Die Meldung geisterte gestern plötzlich durch die Schweizer Hockey-Landschaft. Kommt NHL-Starstürmer Mitchell «Mitch» Marner, der letzte Saison 26 Tore und 68 Assists in 82 Spielen für die Toronto Maple Leafs erzielte, in die Schweiz? Der ZSC soll in der Pole-Position stehen. Natürlich geht es dabei nicht um ein Engagement als Spieler, sondern nur um eine Trainingsmöglichkeit. Dennoch war das Echo gross.
Die ZSC Lions sind von Seiten des europäischen Agents von Mitch @Marner93 für eine Trainingsteilnahme angefragt worden. Ob und wann der Spieler mit dem Stadtklub trainieren wird, ist noch völlig offen. #Marner #ZSCLions #MapleLeafs
— ZSC Lions (@zsclions) August 20, 2019
Der Stadtklub bestätigte am späten Abend, dass er von Marners europäischem Agenten eine entsprechende Anfrage erhalten habe. Doch kommt der junge Kanadier tatsächlich nach Zürich oder ist alles nur Verhandlungstaktik? Und ist gar ein Einsatz in einem Ernstkampf möglich? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Kyle Dubas, General Manager bei den Toronto Maple Leafs, und Mitch Marners Umfeld, das seine Agenten und Familie beinhaltet, haben in den letzten Wochen zwar verhandelt, eine Einigung ist aber nicht in Sicht.
Marner will offenbar den gleichen Vertrag, den auch Auston Matthews von den Leafs erhalten hat (5 Jahre, 11,634 Mio. Dollar jährlich). Toronto will seinen Starstürmer aber langfristig halten und ihm einen Vertrag über die längstmögliche Dauer von acht Jahren anbieten. Das wiederum ist für Marner keine Option, weil er so drei seiner besten Karriere-Jahre unter diesem Vertrag «verschwendet», in denen er als Unrestricted Free Agent den Markt testen und nochmals mehr Geld herausholen könnte.
Aktuell gibt es drei realistische Varianten: Einen Vertrag über drei Jahre, einen über sechs Jahre oder einen über sieben Jahre. Marners Lager fordert für drei Jahre zehn Millionen jährlich. Die Leafs sollen bereit sein, zwischen neun und elf Millionen zu bezahlen – aber nur bei einer langfristigen Variante.
Will Marner in der kommenden Spielzeit in der NHL spielen, muss er bis spätestens am 1. Dezember einen neuen Vertrag unterschrieben haben. Verpasst er diese Deadline, ist er in der Saison 2019/20 nicht mehr spielberechtigt.
Die Lions haben eine gewisse Verbindung zu den Leafs: Starcenter Auston Matthews spielte in seinem Draft-Jahr bei den Zürchern und hat Marner bestimmt nur Gutes zu berichten gehabt. Beim «Zett» würde Marner zudem auf Rikard Grönborg und damit auf einen der profiliertesten Trainer Europas treffen. Der Schwede wurde diesen Frühling gar bei freien Coaching-Jobs in der NHL gehandelt. Der 22-jährige Stürmer würde also beste Trainings- und Lebensbedingungen vorfinden.
#flashback four years ago
— ZSC Lions (@zsclions) August 20, 2019
First practice of @AM34 with the ZSC Lions 🦁#Matthews #ZSCLions #MapleLeafs
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Und die Lions? Sie profitieren von einer gesteigerten Aufmerksamkeit. Die Bestätigung, dass sie tatsächlich für eine Trainingsmöglichkeit Marners angefragt wurden, verbreitete sich in Windeseile auf Twitter, Facebook und in den nordamerikanischen Medien. Die Zürcher haben nichts zu verlieren und können sich im besten Fall als hervorragende Trainingsdestination für «gestrandete» NHL-Spieler etablieren.
Etwas von beidem. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Restricted Free Agent das Trainingscamp seiner Mannschaft verpasst und sich stattdessen in Europa fit hält. Die Maple Leafs haben letztes Jahr dasselbe bereits mit William Nylander durchgemacht. Der Schwede blieb bis zum Vertragsabschluss in seiner Heimat und trainierte zwischendurch auch in Österreich.
NHL-Insider Darren Dreger vom kanadischen Sender TSN hält es für realistisch, dass Mitch Marner im September in Zürich trainieren wird.
Gleichzeitig ist es aber auch Verhandlungstaktik – und zwar keine neue. Marners Agent ist Darren Ferris und er ist bekannt dafür, dass er versucht, mit der Europa-Karte Druck aufzusetzen. 2017 machte er das Gleiche mit drei seiner Klienten: Sam Bennett, Josh Anderson und Andreas Athanasiou. Letzterer trainierte dann auch mit Lugano.
Still a sizable gap in contract talks between the Flames and Sam Bennett. Possibility Bennett heads overseas until a deal in Calgary is done
— Darren Dreger (@DarrenDreger) September 5, 2017
Andreas Athanasiou in ongoing discussions with KHL teams. Unless something shifts in Detroit, indications are Athanasiou will jump to KHL.
— Darren Dreger (@DarrenDreger) September 5, 2017
Josh Anderson’s agent Darren Ferris to me via email: “We are heading there (to Switzerland) next week in the absence of a contract.” #CBJ
— Mark Scheig (@markscheig) September 21, 2017
Allesamt unterschrieben dann aber doch noch bei ihrem Arbeitgeber in der NHL – Athanasiou allerdings erst Ende Oktober, nach dem Saisonstart.
Nein. Zumindest in dieser Saison ist es nicht wahrscheinlich. Zwar könnte Marner als Free Agent jederzeit bei einem europäischen Team unterschreiben, doch das wird er nicht machen.
Erstens würde er in Europa nur einen Bruchteil dessen verdienen, was er von Toronto verlangt. Zweitens wäre es mit grossen Risiken verbunden. Sollte sich Marner bei einem Ernstkampf in Europa verletzen, würde seine Verhandlungsgrundlage bröckeln. Und der Klub – in diesem Fall der ZSC – müsste im Vorfeld eine teure Versicherung abschliessen.
Eine Verpflichtung Marners käme für einen europäischen Klub wohl erst in Frage, wenn der Kanadier nach dem 1. Dezember immer noch nicht bei den Leafs unterschrieben hätte.
Der «Tages-Anzeiger» denkt schon weiter und hofft, dass Marner 2020, wenn ein weiterer NHL-Lockout droht, sich vielleicht an die Zeit beim ZSC erinnert und sich dann den Zürchern anschliesst. Noch ist allerdings noch nicht einmal klar, ob es in einem Jahr tatsächlich wieder zu einem Lockout kommt.
Letztes Jahr hat William Nylander (ebenfalls bei den Toronto Maple Leafs) erst an der Deadline am 1. Dezember seinen neuen Vertrag unterschrieben. Der Schwede hat dann zwar das gewünschte Geld und die Vertragsdauer erhalten, doch sportlich war es nach der langen Wettkampfpause für ihn eine Saison zum Vergessen (7 Tore, 20 Assists in 54 Spielen).
Das war eine Art Warnschuss für alle kommenden Free Agents, dass man nicht zu lange mit der Unterschrift zögern soll. Trainings zu verpassen ist das eine, bei Ernstkämpfen zu fehlen aber eine ganz andere Geschichte. Deshalb darf man erwarten, dass Marner noch vor dem Saisonstart Anfang Oktober sein neues Arbeitspapier bei den Leafs unterschreiben wird.