Nun ist die Zeit, in der wir alle Vernunft fahren lassen. Wir feiern ein Baby mit dubioser Entstehungsgeschichte und glauben daran, dass im neuen Jahr alles besser wird. Weshalb ich dafür bin, in diesen Tagen auch alle andern kritischen Kriterien fahren zu lassen und einfach mal zu sagen: Royals und Aristokraten sind geil. Jedenfalls, wenn sie historisch sind, schöne Kostüme tragen, tragisch leben und via gefitztes Drehbuch dezent fiktionalisiert wurden.
Die Krone all dieser Schöpfungen ist natürlich «The Crown» von Netflix über das junge Leben der heute uralten Queen Elisabeth. Auch in ihrer zweiten Staffel ist die Serie das Juwel schlechthin; schön inszeniert, toll gespielt und makellos geschrieben. Das Drama einer Frau zwischen Liebe und Macht, zwischen Verzicht und Pracht. Deren Mann viel lieber ein ganz anderes Leben möchte. Und andere Frauen? Nicht wirklich, oder?
Und da sie nicht gestorben sind, leben sie beide heute noch glücklich miteinander in diversen Schlössern und fragen sich bei einem Tee, was zum Teufel sie zur Hochzeit von Enkel Harry wohl anziehen sollen. Und sie werden einander anschauen und sich denken, dass sie früher schon sehr viel besser ausgesehen haben. Im Film wie im Leben.
«The Crown»
Bisher zwei Staffeln, beide laufen auf Netflix. Die erste Staffel gibt es auch auf DVD und Bluray.
Dank unserer wunderbaren Serie «Frauen der Geschichte» wissen wir alle schon bestens über die österreichische Kaiserin Maria Theresia Bescheid. Oder etwa nicht? Ihr habt NICHT aufgepasst? Hab ich mir gedacht. Hier der Schnelldurchlauf: Sie lebte von 1717 bis 1780, gebar 16 Kinder, hatte eine gute Ehe, war eine strenge, erfolgreiche Herrscherin, Gegenspielerin Friedrichs des Grossen.
Was dachten sich da wohl ein paar Fernsehmenschen? Höchste Zeit, die andere Seite der Kaiserin zu zeigen! Die zarte junge Frau und Liebende, die durch das Geschick der Geschichte geformt wird! Also das Gleiche wie bei Queen Elisabeth, Sissi, Queen Victoria ...
Was soll ich sagen? Der brandneue österreichisch-tschechisch-ungarisch-slowakische Zweiteiler ist selbstverständlich schon längst programmiert.
«Maria Theresia»
27.12., ORF 2, 20:15 Uhr, Teil 1
28.12., ORF 2, 20:15 Uhr, Teil 2
Tolstois 1200-Seiten-Roman ist eine der grossartigsten Liebes- und Gesellschaftsgeschichten, die jemals geschrieben wurden. Wie sie ausgeht, wissen alle: Die vornehme Anna Karenina, die sich in den jüngeren Grafen Wronski verliebt und für ihn Ehe, Kind und alles gesellschaftliche Ansehen aufgibt, stürzt sich vor einen fahrenden Zug, so unglücklich hat die Liebe sie gemacht.
Es ist den Menschen, die «Anna Karenina» verfilmen, einfach nicht auszureden, dass ihr Tod bei Schneefall und Eiseskälte stattfindet. Aber was steht im Roman? «Alles glänzte hell in der Maisonne», und das einzige Eis ist schmutziges Fruchteis, das es auf der Strasse zu kaufen gibt. «Wir alle wollen etwas Süsses, das gut schmeckt. Und wenn es kein Konfekt sein kann, dann eben schmutziges Eis», fasst Anna ihr Leben zusammen. Dann tritt sie ab.
Zurück bleibt Wronski. Und wie der das Ganze sah, erzählt nun Karen Schachnasarows wunderschöner, leidenschaftlicher neuer Film. Der auch im Winter endet. Und auch wer kein Wort Russisch versteht, fragt sich sofort: Irrte ich mich ein Leben lang? Ist etwa nicht Französisch, sondern Russisch die wahre Sprache der Liebe? Damit die Beziehung zwischen den beiden noch intensiver, verzweifelter und am Ende schrecklicher wird als in jedem andern Film, castete der schlaue Herr Schachnasarow mit Jelisaweta Bojarskaja und Maxim Matwejew ein echtes Liebespaar für die Rollen von Anna und Wronski.
