Der US-Präsident griff höchstpersönlich zum Hörer, um der Schauspielerin und Komikerin Roseanne Barr zu gratulieren. 18 Millionen Zuschauer hatten vor einer Woche bei der ersten neuen Folge ihrer Serie «Rose anne» zugeschaltet – ein neuer Rekord für eine Sitcom im amerikanischen Fernsehen. Wenige Tage später jubelte Donald Trump vor seinen Anhängern in Ohio: «18 Millionen Menschen haben eine Serie geschaut, die von uns handelt.»
Die Faszination ist gegenseitig: Die 65-jährige Barr, die 2012 noch als Kandidatin der Grünen zur US-Präsidentschaftswahl angetreten war, ist heute leidenschaftliche Trump-Anhängerin. Von der amerikanischen Alt-Right-Bewegung wird Barr für ihre unverblümten Aussagen in den sozialen Medien gefeiert. Doch als die Komikerin kürzlich ein Foto veröffentlichte, auf dem sie als Hitler verkleidet zu sehen war, sah sich «Roseanne»- Produzent Bruce Helford zu einer öffentlichen Aussage genötigt: «Ich bitte alle Zuschauer, Barrs Ansichten und die Serie getrennt voneinander zu betrachten.»
Bloss: Roseanne Barrs persönliche Ansichten haben immer schon auf ihre Fernsehfigur Roseanne Conner abgefärbt. Als «Roseanne» 1988 erstmals im Fernsehen lief, stellte die Serie die amerikanische Sitcom-Welt auf den Kopf. Sie war der Gegenentwurf zu damals populären Sitcoms wie «Alf», zur «Bill Cosby Show» oder «Unser lautes Heim», die alle in der urbanen Mittelklasse angesiedelt waren. «Roseanne» dagegen, über die am Rande des Existenzminimums lebende Familie Conner, bildete die stolze Arbeiterklasse des ländlichen Amerikas ab. Die Serie, die ab 1990 auch auf dem deutschen Sender ProSieben zu sehen war, lief insgesamt neun Jahre lang und erreichte Mitte der 90er mehr Fernsehzuschauer als jede andere Sitcom.
«Roseanne» lebte vom lauten und aufbrausenden Humor seiner Hauptdarstellerin, die sich ihre Sporen als Stand-up Komikerin abverdient hatte. Barr stieg zur Produzentin und Autorin der Serie auf, die immer wieder auch für ihren Realismus gelobt wurde. Sie liess viele eigene Erlebnisse in die Familie Conner einfliessen und scheute sich nicht, heikle Themen wie Abtreibung, Homosexualität und Rassismus aufzugreifen.
Dass Barr allerdings nicht nur vor der Kamera die Matriarchin gab, wurde ihr zum Verhängnis. Noch heute kreiden ihr Fans an, «Roseanne» mit dem vielleicht bizarrsten Serienende der Fernsehgeschichte jede Glaubwürdigkeit geraubt zu haben. In der damals allerletzten Folge, ausgestrahlt am 20. Mai 1997, entpuppten sich viele bedeutende Ereignisse aus der Serie als reine Fabulierungen, als Ideen aus einem Buch, das Roseanne Conner am Verfassen war. Die Conners hatten nie im Lotto gewonnen, dafür war Roseannes Ehemann Dan an Herzversagen gestorben.
Jetzt, knapp 21 Jahre später, macht die erste neue «Roseanne»-Folge einiges wieder rückgängig. Die Conners sind zwar immer noch arm, dafür wird Dans angebliches Ableben mit einem kurzen Gag unter den Teppich gekehrt. Ein Comeback der Serie ohne Dan-Darsteller John Goodman? Undenkbar. Auch alle weiteren Hauptdarsteller von damals sind zurück, darunter die jüngst für den Oscar nominierte Laurie Metcalf («Lady Bird») in der Rolle von Roseannes Schwester Jackie.
Weshalb US-Präsident Trump die Neuauflage der Serie gefällt, wird schnell klar: Roseanne lästert über Obama-Care, Fake News, Political Correctness und streitet mit Jackie über die Präsidentschaftswahl. Roseanne hat für Trump gestimmt, Jackie für Hillary Clinton. Roseanne nennt ihre Schwester «Snowflake» – das Lieblingsschimpfwort der amerikanischen Rechten für die Linken. Umgekehrt trägt Jackie den pinken Pussyhat der Frauenbewegung.
Die neuen «Roseanne»-Folgen holen den politischen und kulturellen Grabenkampf Amerikas mitten in das Wohnzimmer der Conners. «Wir wollen unserem tief gespaltenen Land eine Brücke sein», beteuert Barr in mehreren Interviews. Tatsächlich finden sich in den drei bisher ausgestrahlten Episoden auch nuancierte, berührende Szenen. In einer etwa umarmt Roseanne Conner ihre – schwarze – Enkelin Mary, die Tochter von Sohn DJ, der aus dem Syrienkrieg zurückgekehrt ist. In einer anderen lernen Roseanne und Dan zu akzeptieren, dass ihr neunjähriger Enkelsohn Mark – der Sprössling der immer noch aufmüpfigen und sehr liberalen Darlene – mit Schmuck, buntem Nagellack und in Frauenkleidern zur Schule geht, als er sagt: «Das bin ich.»
Es wäre zu einfach, die Serie auf Linken-Bashing zu reduzieren. Dass «Roseanne» nun aber jene Zuschauer bedient, die sich von Hollywood abgehängt fühlen, lässt sich schwer von der Hand weisen. Denn am Ende der neuen Episoden sitzt nie Jackie, sondern immer Roseanne am längeren Hebel. Sie hat auch nach 21 Jahren noch nicht gelernt, wie man sich für ein Fehlverhalten entschuldigt. Das Einzige, was sie über die Lippen bringt, ist: «Ich vergebe dir.» Worauf Jackie sie dankbar umarmt – lieber nachgeben als weiterstreiten.
Wann die acht neuen Folgen auch bei uns zu sehen sein werden, ist noch unklar. Der US-Sender ABC hat aber angesichts ihres Erfolgs jetzt schon eine weitere neue Staffel in Auftrag gegeben.