darunter beispielsweise die Möglichkeit weniger körperliche Arbeit zu leisten (32,1 Prozent), von zu Hause aus zu arbeiten (39,5 Prozent), mehr Zeit für die Körperpflege zu haben (28,3 Prozent). 32,9 Prozent würde gerne einen ganzen Tag ohne Konsequenzen fehlen dürfen. 27,2 Prozent der Frauen hielt eine Änderung im Umgang mit der Periode nicht für notwendig.
Auch im ostafrikanischen Uganda wurde eine ähnliche Studie durchgeführt, die 2022 veröffentlicht wurde. Im Rahmen der Studie wurden in der Stadt Mukono 525 Frauen zu menstruellen Herausforderungen am Arbeitsplatz befragt. Ein grosser Teil der dort ansässigen Frauen arbeitet auf Märkten, weshalb 435 der 525 befragten Frauen Marktarbeiterinnen repräsentierten. 45 Frauen arbeiteten im Gesundheitssektor, 45 als Lehrerinnen.
Auffällig bei dieser Studie sind die unterschiedlichen Resultate je nach Arbeitsort: Während ihrer Periode verpasste fast jede fünfte Frau die Arbeit auf dem Markt. Von den Arbeiterinnen im Gesundheitssektor fehlten während dieser Zeit fast jede achte, von den Lehrerinnen jede 45. Frau. Die Hälfte aller Frauen fehlte in der Regel einen Tag, wobei fast 80 Prozent Periodenschmerzen als Begründung nannten.
Zudem war insbesondere für die Marktarbeiterinnen der Zugang zu Menstruationsprodukten sowie zu adäquaten sanitären Einrichtungen ein Problem. So würde es fast jede zweite Marktarbeiterin bevorzugen, während ihrer Menstruation nicht arbeiten zu müssen. Bei den Arbeiterinnen im Gesundheitssektor wünschte sich das jede fünfte, bei den Lehrerinnen jede zehnte Frau.
Am 17. Mai wurde in Spanien ein Gesetzesentwurf verabschiedet, welcher Frauen Menstruationsurlaub zuspricht. Noch in keinem anderen Land in Europa gibt es ein vergleichbares Gesetz. In dieser Hinsicht hinkt Europa dem asiatischen Raum hinterher.
Dort gibt es nämlich bereits seit längerem Regelungen, was den Menstruationsurlaub betrifft. In Japan dürfen die Frauen bereits seit 1947 einen freien Menstruationstag pro Monat beziehen. Sie müssen allerdings nicht dafür bezahlt werden. Wurde dieses Angebot kurz nach der Einführung noch von etwa 26 Prozent von angestellten Frauen genutzt, sank diese Zahl gemäss einer Umfrage 2017 auf 0,9 Prozent zurück. Zu gross sei die Scham, bei den Arbeitgebenden den Menstruationstag einzufordern.
Auch in Südkorea besteht diese Regelung, dort wird sie laut einer Umfrage aus dem Jahr 2017 von 19,7 Prozent aller angestellten Frauen genutzt.
In Indonesien erhalten die Frauen seit 2003 zwei Tage bezahlte Menstruations-Absenz. Viele Arbeitgebende erlauben allerdings nur einen Tag, andere gar keinen. Entweder, weil sie das Gesetz nicht kennen, oder weil sie es bewusst umgehen.
Das Gesetz in Taiwan erlaubt den Frauen drei Menstruation-Absenzen pro Jahr, wobei maximal ein Tag pro Monat bezogen werden kann. Wie bei einer normalen Krankschreibung erhalten sie dann nur die Hälfte ihres Lohns.
In Sambia dürfen die Frauen während ihrer Periode einen Tag freinehmen. Ein ärztliches Zeugnis ist dafür nicht notwendig.
Aha? Hab ich da was verpasst oder seit wann menstruieren Seniorinnen und Mädchen auch?