Heute Nacht ist es passiert. Die Tampa Bay Lightning haben zum ersten Mal nach zehn Siegen in Serie (Teamrekord!) wieder eine Partie verloren. Das 1:4 gegen Boston erregt schon fast mehr Aufmerksamkeit als der Siegeslauf in den Spielen zuvor. Es ist schon so normal geworden, dass die Floridianer einfach gewinnen.
Tough result in Boston. #TBLvsBOS
— Tampa Bay Lightning (@TBLightning) 1. März 2019
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Die «Bolts» sind aktuell das beste Team der NHL, daran ändert auch die Pleite in Boston nichts. Ja, sie sind vermutlich sogar das beste Hockeyteam der Welt. Das zeigt sich auch an einigen absurden Fakten.
Die Lightning haben ausserdem die historische Chance, den ewigen Punkterekord in der NHL zu knacken. 1976/77 beendeten die Montreal Canadiens die Saison mit 132 Punkten. Um diese Marke zu erreichen, müsste Tampa aber noch 15 der verbliebenen 17 Spiele gewinnen.
Auch der Rekord der meisten Siege in einer Saison ist noch in Reichweite. 1995/96 gewannen die Red Wings in einer Saison 62 Spiele. Dort gab es allerdings noch keine Möglichkeit auf Siege nach Verlängerung oder Penaltyschiessen. Unentschieden nach 60 Minuten wurden auch als solche gewertet. Um die historische Marke zu erreichen, müsste man noch 13 von 17 Partien gewinnen. Doch nur schon in die Nähe dieser Rekordzahlen zu kommen, ist in der Salary-Cap-Ära eine fantastische Leistung.
Bleibt die Frage: Was macht die Tampa Bay Lightning in dieser Saison derart stark? Nun, das hat diverse Gründe.
Tampa hat Nikita Kucherov. Den produktivsten und im Moment wohl auch generell besten Offensivspieler der Liga. 104 Skorerpunkte hat der Russe schon gesammelt in dieser Saison und dafür nur 64 Spiele gebraucht. Was er anfasst, scheint zu Gold zu werden.
Neben einem derart dominanten Spieler geht beinahe vergessen, dass die «Bolts» noch weitere Stars haben. Da ist beispielsweise Brayden Point. Der 22-jährige Center hat in dieser Saison bereits 36 Tore erzielt. Letztes Jahr waren es noch 32 Tore in 82 Spielen. Point ist auch bei den «Goals Above Replacement» (GAR) super. Diese Statistik zeigt auf, wie ein Spieler im Vergleich mit einem Durchschnitts-NHLer performt. Und der junge Kanadier erzielt pro Spiel fast ein Tor mehr als ein durchschnittlicher NHL-Stürmer. Sein Vertrag läuft im Sommer aus und er dürfte eine saftige Gehaltserhöhung erhalten. Gemeinsam mit Kucherov und Tyler Johnson bildet Point eine der besten Linien der Liga.
Auf der Center-Position hat Tampa auch noch Steven Stamkos, WM-Silbermedaillengewinner und sechsfacher NHL-All-Star. Der 29-jährige Captain führt die talentierte Truppe an und hat selbst auch schon 33 Tore und 44 Assists auf dem Konto.
Und dann ist da noch Starverteidiger Victor Hedman. Der Schwede ist einer der besten Defensivspieler der Liga, trägt aber auch Tore und Assists zum Spiel bei. Vergangenes Jahr wurde er als bester Verteidiger der Liga ausgezeichnet.
Doch Tampa hat nicht nur die Stars. Auch aus den hinteren Sturmreihen und Verteidigungspaaren kommt genug Unterstützung. Wenn Spieler wie Anthony Cirelli, J.T. Miller, Tyler Johnson, Ryan MacDonagh oder Mikhail Sergachev zur «zweiten Garde» gehören, hat der General Manager bei der Zusammenstellung der Mannschaft viel richtig gemacht. Das zeigt sich auch daran, dass kein einziger Stammspieler der Lightning einen «Goals For»-Prozentsatz unter 50 Prozent hat. Das heisst: Bei fünf gegen fünf Feldspieler kassiert keine Linie mehr Tore als sie schiesst.
Eigentlich hätte man Andrei Vasilevkiy auch im Absatz Star-Power unterbringen können. Der 24-jährige Russe hat sich in den vergangenen Jahren stets gesteigert und ist mittlerweile einer der besten Keeper in der Liga. Gemeinsam mit Torontos Frederik Andersen ist er ein heisser Anwärter auf die «Vezina Trophy», die Auszeichnung zum besten Torhüter.
