Anfang September 2019 zogen Asylsuchende aus, Ende Oktober Aktivistinnen und Aktivisten ein. Nachdem die Asylorganisation AOZ auf dem Juch-Areal fünf Jahre lang einen Testbetrieb für beschleunigte Asylverfahren unterhielt, wollten die neuen Bewohnerinnen und Bewohner der Barackensiedlung für das pure Gegenteil stehen: Für kollektive und offene Räume, Selbstbestimmung und Solidarität. «Wir sind hier, wir bleiben hier», schrieben sie nach ihrer Besetzung in einer Mitteilung.
Damit soll jetzt Schluss sein. Nachdem die Stadt Zürich die Besetzung vorerst toleriert hatte, setzt sie jetzt den Aktivistinnen und Aktivisten eine ultimative Frist: Bis kommenden Freitag müssen sie das Juch-Areal räumen. Am Montag, 27. April, würden die Bagger auffahren, heisst es im Schreiben, das auf den 20. April datiert ist.
Die Aktivisten wurden von dem Schreiben überrumpelt. Weder seien sie von der Stadt über die geplante Nutzung des Areals informiert worden, noch seien Bau- oder Abrissfreigaben vorgelegt worden, heisst es auf ihrer Webseite. «Das Sozialdepartement der Stadt Zürich will sich uns Besetzerinnen und Besetzer ohne die Gründe dafür ersichtlich zu machen, in einer Zeitspanne, mit kaum einzuhaltender Frist entledigen. Dies ist nicht nur in Zeiten von Corona, sondern immer absolut inakzeptabel.»
Derzeit würden «ein paar Dutzend Personen» in den Baracken auf dem Areal wohnen, lassen sie ausrichten. Ihr Zuhause sei das Juch-Areal und wenn es geräumt werde, gebe es keinen anderen Ort, wohin sie gehen könnten.
Luca Maggi, Zürcher Gemeinderat der Grünen, findet das Vorgehen der Stadt äusserst merkwürdig. «Die Stadt kommuniziert nicht einmal den Grund der Räumung. Normalerweise werden Besetzungen in Zürich erst dann geräumt, wenn ein konkretes Bauprojekt vorliegt. Im vorliegenden Fall schweige man sich aber darüber aus, was auf dem Areal entstehen soll.» Die Stadt spreche lediglich von baulichen Massnahmen, die getätigt werden müssten. Eine unzureichende Begründung, wie Maggi findet.
Auch der gewählte Zeitpunkt der Räumung erscheint dem Gemeinderat äusserst fragwürdig. «Mitten in der Corona-Krise und noch währenddessen die Stadt die Leute bittet, möglichst zu Hause zu bleiben, sollen die Bewohnerinnen und Bewohner auf die Strasse gestellt werden?» In einer Stadt mit diesen politischen Mehrheiten habe er anderes erwartet.
Dieses Vorgehen leuchtet nun wirklich von keiner Warte aus ein. pic.twitter.com/TYMUCAAx4L
— Luca Maggi (@LucaMaggiJG) April 21, 2020
«Es soll niemand auf die Strasse gesetzt werden», beschwichtigt Debora Komso, Sprecherin beim Sozialdepartement der Stadt Zürich. Die Besetzerinnen seien darüber informiert worden, dass die Stadt im Einzelfall bei der Suche nach einer Anschluss-Unterbringung Hilfestellung bieten würde. «Das städtische Hilfesystem zur Vermeidung von Obdachlosigkeit funktioniere auch während der aktuellen Coronavirus-Pandemie», so Komso.
Warum es jetzt so schnell gehen müsse, liege daran, dass die neue Mieterschaft das Areal fristgerecht im vereinbarten Zustand übernehmen könne. Um wen es sich bei dem neuen Mieter handelt, will Komso aber nicht sagen: «Details zur zukünftigen Nutzung geben wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt.» Klar sei, dass die AOZ das Areal in Zukunft nicht mehr nutzen werde und die neue Nutzung unmittelbar nach Beendigung der Abbrucharbeiten beginne.
Grünen-Politikerin und Mitglied des Zürcher Gemeinderats Elena Marti, findet die Argumentation der Stadt mangelhaft. Das mache sie misstrauisch. «Ich befürchte, dass man hier auf Vorrat etwas abreissen will, das noch längere Zeit sinnvoll genutzt werden könnte.» Vor dem Hintergrund, dass die Besetzerinnen und Besetzer des Juch-Areals soziale Strukturen aufgebaut haben, die gerade auch vulnerablen Personen zu Gute kommen, sei eine grundlose Räumungsandrohung durch das Sozialdepartement geradezu grotesk.
Weiter fragt sich Marti, wie sich die Behörden eine Räumung denn konkret vorstellen. «Die Sicherheitsmassnahmen des Bundes können dabei kaum eingehalten werden.» Für sie steht deshalb ausser Frage, dass jetzt nicht geräumt werden darf.
Mit welcher überheblichen Selbstverständlichkeit die Besetzer aber jeweils ihre vermeintlichen Rechte einfordern, kann manchmal schon etwas irritieren.
Fast schon traurig finde ich, dass es Politiker gibt, die das unterstützen.