Regierungen und Fussballnationalteams sind in Afrika (leider) oft sehr nah beisammen. Oftmals bestimmt nicht der Trainer, sondern ein hoher Politiker das Kader sowie die Aufstellung. Ich weiss nicht, wie das in der Demokratischen Republik Kongo (Kongo Kinshasa) läuft, aber ich kann mir – ohne irgendetwas behaupten zu wollen, versteht sich – einen hohen Einfluss vorstellen.
Ich bin in Ebebiyin angekommen. Ein kleines Nest im Dreiländereck von Kamerun, Gabun und Äquatorialguinea. Die einzigen Hotels, welche westlichen Standards entsprechen, sind von den vier Teams besetzt. Wobei sich der Kongo erst beschwert hatte, weil nicht alle Mitglieder der Delegation in der gleichen Unterkunft Unterschlupf fanden. Ich suche also auf «lokaler Ebene». In Malabo lernte ich einen Taxifahrer kennen, der mir das Hotel seiner Schwester hier in Ebebiyin empfahl: Das Hotel Central.
Ich gehe von der Busstation dorthin. Als ich das Zimmer sehe, nehme ich mir einmal mehr vor, nicht immer so gutmütig Fremden zu vertrauen, wenn die mir einen Tipp geben. Die Nacht in diesem Hotel kostet 20'000 Francs (rund 40 Franken). Mein Zimmer befindet sich in einem heruntergekommenen Gebäude, das Bett ist hart und fliessend Wasser gibt es nur selten.
Dafür stehen in meiner Dusche eine Wassertonne, zwei Eimer und eine Schöpfkanne. Als ich fürs Zähneputzen doch mal noch den Wasserhahn betätige, sprudelt eine braune Sauce über mein Zahnbürste.
Ich bin normalerweise nicht heikel, aber mit dem Ding will ich meine Beisserchen nicht mehr reinigen. Im 25'000-Seelen-Ort finde ich schnell eine Apotheke und kaufe mir eine neue Zahnbürste. Als ich die Frau an der Theke frage, wo ich einen Supermarkt finde, will sie mir den Weg zeigen. Sie stellt einen Stuhl in die Tür («damit niemand rein geht») und begleitet mich zum nächsten Geschäft.
Zurück im Hotel treffe ich im Innenhof einen älteren Herrn im Fussballshirt. Wir kommen ins Gespräch und schnell stellt er sich als Regierungsmitglied des Kongos vor, sowie als einer der Chefs beim nationalen Grossklub TP Mazembe (ihr erinnert euch, das sind die mit dem hüpfenden Goalie). Ich nehme ihm dies erst nicht ab.
Zum Beweis zückt er seinen Diplomatenpass und erklärt seinen Werdegang: «Ich war erst in der Regierung in der Provinz Katanga, dann wurde ich in die Landesregierung in Kinshasa gewählt. Nachfolger in Katanga ist meine Frau.» Und sowieso, ich müsse mal in seine Heimat kommen: «Ich zahle für den Flug und die Unterkunft.»
Als ich einwerfe, dass ich wohl ein Visum benötige, meint er: «Gib mir deine Emailadresse. Ich schick dir eine persönliche Einladung, damit gehst du auf die Botschaft und du wirst sofort ein Visum erhalten.» Später werde ich seinen Namen googeln – und tatsächlich: Er ist der, für den er sich ausgibt.
Doch erst erzählt er mir noch etwas aus dem Nähkästchen. Sie seien zu siebt hier und seit gestern bei der Mannschaft. Sie hätten dem Team die 15'000 Dollar Prämie pro Spieler für das Unentschieden im Startspiel überbracht.
Als ich nach den weiteren Zahlungen frage, erklärt er freimütig: «10'000 Dollar bei einer Niederlage, 15'000 bei einem Remis, 20'000 für den Sieg. Die Viertelfinalqualifikation bringt jedem Spieler 50'000 Dollar, die Halbfinals 100'000, das Endspiel 200'000 und der Titel wird mit 500'000 entlöhnt.» Sehr schön, dann hätten wir das auch geklärt. Und wer bezahlt das? «Der Staat. Die Fussballer machen ja etwas Gutes für das Land.»
Ich begebe mich danach zum Stadion. Wie üblich sind die Strassen in einem Umkreis von gut drei Kilometern vor dem Spielort abgesperrt. Mit der Akkreditierung kann man aber meist näher ran. Dieses Mal allerdings flucht der Security-Mann: «Warum hast du so ein schlechtes Taxi genommen, das kann ich hier nicht rein lassen.» Ich will schon aussteigen, da lässt er sich doch noch erweichen: «Aber komm nie mehr mit so einem Göppel hier an.»
Praktisch während den ganzen 90 Minuten der Partien Sambia – Tunesien und Kap Verde – Kongo veranstalteten etwa 100 Fans eine Polonaise auf der Gegentribüne.