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Abstimmungen Kanton Zürich: TV-Duell zum Sozialhilfegesetz

SVP-Kantonsrat Jürg Trachsel, SP-Gemeinderat Alan David und Moderator Hugo Bigi im gestrigen Talk Täglich.
SVP-Kantonsrat Jürg Trachsel, SP-Gemeinderat Alan David und Moderator Hugo Bigi im gestrigen Talk Täglich.screenshot: tele züri

TV-Duell zum Sozialhilfegesetz – sogar der Zuschauer am Telefon unterstützt den SP-Mann

Der Zürcher SVP-Kantonsrat Jürg Trachsel konnte gleich bei zwei wichtigen Fragen nicht ausreichend antworten. Sogar die Zuschauer hielten für einmal dem Links-Politiker die Stange. 
13.09.2017, 04:1413.09.2017, 14:41
Corsin Manser
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«Eine ungleiche Behandlung ist angebracht», sagte SVP-Kantonsrat Jürg Trachsel gegen Ende der Sendung, schliesslich seien die vorläufig Aufgenommenen ja nur hier und würden profitieren. Schweizer und Ausländer, die in die Sozialwerke einzahlen würden, hätten mehr verdient.

Und wie so oft in den rund 30-minütigen Diskussion, blieb SP-Gemeinderat Alan David Sangines nur ein Kopfschütteln. «Was? Syrer sind nur hier, um zu profitieren?»

Abstimmung am 24. September
Am 24. September stimmt das Stimmvolk des Kantons Zürich über das Sozialhilfegesetz ab. Vorläufig aufgenommene Ausländer sollen nur noch Asylfürsorge und keine Sozialhilfe mehr erhalten. Der Zürcher Kantonsrat erwartet so Einsparungen von fünf bis zehn Millionen Franken. Die SP wehrt sich gegen die Pläne des Kantonsrates, für sie wird am falschen Ort gespart. Im gestrigen Talk Täglich diskutierten dazu SVP-Kantonsrat Jürg Trachsel und SP-Gemeinderat Alan David Sangines.

Rund 5700 Personen besitzen im Kanton Zürich zurzeit den Status F, sie sind vorläufig aufgenommen. Eigentlich wurden sie aus der Schweiz weggewiesen, können aber nicht zurückgeschafft werden. Etwa weil die Situation im Heimatland unzumutbar ist. Im Kanton Zürich handelt es sich bei den vorläufig Aufgenommenen hauptsächlich um Kriegsflüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und Irak. 

«Das sind 10 bis 15 Franken pro Tag. Die Leute leben damit recht gut.»
SVP-Kantonsrat Jürg Trachsel

Bisher erhalten diese Personen gut 900 Franken pro Monat, eine bürgerliche Mehrheit des Kantonsrats will diesen Betrag nun auf etwa 400 Franken reduzieren.

«Das sind zwischen 10 bis 15 Franken pro Tag», rechnete Trachsel gestern vor, damit könne man recht gut leben. In anderen Kantonen funktioniere dies auch.

Tatsächlich ist Zürich nur einer von zwei Kantonen, der den vorläufig Aufgenommenen eine Sozialhilfe ausbezahlt. Dies ist für den SVP-Kantonsrat denn auch ein Argument, weshalb der Betrag auf das Niveau der Asylfürsorge reduziert werden soll.

Müssen nun einfach die Gemeinden zahlen?

Sangines will dieses Argument Trachsels jedoch nicht gelten lassen. Die anderen Kantone würden zwar keine Sozialhilfe auszahlen, dafür sei dort die Finanzierung für Integrationsprojekte geregelt, so der SP-Mann. 

Sangines befürchtet, dass die Gemeinden in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Denn bisher wurden die Kosten für die Integration den Gemeinden durch den Kanton über die Sozialhilfe zurückerstattet. Bei einer Annahme der Vorlage wäre dies nicht mehr so geregelt.

«Die Vorlage geht weit über das Ziel hinaus, die Kosten werden einfach auf die Gemeinden überwälzt», so Sangines. Er warnt: «Die Gemeinde Schlieren hat bereits angekündigt, nichts mehr für die Integration zu bezahlen.»

Wie die Gemeinden entlastet werden sollen, konnte Trachsel gestern nicht genau darlegen. Er behauptete aber, dass man sich bei den Gemeinden keine Sorgen machen müsse. «Wir sorgen dafür, dass keine Kosten auf die Gemeinden übertragen werden.»