«Anna Karenina (Vronsky's Story)»
Der Film läuft ab 21.12. in den Schweizer Kinos. Russisch mit deutschen Untertiteln.
Und – oh Weihnachtswunder! – es gibt «Anna Karenina» in einer Verfilmung von 2014 über die Festtage auch als Dreistünder am TV:
25.12., ORF 2, 15:05 Uhr (jaja, direkt nach «Sissi» ...)
Und daaaaann gibt es auf amazon prime auch noch die «Anna Karenina»-Verfilmungen mit Keira Knightley (2012) und Greta Garbo (1935) zu kaufen oder zu leihen. Beide sind traumhaft, glaubt einer alten Kostümfilm-Fetischistin.
Er so: «Sissi!» Sie so: «Franzl!» – «Sissi!» – «Franzl!» Und dann fliegen sie sich in die Arme und es gibt einen Kuss oder ein unter Lebensgefahr gepflücktes Edelweiss oder sie machen ein Kind. Ich schwöre, ich kann mehrere «Sissi»-Minuten hintereinander synchronsprechen, es ist ein bisschen peinlich. Aber doch auch schön! Und the same procedure as every year.
An meinem dreissigsten Geburtstag, ich gesteh's hier nur euch, lief neben dem Dancefloor auf einem Fernseher «Sissi» in Endlosschlaufe. Hat niemanden gestört, im Gegenteil. Im richtigen Leben soll die Kaiserin Elisabeth ja eine richtig böse Frau gewesen sein. Depressiv, mager-, streit- und reitsüchtig dazu. Ist mir egal.
Die «Sissi»-Trilogie:
23.12., SRF 1, ab 11:05 Uhr, Teil 2 und 3
24.12., ARD, 13:30 Uhr, Teil 1
25.12., ARD, 15:55 Uhr, Teil 2 und 3
Sie wurde 1837 mit 18 Jahren Königin und regierte bis zu ihrem Tod 1901. Sie heiratete mit 20 ihren Albert und wurde mit 42 zur Witwe. «Mein glückliches Leben ist beendet! Die Welt existiert für mich nicht mehr!», schrieb sie in ihr Tagebuch. Sie trauerte für den langen Rest ihres Lebens um ihn, die beiden hatten sich sehr geliebt. Und weil ihre Liebe so überaus legendär war, wurde sie auch wieder und wieder verfilmt (ja, auch mit Romy Schneider im herzigen Herzensfilm «Mädchenjahre einer Königin»).
Ein feuchter Traum für alle Kronjuwelen-Junkies ist jetzt die britische Serie «Victoria» von ITV, quasi die kleinere Schwester von «The Crown» – kleiner allerdings nur, was das Budget betrifft. Denn auch «Victoria» ist eine verflucht süchtig machende, exquisite Augenweide. Insgesamt ist es ein bisschen soapiger als «The Crown», also noch mehr auf die Liebesgeschichte fixiert, dies allerdings so hinreissend, dass man schon aus schockgefrorenem Beton sein müsste, um nicht zu schmelzen.
Der «Anna Karenina»-Trick mit dem echten Liebespaar funktioniert auch hier: Jenna Coleman (Victoria) und Tom Hughes (Albert) kamen sich während des Drehs zur ersten Staffel derart nah, dass sie in Staffel zwei noch liebestrunkener durch die wundervollen Kulissen torkeln, pardon, schweben natürlich.
«Victoria»
Bisher zwei Staffeln, beide sind auf DVD und Bluray erhältlich. Staffel 1 auch auf amazon prime (und für alle Leserinnen und Leser aus der Schweiz: Ihr dürft das auch einfach irgendwo runterladen ...).
Dazu haben wir schon restlos alles gesagt. Und zwar mehrfach. Hier:
«Drei Haselnüsse für Aschenbrödel»
23.12., SRF 1, 23:30 Uhr
24.12., ARD, 12:05 Uhr
24.12., SRF 1, 15:30 Uhr (davor läuft ab 14:25 Uhr ein Dokfilm über den beliebtesten Märchenfilm aller bisherigen Zeiten)
25.12., ARD, 10:05 Uhr
Und so weiter
Und auf Netflix.