Ich sag's immer wieder: Vieles an der Hipster-Kultur stellt eine Bereicherung für unseren Alltag dar. Schönere Velos. Pulled Pork. Und so weiter. Aber ab und an findet man sich in einer Situation wieder, in der man sich fragt, ob alle Beteiligten nun komplett spinnen oder was? Letzthin, etwa, in Zürich:
Da war ich also mit meinem geschätzten Redaktionskollegen Quizz-Huber beim Tamilen an der Ecke Mittag essen. Auf dem Weg zurück zur watson-Kommandozentrale kam ich an jenem neuen Coffeeshop vorbei, auf dessen Schaufenster verheissungsvoll geschrieben stand: «The best coffee is the coffee you like».
«Komm, Dani», schlug ich vor, «nehmen wir unseren Espresso hier! Ich lade dich ein. Ich möchte den Laden mal auschecken.»
Das Interieur erinnert in seiner Schlichtheit an ein Architekturbüro: Ein einem Stehpult ähnlicher Tresen, cool verchromte Vintage-Kaffeemaschinen, Industrial Design, alles formschön und dezent. Hübsch gemacht. Hinter dem Tresen ein gesichtsbehaarter junger Mann mit Haarbömbel, der uns auf Hochdeutsch fragt: «Darf ich euch eine unserer Kaffee-Spezialitäten anbieten?»
«Sehr gerne! Zwei Espressi bitte!»
Hipsterbömbel-Barista: «In welcher Richtung soll es denn gehen, geschmacklich?»
Ich: «…»
Hipsterbömbel-Barista: «Na, zum Beispiel, soll es eher erdig sein oder mehr so mit einer blumigen Note?»
Ich: «Ich möchte zwei ganz normale italienische Espressi.»
Hipsterbömbel-Barista: «Alles klar, da wäre die Grundrichtung gegeben. Nun kann man hier klassisch den schokoladigeren Kaffeegeschmack wählen, oder wenn man sich vielleicht etwas mehr aus dem Fenster lehnen möchte, kann man etwas Fruchtig-Florales wählen.»
Ich: «Dann lassen wir uns doch mal überraschen: Zwei fruchtig florale Espressi, bitte!»
Die Kaffees werden in Eierbechern serviert auf je einem Bambus-Servierbrett mit perfekt angeordnetem Kaffeelöffel.
Wiederum: Sehr hübsch. Und der Kaffee ist auch kein Doppio, sondern ein korrekt-kurzer Espresso. So weit, so gut.
Hipsterbömbel-Barista: «Macht 10 Franken, bitte.»
Uff. Aber hey – Zürcher Preise, halt.
Dani (der bis jetzt aus dem Staunen nicht herauskam): «Darf ich noch ein bisschen Zucker haben?»
Hipsterbömbel-Barista (mit betrübter Miene): «Daaaavon würde ich dir sehr abraten bei diesem Kaffee, denn das wäre nun wirklich schade um den Geschmack. Das wäre, wie wenn man mit einem guten Burgunder einen Gespritzten Süss machen würde. Wäre wirklich jammerschade.»
Dani (bekanntlich Der Netteste Mensch Der Welt): «Oh. Gut.»
So. Und wollt ihr wissen, wie dieser ach so erlesene, 5 Franken teure Kaffee schmeckte? Fruchtig-floral, mein Allerwertester. Er schmeckte sauer.
Wisst ihr was?
Bitte entschuldigt meine Kraftausdrücke, aber irgendwann ist genug.
Zur Erklärung: Nein, ich habe nichts gegen Hipster-Kaffeeläden an sich. Auch nicht gegen einen, der Begriffe wie «future cafe» (uuh) oder «caffeine connaisseurs» (oooh) auf seiner Facebook-Page anführt und auf Instagram den Hashtag #verticalcoffeeroasters (aaaah) benutzt. Ich nehme den Betreibern ihre viel beschworene «passion for coffee» gerne ab. Ehrlich. Hey, ich könnte sogar über den 5-Stutz-Gentrifizierungs-Soli-Beitrag für 1 cl Kaffee hinwegsehen.
Aber nicht, wenn ich mich von einem gönnerhaften Kaffeeverkäufer belehren lassen muss. Und nicht, wenn der Kaffee kacke schmeckt.
Servier' mir bitte, bitte, einfach einen stinknormalen italienischen caffé. Das dürfte doch nicht zu viel verlangt sein. Schliesslich kriegt das jeder verstaubte Truck Stop vom Lago Maggiore bis Siracusa problemlos hin. Mit oder ohne Zucker. Garantiert aber ohne Belehrung.