Wie können die vorläufig Aufgenommenen zu Integrationsprojekten verpflichtet werden?

Und gleich noch ein Punkt bereitete dem Mann von der SP gestern Kopfschmerzen. Unter dem Sozialhilfegesetz hätten die Sozialarbeiter die vorläufig Aufgenommenen dazu verpflichten können, an Integrationsprojekten teilzunehmen, erklärte Sangines.

Gehen die vorläufig Aufgenommenen nicht in die Beschäftigungsprogramme oder Integrationskurse, können ihnen die Gelder gestrichen werden. Dieses Sanktionssystem würde bei einer Annahme der Vorlage wegfallen.

«Mir ist es lieber, die Leute gehen fünf Mal in der Woche in einen Deutschkurs als fünf Mal in die Moschee.»
SP-Gemeinderat Alan David Sangines

«Heute hat man Anreizsysteme», so Sangines. «Mir ist es lieber, die Leute gehen fünf Mal in der Woche in einen Deutschkurs als fünf Mal in die Moschee.»

Genau umgekehrt argumentierte Trachsel. Für ihn schafft das System mit der Sozialhilfe die falschen Anreize. Die vorläufig Aufgenommenen würden so viel Geld erhalten, dass sie gar nicht mehr arbeiten müssten, ist sich der SVP-Mann sicher. «Ist die Hängematte erst einmal aufgespannt, lebt es sich darin bequem.»

Und man könne die Leute ja auch mit Verträgen dazu verpflichten, Integrationsprojekte zu besuchen. Wie genau er sich diese Verträge vorstellt, sagte Trachsel gestern nicht. Er meinte nur: «Wir leben hier doch in einem freien Land.»

Sollen vorläufig Aufgenommene Sozialhilfe erhalten?

Von einer Hängematte wollte Sangines jedenfalls nichts wissen, zumal die 900 Franken dem Existenzminimum gemäss SKOS-Richtlinien entsprächen. Zudem habe der Kanton Zürich dank des aktuellen Systems Erfolg. Die Erwerbsquote der vorläufig Aufgenommenen liege zehn Prozent über dem Schweizer Durchschnitt, so der SP-Gemeinderat.

Sangines befürchtet, dass bei einer Rückkehr zur Asylfürsorge weniger Integration stattfinden wird, wie zum Beispiel der Fall Schlieren zeigt. Dies würde langfristig zu Mehrkosten führen, da diese Personen weniger gut in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten.

Das ganze Talk Täglich von gestern Abend.Video: kaltura.com

Trachsel, der gestern offensichtlich einen schweren Stand hatte, konnte eigentlich nur noch auf Rückendeckung der Zuschauer hoffen, welche sich per Telefon einschalteten. Doch sogar diese unterstützten den SP-Mann. 

Ein Mann aus Wetzikon fasste die Argumentationslinie von Sangines in wenigen Worten zusammen: «Wenn man die Sozialhilfe jetzt streicht, dann werden uns diese Leute einfach in zehn oder 15 Jahren auf der Tasche liegen.»  

Video der Woche: 29 Wörter, die auf St.Galler-Deutsch herrlich klingen

Video: watson/Emily Engkent, Lena Rhyner
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41 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bijouxly
13.09.2017 08:12registriert Dezember 2014
Hier geht es um Menschen, die kein Asyl erhalten in der CH und sozusagen "geduldet" werden, bis sie ausreisen.
Es ist mir völlig schleierhaft, warum diese Geld erhalten sollen. Wir arbeiten, zahlen Steuern, erhalten Sozialhilfe, wenn wir durchs System fallen: Aber warum soll jemand, der in die CH kommt, hier kein Asyl erhält und dennoch bleiben will vom Staat leben dürfen? Wenn er hier bleiben will, dann soll er selbst dafür aufkommen.
A) Niemand integriert sich besser nur weil er Geld erhält.
B) Es setzt den völlig falschen Anreiz, abgelehnte Asylanten, sprich Migranten, zu finanzieren.
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atomschlaf
13.09.2017 07:01registriert Juli 2015
Sowohl in Syrien wie in Afghanistan gibt es mittlerweile genug sichere Gebiete.

Statt Sozialhilfe wäre endlich eine strikte Rückführungspolitik gefragt.
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