Schweiz
Zürich

Zürcher Kinderspital verteidigt sich nach Studie.

Martin Meuli, Chirurgischer Direktor Kinderspital Zuerich an einer Medienkonferenz im Kinderspital am Dienstag, 14. Mai 2019. Er nahm Stellung zur Berichterstattung der CH-Media ueber das Herzzentrum  ...
Martin Meuli, Chef der Chirurgie, sagte: «Die Studien sind nicht für Taxi-Fahrer.»Bild: KEYSTONE

Das Zürcher Kispi in Erklärungsnot: «Studie ist nicht für Migros-Verkäuferin gemacht»

In einer emotionalen Pressekonferenz versuchte die Leitung des Kinderspitals Zürich, eine Studie über hohe Mortalitätsraten ins rechte Licht zu rücken.
15.05.2019, 05:3315.05.2019, 05:35
Leo Eiholzer / ch media
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Das Zürcher Kinderspital ist in Aufruhr. Am Dienstag lud die Klinikleitung kurzfristig zu einer Pressekonferenz. Der Andrang war gross. Bei den Medienschaffenden und beim Kispi. Fünf Ärzte, der CEO und der Generalsekretär des Spitals waren anwesend.

Mit der Pressekonferenz wollte sich das «Kispi» gegen einen Artikel wehren, der bei ch media am gleichen Tag veröffentlicht wurde: Dieser zeigte, dass die Sterblichkeitsrate bei Kindern mit einem bestimmten Herzfehler – dem Hypoplastischen Linksherzsyndrom – von 2001 bis 2014 laut einer Studie 39 Prozent betrug. Das Kinderspital bestätigte die Korrektheit dieser Zahlen.

Doch es wehrte sich gegen den Vergleich mit anderen Herzzentren. Dieser beruht auf mehreren Studien, die die Spitäler in ihrer Institution durchgeführt haben. Demnach war die Sterblichkeitsrate in Zürich bei erfassten Patienten mit diesem Herzfehler doppelt so hoch wie in anderen Spitälern. Im deutschen Giessen und im holländischen Utrecht waren es jeweils nur 15 respektive 19 Prozent.

Martin Meuli, Chef der Direktion Chirurgie, sagte: «Diese Studien sind für Wissenschaftler gedacht, nicht für den Taxi-Fahrer oder die Migros-Verkäuferin.» Meuli sprach darüber, dass in Giessen nicht alle Kinder operiert würden. Patienten, die nur eine kleine Überlebenschance haben, flössen also nicht in die Statistik ein.

«Wenn man Dinge nur fünf Mal im Jahr macht, ist man am Ende nicht ganz so gut wie die grossen Zentren, etwa in den USA.»
Oliver Kretschmar, Chefarzt der Kardiologie

Einen Beweis für diese Äusserung blieb das Kinderspital aber schuldig. Ausserdem sind auch in den Zahlen der Zürcher Studie die Kinder nicht enthalten, die vor der Operation starben oder auf Wunsch der Eltern nicht operiert wurden.

«Fallzahlen sind entscheidend»

Der Kinderherzchirurg René Prêtre, der von 2001 bis 2012 am Kispi Chefchirurg war, hatte im Artikel eingestanden, dass andere Spitäler bei diesem Herzfehler mehr Erfahrung haben und besser sind. Oliver Kretschmar, Chefarzt der Kardiologie, sagte am Dienstag dazu: «Das war eine wichtige Bemerkung. Die Fallzahlen sind entscheidend für das Resultat. Wenn man Dinge nur fünf Mal im Jahr macht, ist man am Ende nicht ganz so gut wie die grossen Zentren, etwa in den USA.»

Kispi-CEO Markus Malagoli sagte, die Operationen wegen dieses Herzfehlers machten lediglich zwei Prozent aller Herzoperationen am Kinderspital aus. Mit anderen «Qualitäts-Zahlen» wollte das Kinderspital beweisen, dass sein Herzzentrum ein gutes Niveau hat.

Markus Malagoli, CEO Kinderspital Zuerich an einer Medienkonferenz im Kinderspital am Dienstag, 14. Mai 2019. Malagoli nahm Stellung zur Berichterstattung der CH-Media ueber das Herzzentrum des Kinder ...
Kinderspital CEO Markus Malagoli.Bild: KEYSTONE

Es präsentierte den Prozentsatz der gestorbenen Kinder gesamthaft bei zehn Operationen, die als Indikator für die Qualität einer Einrichtung gelten. Darunter auch die Behandlung des Hypoplastischen Linksherzsyndroms, bei dem das Kispi eben nicht gut abschneidet. Dieser Gesamt-Sterblichkeitsrate setzte das Kinderspital Zahlen anderer europäischer Kliniken gegenüber. In den Jahren 2016 und 2017 lag das Kispi 11 respektive 18 Prozent über den Vergleichszahlen. Das entspricht 0.3 beziehungsweise 0.5 Prozentpunkten.

Während der Medienkonferenz kaum zur Sprache kam der seit Jahren schwelende Konflikt im Herzzentrum. Insider berichten dieser Zeitung von «Extremzuständen», das Kispi lediglich von Diskussionen, die zielführend geführt würden.

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104 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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grandvlad
15.05.2019 06:06registriert Januar 2014
Der Satz: «Diese Studien sind für Wissenschaftler gedacht, nicht für den Taxi-Fahrer oder die Migros-Verkäuferin.» zeigt genau das elitäre Denken, ist Diskriminierung, dies zeigt dass dieses System nicht funktioniert, wenn nicht vom obersten Chef bis zur "untersten" Hierarchieschicht Respekt gepflegt wird.
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Scaros_2
15.05.2019 06:00registriert Juni 2015
Wenn man eine PK einberuft in welcher eine Armada an Ärzten aufgefahren wird und dabei 0 Einsicht oder Aktionen gesprochen wird und nur gerade die Studie kritisiert wird, dann liegt definitiv was im argen Zustand vor.
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00892-B
15.05.2019 06:24registriert Januar 2018
Hauptsache noch den Taxifaher und die Migros-Verkäuferin verunglimpft. Mega sympathisch!
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