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Kispi Zürich: Ein Ärzte-Streit im Kinderspital eskaliert

Das Kinderspital Zuerich, aufgenommen am Montag, 2. Mai 2011, in Zuerich. (KEYSTONE/Steffen Schmidt)
Ort des Geschehens: das Kinderspital in Zürich.Bild: KEYSTONE

Stichverletzungen und Hungerstreik – ein Ärzte-Streit im Kinderspital eskaliert

Im Kinderspital Zürich ist ein Streit zwischen Chirurgen eskaliert. Ein Kinderarzt ist seit dem 1. April im Hungerstreik und hat eine Strafanzeige eingereicht. Er wirft einem Vorgesetzten vor, er habe ihn regelmässig während Operationen mit Skalpellen gestochen und geschnitten. Aber der Reihe nach.
18.04.2019, 11:5118.04.2019, 14:34
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Die Anstellung

Anfangs 2017 stellt Michael Hübler, der damalige Leiter der Herzchirurgie am Kinderspital Zürich, den 42-jährigen Deutschen A. S. mit einem befristeten Arbeitsvertrag als Assistenzarzt ein. Nach drei Monaten erhält A. S. eine Lohnerhöhung, Ende 2017 folgt die Festanstellung – ein Zeichen der Wertschätzung, wie A. S. im Tages-Anzeiger sagt.

Die Krankschreibung

Februar 2018: A. S. wird nach einem Bandscheibenvorfall selbst Patient. Die Operation läuft schief und er muss sechs weitere Male unters Messer. Bis Ende 2018 ist er vollständig arbeitsunfähig, wie der «Tagi» weiter berichtet.

Ende November 2018 trennt sich das Kinderspital per sofort von Michael Hübler, der A. S. einst eingestellt hatte. Die Trennung kommt überraschend, eine Begründung fehlt. Beide Parteien haben Stillschweigen vereinbart. Die Leitung der Kinderherzchirurgie übernimmt der Stellvertreter von Hübler – allerdings nur interimistisch.

ZUR MELDUNG, DASS AM KINDERSPITAL ZUERICH ESTMAL IN DER SCHWEIZ EINEM NEUGEBOREBEN ERGOLGREICH EIN HERZ TRANSPLANTIERT WURDE, STELLEN WIR IHNEN AM DIENSTAG, 2. FEBRUAR 2016, FOLGENDES ARCHIVBILD ZUR V ...
Michael Hübler leitete die Kinderherzchirurgie im Kispi Zürich.Bild: KEYSTONE

Die Entlassung

Januar 2019: Am ersten Arbeitstag nach seiner langen Abwesenheit wird A. S. ins Personalbüro zitiert. Ihm wird gekündigt. Er ist per sofort freigestellt. Die Begründung: «Ungenügendes Leistungsverhalten», «fehlender Respekt» und «häufiges Fernbleiben von offiziellen internen Veranstaltungen», was auch im Arbeitszeugnis festgehalten wird.

Die Entlassung habe weder mit der langen Krankschreibung noch mit der Causa Hübler zu tun, sagt Kispi-Generalsekretär Rüegg gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Und weiter: «Die Begründung basiert einzig auf der Einschätzung seiner Arbeitsleistung durch seine Vorgesetzten.»

Bei seiner früheren Arbeitsstelle sah man das anders: Das Deutsche Kinderherzzentrum (DKHZ) Sankt Augustin bei Bonn bezeugt 2010: A. S. habe «sowohl ärztlich als auch menschlich und fachchirurgisch uneingeschränkt alle Qualifikationen», die für einen Arzt nötig sind. Das Arbeitszeugnis liegt der Zeitung vor.

Die Strafanzeige

A. S. reicht Strafanzeige gegen drei Leitende Ärzte ein, namentlich den Interimsleiter der Kinderherzchirurgie, den Direktor der Chirurgischen Klinik und den Ärztlichen Direktor.

Seine Vorwürfe: Verleumdung, zwei Fälle der üblen Nachrede (wegen des schlechten Arbeitszeugnisses) und wiederholte Stichverletzungen, die ihm der Interimsleiter während Operationen zugefügt haben soll. Das Kinderspital widerspricht. Für die Ärzte gilt die Unschuldsvermutung.

Laut A. S. komme es immer mal wieder vor, dass man sich unabsichtlich während Operationen verletzt:

«Ich arbeite seit 2000 als Chirurg und wurde in dieser Zeit zweimal unabsichtlich gestochen. Er hat mich aber jeden Tag ein- oder zweimal gestochen.»

Unterstützung erhält A. S. von F. L. Dieser war als Kardiotechniker bei vielen Operationen dabei und sagt: «Das kann ich alles bestätigen.» Laut «Tages-Anzeiger» bestätigt ein zweiter Zeuge, der anonym bleiben möchte, dass die Stichverletzungen stattgefunden haben.

Kispi-Generalsekretär Urs Rüegg sagt hingegen, dass die Vorwürfe «falsch und haltlos» seien. Unabsichtliche Schnitt- oder Stichverletzungen kommen zwar vor, seien aber selten. Das Kispi wisse von «zwei internen Unfallmeldungen von Herrn A. S.»

Der Hungerstreik

A. S. mache sich allerdings keine grossen Hoffnungen, dass seine Strafanzeige etwas bringen würde. Deshalb ist er seit dem 1. April im Hungerstreik. Er wolle damit erst aufhören, wenn sich die drei Leitenden Ärzte mit ihm geeinigt hätten. «Sie müssen mir entgegenkommen, damit mein Ruf wiederhergestellt ist.» Er will, dass sein ehemaliger Vorgesetzter Michael Hübler das Arbeitszeugnis ausstellt. Arbeitsrechtlich sei das nicht möglich, da Hübler von all seinen Pflichten freigestellt wurde, wirft Rüegg vom Kispi ein.

Die Entlassungen haben zur Folge, dass René Prêtre, der Vorgänger von Hübler, einmal die Woche in der Herzchirurgie aushilft: Denn für schwierige Fälle fehlt dem Interimsleiter die Erfahrung. Im Gegensatz zu A. S. hat er keinen Facharzttitel für Herzchirurgie. (jaw)

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Statistiken zu Transplantationen in der Schweiz
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In sämtliche Statistiken sind die Kinder eingerechnet.
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33 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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TanookiStormtrooper
18.04.2019 11:57registriert August 2015
Scheint mir als wurde hier was falsch verstanden. In einem Kinderspital sollten die Kindsköpfe behandelt werden und nicht selber behandeln...
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Jonny1893
18.04.2019 12:14registriert August 2015
Kindergarten im Kinderspital... Und das bei diesen Löhnen... Am Ende wirken sich auch solche Fälle auf das Portemonnaie der Krankenkassenzahler aus, einfach unglaublich!
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Cosmopolitikus
18.04.2019 12:56registriert August 2018
Die Fachkompetenz bei Ärzten mag effektiv hoch sein. Jedoch zweifle ich daran, dass dies bei anderen wesentlichen Kompetenzen auch so sein wird. Ich denke dabei an:
Leadership, Teamfähigkeit, Kommunikation, Vorbildfunktion, Integrität, etc.
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