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Ehepaar schildert vor Zürcher Obergericht eine Ehehölle

Ehepaar schildert vor Zürcher Obergericht eine Ehehölle

28.03.2022, 20:29
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"Ein exemplarischer Fall von exzessiver Gewalt nach Fussballspielen": Das Zürcher Obergericht schickt einen 23-jährigen Lehrling 7 Jahre ins Gefängnis. (Archivbild)
Zürcher Obergericht.Bild: KEYSTONE

Vor dem Zürcher Obergericht hat am Montag ein heillos verfeindetes Ehepaar seine Ehe als eigentliche Hölle geschildert - mit jeweils umgekehrten Vorzeichen. Es ging um Vergewaltigungen, Misshandlungen und schliesslich um einen Mordversuch. Die Verhandlung geht am Dienstag weiter.

Beide Beschuldigten stammen aus dem Kosovo und kamen 1991 als junge Leute in die Schweiz. Dort lernten sie sich kennen und heirateten fast unmittelbar darauf. Sie bekamen vier mittlerweile erwachsene Kinder. Das Scheidungsverfahren ist hängig.

Wenige Jahre nach der Heirat sei sie erstmals in Frauenhaus geflüchtet, sagte die heute 55-jährige Frau in der Befragung durch das Gericht. Immer wieder habe der fünf Jahre jüngere Mann sie geschlagen und zum Sex gezwungen. Sie schilderte ihn als autoritären Patriarchen, der alle Arbeit in Haushalt und Familie ihr überlassen habe. Der Kinder wegen sei sie bei ihm geblieben.

Das sei alles ganz anders gewesen, sagte der Mann. Er schilderte die Frau als wahre Furie. Er habe die ganze Arbeit gemacht. Geschlagen habe er sie niemals, zum Sex gezwungen schon gar nicht - er habe das nicht nötig gehabt, er sei nämlich zu Prostituierten gegangen. Sie habe ihn geschlagen und von ihm Sex gewollt. Auch er sei wegen der Kinder geblieben.

Giftcocktail und Ladekabel

Zu den Tatvorwürfen sagte die Frau nichts. Laut Anklage hat sie ihrem Mann an einem Abend Anfang April 2018 sein Lieblingsgetränk serviert, das sie zuvor mit einer grossen Menge Medikamente zum «Giftcocktail» gemixt habe. Damit habe sie ihn vergiften wollen. Er sei aber nur in Tiefschlaf gefallen.

Als sie am folgenden Morgen festgestellt habe, dass er noch lebte, habe sie ein Handy-Ladekabel genommen und sei ins Zimmer gegangen, wo der Mann schlief. Dort habe sie ihm das Kabel um den Hals gezurrt. Als er «sehr nahe am Tod war», so der Staatsanwalt, seien die Kinder dazwischen gegangen.

Gemäss Staatsanwaltschaft wollte die Frau ihren Mann nicht nur aus Rache für all die Misshandlungen töten. Sie sei auch eifersüchtig gewesen auf eine jüngere Geliebte im Kosovo. Deshalb habe sie auch um das Familienvermögen gefürchtet - unter anderem Häuser im Kosovo.

Damit habe sie sich des versuchten Mordes schuldig gemacht. Der Ankläger beantragte eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren und eine Landesverweisung von 15 Jahren.

Für den Mann verlangte er wegen mehrfacher Vergewaltigung und Nötigung eine vierjährige Freiheitsstrafe und eine Landesverweisung von zehn Jahren. Beide sind auch wegen Betrugsdelikten angeklagt.

Keinerlei Tötungsabsicht

Die Verteidigern der Frau stellte jegliche Tötungsabsicht ihrer Mandantin in Abrede. Sie habe ihn nicht vergiften wollen, nur ruhigstellen. Am Morgen darauf habe er schon wieder begonnen, sie zu terrorisieren. In Panik habe sie zum Nächstbesten gegriffen, um sich zu wehren: Das Kabel.

Es gebe keinen Grund, ihren Aussagen nicht zu glauben, sagte die Anwältin. Wenn sie die Tötung geplant hätte, hätte sie wohl nicht das Kabel als Werkzeug genommen - «es gab auch Küchenmesser in der Wohnung», sagte die Verteidigerin.

Die Frau sei freizusprechen. Sie habe in Notwehr gehandelt. Allenfalls könne man von einem entschuldbaren Notwehrexzess sprechen. Sollte das Gericht keine Notwehr erkennen, sei die Tat als versuchter Totschlag einzustufen, unter dem Eindruck ihres jahrelangen Leidens unter seiner Gewalt. In diesem Fall wären vier Jahre Freiheitsentzug angemessen. Diese hat die Frau abgesessen.

Der Verteidiger des Mannes wird sein Plädoyer am Dienstag halten. Wann das Urteil eröffnet wird, ist noch unklar.

Nur Frau erstinstanzlich verurteilt

Das Bezirksgericht Zürich hatte die Frau im November 2020 wegen versuchter vorsätzlicher Tötung und weiterer Delikte zu achteinhalb Jahren Freiheitsentzug und einer teilbedingten Geldstrafe verurteilt. Es ordnete eine siebenjährige Landesverweisung an.

Den Mann sprach die erste Instanz mangels Beweisen vom Vorwurf der Vergewaltigung und Nötigung frei. Es verurteilte ihn aber wegen Betrugsdelikten zu einer Geldstrafe. Eine Landesverweisung sprach es nicht aus. (sda)

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13 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Lokas
28.03.2022 21:02registriert August 2020
Das wäre genügend Stoff für eine mehrteilige Netflixserie...
Harte Kost und trotzdem menschlich. Aber weshalb zeugen die beiden 4 Kinder? Ich nehme an der Konflikt war bereits vorher da...
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Ökonometriker
28.03.2022 21:12registriert Januar 2017
Die Verteidigerin scheint ja eine wahre Meisterin ihres Fachs zu sein! Wer hätte gedacht, dass das Gericht eine so konsistente Geschichte nicht glaubt...
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