Chlinae_Tigaer
Aber EU?
NEIN DANKE.
Nächste(r) Kandidat(in) bitte.
Sie sind Moderatorin, Künstlerin, Politikerin, Studentin: Was sind Sie am meisten?
Yvonne Braendle-Amolo: Jetzt, im Wahlkampf, bin ich hauptsächlich Politikerin, an zweiter Stelle kommt mein Studium für interkulturelle Kommunikation. Für den Rest bleibt momentan nicht so viel Zeit.
Wenn man auf so vielen Hochzeiten tanzt wie Sie, besteht da nicht die Gefahr, dass man alles ein bisschen macht, aber nichts richtig?
Nein. Ich kann gut organisieren, deshalb klappt es.
Gibt es etwas, das Sie nicht können?
Ja, ich kann nicht gut kochen.
Als Frau, die von Kenia in die Schweiz gekommen ist und jetzt Nationalrätin werden will, sind Sie momentan eine gefragte Person. Das war nicht immer so. Wie haben Sie sich integriert?
Mein grösstes Problem am Anfang war die Sprache. Wer nicht in der Landessprache kommunizieren kann, hat es überall schwierig. Ich hatte Mühe, einen Job zu finden, es gab immer wieder Enttäuschungen. Entscheidend für mich war und ist aber, dass man sich nicht entmutigen lässt und sich entscheidet, nicht einfach hier zu wohnen und das Geld nach Hause zu schicken, sondern hier zu leben. Du musst bereit sein, dich anzupassen.
Was bedeutet das?
Ich fand lange keinen Anschluss, dann entdeckte ich das Jodeln. In der Jodlerszene wurde ich wohlwollend aufgenommen, das half mir bei der Integration. Mittlerweile bin ich angekommen. Doch das war ein langer und harter Weg. Deshalb sage ich allen Migranten, die mich fragen, was mein Erfolgsrezept war: Ihr müsst euch etwas mehr anstrengen als die Schweizer, die schon immer hier waren. Schliesslich seid ihr es, die in dieses Land gekommen seid und nicht umgekehrt.
Macht die Schweiz genug für Migranten?
Wenn ich zurückschaue, würde ich sagen, dass bei mir vieles positiv gelaufen ist. Der letzte 1. August hat mich allerdings gelehrt, dass noch längst nicht alle Schweizer uns Doppelbürgern wohlgesinnt sind.
Was war da?
Die Gemeinde Oberengstringen kam auf mich zu und fragte mich, ob ich die 1.-August-Rede halten wolle. Ich sagte zu, empfand es als Ehre und als schönes Zeichen für alle Migranten. Als dann aber das Inserat erschien, in dem stand, dass ich eine Rede am Nationalfeiertag halten werde, schlug mir eine Welle des Hasses entgegen. Ich bekam Drohungen, auch gegen meine Familie, jemand legte Hundekot in meinen Briefkasten. Ich bekam allerdings auch positive Botschaften und entschied, die Rede trotzdem zu halten.
Wie war das Echo?
Wir rechneten mit etwa 25 Gästen, schliesslich kamen 250. Während meiner Rede war es mucksmäuschenstill. Danach kamen viele Menschen auf mich zu und gratulierten mir zu meinem Mut.
Hat Ihnen der Auftritt eher genützt oder geschadet?
Vor der 1.-August-Rede schätzte ich meine Chance, dass ich in den Nationalrat gewählt werde, mit null Prozent ein. Seit dem Inserat, den damit verbundenen Mediengeschichten und der Rede, kann ich kaum noch einkaufen gehen, ohne dass mich jemand anspricht. Die ganze Sache hat sich für mich also positiv ausgewirkt. Die bösartigen Angriffe verfehlten ihr Ziel und bewirkten das Gegenteil.
Migration ist das Megathema des Wahlkampfs. Hat es auch für Sie Priorität?
Es ist ein wichtiges Thema. Aber das, was jetzt läuft, ist billige Stimmungsmacherei. Denn Migration gibt es immer, nicht nur während dem Wahlkampf. Es gab 2014 nicht mehr Asylgesuche als in den Jahren zuvor. Dass Menschen mit Migrationshintergrund in der Schweiz nicht wählen dürfen, aber Steuern zahlen müssen, ist zwar falsch und sollte geändert werden. Allerdings gibt es grössere Probleme.
Welche denn?
Die Altersvorsorge und die Umweltverschmutzung.
Wie können wir das Altersvorsorge-Problem lösen?
Ein Ansatz ist, dass wir die Altersvorsorge den Berufen anpassen. Ein Dachdecker, der sein Leben lang hart körperlich arbeitet, müsste meiner Meinung nach nicht bis zu seinem 65. Lebensjahr krampfen. Eine Frau, die ausschliesslich im Büro arbeitete, könnte hingegen bis 66 Jahre arbeiten, wenn sie das will und sofern die Wirtschaft auch bereit ist, sie solange anzustellen.
Wo muss man beim Umweltschutz ansetzen?
Die Schweiz muss das Potenzial von Wasser, Wind und Solar besser nutzen. Das sind Alternativen zur Atomkraft. Ich bin für den Atomausstieg, und zwar für einen vollständigen. Halbe Lösungen sind für mich keine. Die Atomkraftwerke müssen weg.
Ein weiteres Thema, das unter den Nägeln brennt, ist das Verhältnis Schweiz – EU. Welchen Standpunkt vertreten Sie?
Klar bin ich für einen EU-Beitritt. Ohne Wenn und Aber.
Was wäre Ihr erster Vorstoss als Nationalrätin?
Einer für bessere Frauenrechte. Und ich würde gegen die Wohnungsnot kämpfen. Ich bin der Meinung, dass sie gelöst werden könnte, wenn mehr bezahlbare Wohnungen in der Agglomeration gebaut würden. Es müssen nicht alle in den Stadtzentren wohnen.
In einem Satz: Warum sollen die Menschen Sie wählen?
Weil es ein starkes Zeichen für eine offene Schweiz wäre – auch international – wenn die Wählerinnen und Wähler eine schwarze Frau ins Parlament wählen.
Was ist für Sie ein guter Schweizer Bürger?
Einer, der sich interessiert für die Schweiz und sich um das Wohl des Landes kümmert. Einer der nicht jammert, sondern anpackt und mitgestaltet.
Letzte Frage: Wie lange brauchen Sie am Morgen für Ihre Frisur?
Früher stand ich jeden Morgen drei Stunden vor dem Spiegel für meinen Afro. Bei Regen war die ganze Pracht aber innert kürzester Zeit dahin, meine Haare saugen alles auf. Deshalb nennen mich gewisse Freunde Spongebob. Heute mache ich mir die Mühe nicht mehr, mehr als zehn Minuten brauche ich nicht für meine Haare.
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