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Dieser bunte Slalom-Vogel tritt für ein Land an, das das Wort Skifahren gar nicht kennt

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Olympionike aus Osttimor

Dieser bunte Slalom-Vogel tritt für ein Land an, das das Wort Skifahren gar nicht kennt

Yohan Goutt Goncalves ist der erste Vertreter von Osttimor an Olympischen Winterspielen. Seine Geschichte ist kurios, doch er verfolgt eine ganz ernsthafte Mission.
18.02.2014, 15:2118.02.2014, 22:42
Alex Dutler
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Vor elf Jahren begann die Olympia-Karriere von Yohan Goutt Goncalves mit einem Witz. Ein Familienfreund lobte den Achtjährigen nach einem Skitag in Val d'Isère überschwänglich: «Der Junge ist unglaublich, eines Tages fährt er noch zu Olympia.»

Der Junge, der sich damals in diese Idee verliebte, machte sie im vergangenen Dezember kurz nach seinem 19. Geburtstag zur Realität. Bei einem unterklassigen FIS-Slalom in Serbien knackte er tatsächlich die magische Grenze von 140 Punkten, welche ihn als ersten Athleten in der Geschichte Osttimors zur Teilnahme an den Olympischen Winterspielen berechtigt.

Yohan Goutt Goncalves posiert vor der Flagge Osttimors.
Yohan Goutt Goncalves posiert vor der Flagge Osttimors.Bild: Keystone

Ost-wie-bitte? Osttimor! Der Inselstaat liegt in Südostasien und hat eine unruhige Vergangenheit. Als ehemalige portugiesische Kolonie wurde das Land ab 1975 von Indonesien besetzt und blutig unterdrückt. Erst 2002 wurde es endgültig von der UN-Verwaltung in die Unabhängigkeit entlassen.

Yohan Goutt Goncalves ist als Sohn eines französischen Vaters in Frankreich aufgewachsen. Die Mutter ist seine einzige Verbindung zu Osttimor. In den 70er-Jahren flüchtete sie als Elfjährige vor den Unruhen via Australien nach Frankreich.

Kurzporträt von AFP über den ersten Winter-Olympioniken aus Osttimor.Video: Youtube/AFP news agency

Den Skiverband gleich selbst gegründet

Trotzdem fühlt sich der Olympionike seiner zweiten Heimat sehr verbunden: «Sogar wenn ich für Frankreich hätte antreten können, hätte ich mich trotzdem für Osttimor entschieden.» Goutt Goncalves sagt, er wolle der Welt zeigen, dass der Inselstaat mehr zu bieten habe, als Chaos und Krieg. 

Um dieses Ziel zu erreichen, hat er den Skiverband in Osttimor, dessen einziges Mitglied er ist, kurzerhand selbst gegründet. Die Kosten für seine Mission von umgerechnet rund 70'000 Franken, hat sich die Nummer 3849 der FIS-Rangliste mit französischen Sponsoren finanziert.

«Wir verstehen nicht genau, was du tust, aber wir sind in Gedanken bei dir, weil du nie vergisst, wo deine Wurzeln sind.»
Posting aus Osttimor auf der Facebookseite von Goutt Goncalves

Eine Sprachbarriere der besonderen Art

Für die Leute, welche er repräsentiert, ist die ganze Sache mit Olympia nicht ganz einfach zu verstehen. In ihrer Sprache gibt es das Wort «Skifahren» gar nicht. Die Zeitungen, welche in Osttimor über Goutt Goncalves berichten, haben kurzerhand den Begriff «Schnee-Skating» erfunden. 

Auch auf seiner Facebook-Seite sind rührende Kommentare zu finden: «Wir verstehen nicht genau, was du tust, aber wir sind in Gedanken bei dir, weil du nie vergisst, wo deine Wurzeln sind.»

Trotz all dieser Anekdoten: Wenn sich der Exot aus Osttimor am Samstag in den Stangenhügel von Sotschi schmeisst, ist es für ihn mit dem Dabeisein noch nicht getan. Er hat auch ein ganz konkretes sportliches Ziel. Samir Azzimani, ein guter Freund, hat Marokko 2010 in Vancouver vertreten und klassierte sich auf Platz 44. «Das will ich schlagen», sagt Goutt Goncalves. «Damit ich ihn dann aufziehen kann.»

Unterstützung aus Osttimor. Sie verstehen nicht wirklich, was ihr Star macht, aber sie unterstützen ihn. 
Unterstützung aus Osttimor. Sie verstehen nicht wirklich, was ihr Star macht, aber sie unterstützen ihn. Bild: Facebook
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