Für einmal schafften es am Montag nicht nur der Gubrist und Urdorf in die Verkehrsmeldungen am Radio, sondern auch Rudolfstetten. Bis dorthin staute sich kurz vor 8 Uhr die Blechkolonne. Um 5 Uhr hatte die Vollsperrung der Dietiker Schönenwerd-Kreuzung begonnen. Diese dauert bis Ende August.
Besonders hart trifft die Umleitung die Bewohner des Dietiker Glanzenberg-Quartiers. Zum Beispiel Leser S. (Name der Redaktion bekannt). Er musste einen Umweg mitten durch den Mega-Stau fahren. Über zwei Stunden brauchte er, um von Dietikon zu seinem Arbeitgeber in Zürich Altstetten zu gelangen.
«Ich muss Kunden schweizweit besuchen, ich kann nicht auf das Auto verzichten», sagt S., der schon lange in Dietikon wohnt und wusste, wann die Sperrung beginnt.
Doch half ihm das alles nichts, als er um 6.45 Uhr von seinem Parkplatz bei der Schäflibachstrasse losfuhr: «Die Strasse war schon völlig verstopft, ich stand also vom ersten Moment an im Stau.» Im Schneckentempo ging es dann über die Schöneggstrasse und beim Stadthaus auf die Bremgartnerstrasse.
Als er sich um 8.07 Uhr telefonisch bei der Limmattaler Zeitung meldete, war er weiterhin unterwegs: Bis dahin hatte er es erst bis zur Haltestelle Stoffelbach der Bremgarten-Dietikon-Bahn geschafft.
Um 8.20 Uhr, nun auf der Bernstrasse, war er dann auf Höhe der Autobahneinfahrt Urdorf Nord angelangt. «Hier stehen überforderte Verkehrsdienstler, die nur noch zuschauen können, wie sich praktisch nichts bewegt. Jede Schnecke hat mich inzwischen dreimal überholt», erzählte S. am Telefon.
Um 9 Uhr kam er endlich in Altstetten bei seinem Arbeitgeber an.
Sein Schicksal teilten unzählige Limmattaler. Das zeigt auch ein Video, das eine Dietikerin in der Facebook-Gruppe «Du bisch vo Dietike, wenn ...» postete (Post nicht öffentlich): Auf der Zürcherstrasse herrschte Stillstand.
Der Facebook-Post erhielt innert weniger Stunden über hundert Reaktionen. Die meisten Kommentarschreiber waren wütend und redeten Tacheles. Auch waren die Sündenböcke schnell ausgemacht: die Limmattalbahn und die Planer vom Kanton.
Zur Erklärung: Der Ausbau der Schönenwerdkreuzung geschieht im Rahmen der flankierenden Massnahmen zur Limmattalbahn. Die Limmattalbahn wird selber aber nicht über die Schönenwerd-Kreuzung fahren – vom Ausbau der Kreuzung profitiert insbesondere der Individualverkehr. Sperrung und Umleitung hatte das Zürcher Tiefbauamt geplant.
Dieses war sich bewusst, was auf das Limmattal zukommt. «Die ersten zwei oder drei Tage werden heftig. Da muss man mit einem Chaos rechnen», sagte Tiefbauamt-Sprecher Thomas Maag in der Limmattaler Zeitung vom 7. Juni.
In den nächsten Tagen soll sich die Situation beruhigen. Das hat ein Mitarbeiters des Tiefbauamt auch Leser S. gesagt, als dieser sich verärgert beim Amt meldete. «Das glaube ich erst, wenn es wirklich eintritt», sagte S. zur Limmattaler Zeitung.
Er schlägt vor, dass man die Birmensdorferstrasse, auf der beim Grenzübergang Urdorf/Dietikon nur der Bus in Richtung Urdorf fahren darf, für die Zeit der Umleitung in beide Richtungen für den Individualverkehr öffnet. «Ab dort, wo die Strasse für alle offen ist, bleibt der Bus ja sowieso auch stundenlang stecken», so S.
«Die Kreuzung von Birmensdorfer- und Bernstrasse könnte den zusätzlichen Verkehr nicht bewältigen», sagte Tiefbauamt-Sprecherin Isabelle Rüegg auf Anfrage dazu. «Die Schönenwerdkreuzung wird täglich von 35'000 Fahrzeugen befahren. Damit unser Verkehrskonzept funktioniert, brauchen wir 30 Prozent weniger Verkehr. Das ist insbesondere jetzt, wenn noch keine Sommerferien sind, anspruchsvoll», so Rüegg. So sehr sich die Situation auch beruhigen mag, sagt Rüegg: «Wir rechnen über die ganze Bauzeit mit Behinderungen.»
Von verschiedenen Limmattalern war zu vernehmen, dass sie vom Tiefbauamt nicht wie versprochen ein Info-Schreiben erhielten. «Wir haben dahingehend ebenfalls Rückmeldungen erhalten. Wenn es Lücken in der Verteilung gegeben hat, bedauern wir das», sagt Rüegg. Sie verweist zudem darauf, dass auch die Medien informiert hatten.
Das Tiefbauamt hat bereits erste Lehren gezogen. «Wir beobachten die Situation laufend und falls wir Verbesserungspotenzial erkennen, handeln wir danach. So haben wir beispielsweise vereinzelt die Signalisation optimiert und ergänzt», so Rüegg weiter. Zudem wird geprüft, ob im Aargau zusätzliche Schilder nötig sind, die noch weiter entfernt auf die Vollsperrung hinweisen. Derzeit werden Aargauer, die über den Mutschellen ins Limmattal fahren, erst auf dem Mutschellen gewarnt.
Das Chaos beschäftigt auch die Bremgarten-Dietikon-Bahn (BDB): Prophylaktisch gab sie am Montag lange Warnpfiffe ab, wenn sie über die Kreuzung von Bern- und Bremgartnerstrasse fuhr. Vereinzelt waren Autos zu nahe an die Gleise gefahren. «Zwischenfälle gab es aber keine», sagte BDB-Sprecher Erwin Rosenast.