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Kindstötung im Kanton Zürich: KESB sah «keinen Hinweis auf eine Gefährdung»

Kindstötung im Kanton Zürich: KESB sah «keinen Hinweis auf eine Gefährdung»

02.08.2015, 10:06
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Eine heile Welt war es nicht bei der Familie L. Der Vater, ein arbeitsloser Tauchlehrer, und die Mutter waren allem Anschein nach nicht nur mit ihren Kindern, sondern auch mit sich selbst überfordert. Anders ist es nicht zu erklären, wie es es im Winter 2013 zur grausamen Tat kommen konnte.

Die Familie lebte zurückgezogen in einer von der Sozialhilfe vermittelten Wohnung in Albisrieden, Zürich. An Geld mangelte es, Kontakte zu Anwohnern bestanden praktisch nicht. Die tiefgläubigen Eltern schotteten sich und ihre zwei Töchter regelrecht von der Umwelt ab.

Im Februar 2013 eskalierte die Situation: Eines der beiden Kinder, zehn Wochen alt, starb in der Wohnung in Albisrieden. Todesursache: Sauerstoffmangel, eventuell Überhitzung. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Vater das Kleinkind mit einem Kissen erstickt hat. 

Keine akute Gefährdung

Den Kindesschutzbehörden war die Familie L. nicht bekannt. Erst am Tag nach dem tragischen Vorfall erhielt die Stadtzürcher KESB eine Meldung, wie die «Sonntagszeitung» schreibt. 

Zwar arbeiteten die sozialen Dienste der Stadt mit der Familie zusammen, vermittelten unter anderem eine Wohnung und leisteten Betreuung, aber ein Hinweis auf eine Gefährdung der Kinder sei zu keinem Zeitpunkt vorgelegen, so die Kommunikationsleiterin der Sozialen Dienste, Beatrice Henes, gegenüber der «Sonntagszeitung». 

Eine einzige Meldung ging ein: Eine besorgte Nachbarin kontaktierte die Behörden, als ein unbeaufsichtigter Kinderwagen mit einem schreienden Kind vor der Wohnung stand. «Für eine Gefährdungsmeldung an die Vormundschaftsbehörde bestand aber kein Anlass», so Henes, obwohl man die Drittinformation ernst genommen habe. 

Der Vater wird sich im September vor Gericht wegen eventualvorsätzlicher, allenfalls fahrlässiger Tötung vor dem Bezirksgericht Zürich verantworten müssen. Die Mutter ist ebenfalls angeklagt. In der Anklageschrift steht, dass die Eltern ihre Kinder regelmässig züchtigten: «Angeblich aus erzieherischen Gründen, wenn sie nicht gehorchten oder aus nicht nachvollziehbaren Gründen schrien», schlugen die Eltern zu. (wst)

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