Am Samstagabend tanzten mehrere hundert Personen unter der Kornhausbrücke in Zürich bis in die frühen Morgenstunden zu lautem Techno. Die Polizei verzichtete trotz mehrerer Lärmklagen von Anwohnern darauf, die unbewilligte Party aufzulösen. «Aus Gründen der Verhältnismässigkeit», sagt Judith Hödl, Mediensprecherin der Stadtpolizei Zürich.
Das passt nicht allen. Das Präsidium der BDP Zürich beschwert sich auf Twitter über mangelnde Rückendeckung aus der Politik. Auch SVP-Gemeinderat Roger Liebi kritisiert den Entscheid der Polizei. «Wer die Bewilligungspraktik missachtet, muss mit den Konsequenzen leben», sagt Liebi zu watson. «Die Einschüchterung der Veranstalter solcher illegalen Partys hat anscheinend gewirkt.»
Illegale Party in #Zürich , Polizei schaute zu (weil die pol. Mehrheit der @StadtpolizeiZH keine Rückendeckung gibt) https://t.co/rGfBivNEti
— Präsi BDP Stadt Züri (@praesiBDPStZH) 26. Juni 2017
Ganz anders vor einem Jahr: Im September löste die Stadtpolizei mit einem grösseren Aufgebot an fast der gleichen Stelle eine Party auf. Partygänger bewarfen die Polizisten daraufhin mit Flaschen und Steinen, zwei Beamte wurden verletzt.
Einige Besucher fielen in die Limmat und wegen einer Baustelle kam es zusätzlich zu Platzproblemen. Trotzdem setzte die Polizei Gummischrot, Wasserwerfer und Reizgas ein. «Unverhältnismässig», meinten viele linke Politiker.
Die Gemeinderätinnen Ursula Näf und Linda Bär (beide SP) hatten kurz nach dem Einsatz eine Anfrage zur Klärung der Verhältnismässigkeit des Einsatzes eingereicht. «Das war damals schon sehr extrem», ist Näf weiterhin überzeugt. Näf ist froh, dass die Polizei am Samstag «einen anderen Weg ging, als im letzten September».
Also stecken die Beamten, wenn es um den Umgang mit illegalen Partys geht, in einem Dilemma. Wenn sie sich für einen Eingriff entscheiden, wird die Verhältnismässigkeit angezweifelt, wenn sie wie letzten Samstag darauf verzichten, kommt der Vorwurf der «Kuscheljustiz».
Nicht nur in Zürich sorgen solche Partys für Ärger: «Auch die Kantonspolizei Basel-Stadt befindet sich diesbezüglich in einem Spannungsfeld», sagt Toprak Yerguz, Mediensprecher des Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt.
Das Vorgehen der Polizei vom Samstag soll aber kein Freipass für weitere solche Partys sein, wird im Communiqué der Stadtpolizei klargestellt. «Die Anwohner haben auch ein Anrecht auf Nachtruhe», sagt Hödl. Die Einsatzleiter würden bei jedem Einsatz neu über einen Eingriff entscheiden.
Die Polizei sei in den letzten Wochen zu vier kleineren Partys ausgerückt. Diese konnten aber jeweils friedlich beendet oder verhindert werden. «In diesem Ausmass war das diesen Sommer die erste Party», sagt Hödl.
Grundsätzlich handelt es sich bei solchen Partys um klassische Nutzungskonflikte in den Städten. Um solchen Konflikten vorzubeugen, wurde 2012 extra ein eigenes Bewilligungsverfahren eingeführt: Die sogenannte «Jugendbewilligung für Outdoor-Partys im öffentlichen Raum».
Zürcherinnen und Zürcher zwischen 18 und 25 Jahren können bis zu acht Tage vor einer Outdoor-Party bei der Stadt ein Gesuch einreichen. Dies kostet 100 Franken, die Party darf nicht kommerziell sein und der Ort muss geeignet sein.
«Diese Bewilligung ist grundsätzlich ein gutes Mittel, solchen Konflikten vorzubeugen», sagt Näf. Doch die Altersbeschränkung, die 100 Franken Gebühr und die Einschränkungen, was den Ort betrifft, seien nicht ideal. «Unter der Kornhausbrücke würde die Stadt also keine solche Party bewilligen, deshalb wird sie illegal durchgeführt.»
Bei der Stadtpolizei hingegen ist man glücklich über dieses Mittel. «Die jungen Leute halten sich meist an die Vorgaben und auch aus der Bevölkerung kommen meist positive Signale», sagt Hödl.
Das Problem der illegalen Partys scheint damit aber nicht umfassend gelöst zu sein. Die Einsatzleiter der Polizei werden also weiterhin vor Ort entscheiden müssen, ob eine Party aufgelöst wird oder nicht und wen sie damit verärgern.