Bei den «Goals Saved Above Average» hat «Vasi» aber klar die Nase vorn. 1756 Schüsse kamen in dieser Saison bereits auf sein Tor. 92 Tore hat er dabei kassiert. Das sind 27 Tore weniger, als ein Durchschnittsgoalie kassiert hätte. Absoluter Liga-Bestwert. Und dennoch sind die Floridianer nicht vom Russen abhängig. Als er im November mit einem Fussbruch ausfiel, sprang Ersatzkeeper Louis Domingue in die Bresche. Er startete 13 Spiele in Folge und gewann elf davon.
Die «Bolts» dominieren die Gegner schon bei fünf gegen fünf Feldspieler. Doch sobald gegen irgendwen Strafen ausgesprochen werden, scheinen sie noch besser zu werden. Das Team von Coach John Cooper hat nämlich das beste Powerplay (29,3 Prozent Erfolgsquote) und gleichzeitig auch das zweitbste Boxplay (85,8 Prozent Erfolgsquote) der Liga.
Absolute Dominanz bei den Special Teams. Das hat den Lightning bislang noch gefehlt. 2015, als sie zuletzt im Stanley-Cup-Final standen (und die Serie mit 2:4 gegen Chicago verloren), waren Powerplay (18,8 Prozent) und Boxplay (83,7 Prozent) einfach guter Durchschnitt. Letzte Saison, als Tampa im Final der Eastern Conference Washington unterlag, verfügte man zwar über ein gutes Powerplay (23,9 Prozent), aber ein schwaches Unterzahlspiel (76,1 Prozent). Dieses Jahr scheint nun endlich beides zu passen.
Nun kennen wir also die grössten Stärken der Tampa Bay Lightning. Was bedeutet das für die Playoffs und die nächsten Jahre?
Mit ihren Leistungen in der Regular Season haben sich Nikita Kucherov und Co. natürlich auch zum Topfavoriten gemausert, wenn es im April mit den Playoffs losgeht. Doch auch letztes Jahr gehörten sie zu den Titelanwärtern, führten in der «Halbfinal»-Serie gegen Washington mit 3:2. Doch dann war fertig. Die Capitals schafften es, Kucherov, Stamkos und Point zu neutralisieren. Keiner der drei sammelte in den letzten zwei Spielen auch nur einen Skorerpunkt. Washington zog in den Final ein und holte sich den Cup.
Das soll dieses Jahr aus Sicht Tampas natürlich anders laufen. «Es fühlt sich anders an in dieser Saison», sagt Steven Stamkos gegenüber der «New York Times». «Besonders wir erfahrenen Spieler haben noch den bitteren Geschmack der letztjährigen Enttäuschung im Mund. Ich habe keine Bedenken, dass wir dieses Jahr auch nur einmal den Fuss vom Gas nehmen.»
Dennoch werden Spieler und Trainer Druck verspüren, dass es in diesem Jahr einfach klappen muss. Es dürfte schwierig bis unmöglich werden, das Team in der selben Form auch in den kommenden Jahren zusammenzuhalten. Denn es droht die Salary-Cap-Hölle.
Nächstes Jahr beginnen die neuen Verträge von Nikita Kucherov (9,5 Millionen Dollar pro Jahr), Ryan McDonagh (6,7 Millionen Dollar pro Jahr) und Yanni Gourde (5,1 Millionen Dollar pro Jahr) zu laufen. Damit haben die «Bolts» trotz auslaufenden Verträgen der Routiniers Anton Stralman, Braydon Coburn und Dan Girardi noch rund zehn Millionen unter dem angenommenen Salary Cap von 83 Millionen zur Verfügung.
Einen der Routiniers kann man vielleicht noch günstig wiederverpflichten, die anderen kann General Manager Julien BriseBois möglicherweise durch Rookies ersetzen. Doch dann ist da immer noch Jungstar Brayden Point, der einen neuen Vertrag braucht. Dank den tiefen Steuern im Bundesstaat Florida können die Lightning Spieler zwar zu etwas tieferen Löhnen halten als die meisten anderen Teams. Dennoch dürfte Point wohl ähnlich viel wie Kucherov und Stamkos, also rund neun Millionen Dollar jährlich, kassieren.
Da bleibt nicht mehr viel Geld, um die anderen sechs Spieler mit auslaufenden Verträgen zu behalten oder zu ersetzen. Kommt erschwerend hinzu, dass Andrei Vasilevskiy übernächste Saison ebenfalls einen neuen Vertrag braucht. Und er wird sich kaum mit den aktuellen 3,5 Millionen pro Jahr zufrieden geben.
Das Motto für die Tampa Bay Lightning in den Playoffs lautet also schon fast: Jetzt oder nie!